1 ...7 8 9 11 12 13 ...29 »Ah, Hawkens, der kleine, sonderbare Jäger. Tüchtiger Kerl; habe von ihm gehört. Die Drei mögen mit
uns kommen.«
Ich folgte dieser Aufforderung, indem ich sie zu uns winkte, und erkundigte mich dann:
»Ihr kommt selbst, Mr. White. Ist's etwas Wichtiges, was Ihr uns bringt?«
»Nichts weiter, als daß ich hier einmal nach dem Rechten sehen und mit Euch, grad mit Euch reden
wollte. Wir sind mit unserer Sektion fertig, Ihr mit der Eurigen noch nicht.«
»Daran tragen die Schwierigkeiten des Terrains die Schuld, und ich will «
»Weiß, weiß!« unterbrach er mich. »Weiß leider alles. Wenn Ihr Euch nicht dreifach angestrengt hättet,
so stände Bancroft noch da, wo er angefangen hat.«
»Das ist keineswegs der Fall, Mr. White. Ich weiß zwar nicht, wie Ihr zu der irrtümlichen Ansicht
gekommen seid, daß ich allein fleißig gewesen sein soll, doch ist es meine Pflicht «
»Still, Sir, still! Es sind Boten zwischen Euch und uns hin und her gegangen; die habe ich ausgehorcht,
ohne daß sie es bemerkten. Es ist sehr edelmütig von Euch, daß Ihr diese Säufer hier in Schutz nehmen
wollt, aber ich will die Wahrheit hören. Und da ich sehe und höre, daß Ihr zu nobel seid, sie mir zu sagen,
werde ich nicht Euch, sondern Sam Hawkens fragen. Setzen wir uns hier nieder!«
Wir waren nach unserm Zelte gegangen. Er setzte sich vor demselben in das Gras und winkte uns,
dasselbe zu tun. Als wir dieser Aufforderung nachgekommen waren, begann er, Sam Hawkens, Stone und
Parker auszufragen. Sie erzählten ihm alles, ohne zur Wahrheit ein überflüssiges Wort zu fügen; dennoch
warf ich hier und da eine Bemerkung ein, um gewisse Härten zu mildern und meine Kollegen zu
verteidigen, doch verfehlte dies den beabsichtigten Eindruck auf White. Er bat mich im Gegenteil
wiederholt, diese meine Bemühungen einzustellen, da sie vollständig erfolglos seien.
Dann, als er alles wußte, forderte er mich auf, ihm unsere Zeichnungen und das Tagebuch zu zeigen. Ich
brauchte ihm diesen Wunsch nicht zu erfüllen, tat es aber dennoch, weil ich ihn sonst beleidigt hätte, und
ich sah doch, daß er es gut mit mir meinte. Er sah alles sehr aufmerksam durch, und als er mich danach
fragte, konnte ich nicht leugnen, daß ich allein der Zeichner und Verfasser war, denn keiner von den
Andern hatte einen Strich getan oder einen Buchstaben geschrieben.
»Aber aus diesem Tagebuche ersieht man nicht, wie viel oder wie wenig Arbeit auf den Einzelnen
kommt,« sagte er. »Ihr seid in Eurer löblichen Kollegialität viel zu weit gegangen.«
Da bemerkte Hawkens mit pfiffigem Gesichte:
»Greift ihm doch mal in die Brusttasche, Mr. White! Da steckt ein blechernes Dings, worin Ölsardinen
gewesen sind. Die Sardinen sind heraus, aber dafür steckt etwas Papiernes drin. Wird wohl sein
Privattagebuch sein, wenn ich mich nicht irre. In diesem wird es ganz anders lauten als hier in dem
offiziellen Berichte, in dem er die Faulheit seiner Kollegen vertuscht.«
Sam wußte, daß ich mir private Aufzeichnungen gemacht hatte und sie in der leer gewordenen
Sardinenbüchse bei mir trug. Es war mir unangenehm, daß er es sagte. White bat mich, ihm auch das zu
zeigen. Was sollte ich tun? Verdienten es meine Kollegen, daß ich mich für sie plagte, ohne Dank zu
finden, und dies dann auch noch verschwieg? Ich wollte ihnen keineswegs schaden, aber auch nicht
unhöflich gegen White sein. Darum gab ich ihm mein Tagebuch, doch unter der Bedingung, daß er zu
niemand von dem Inhalte spreche. Er las es durch, gab es mir dann zurück und sagte:
»Eigentlich sollte ich die Blätter mitnehmen und an der betreffenden Stelle abgeben. Eure Kollegen sind
ganz unfähige Menschen, denen kein einziger Dollar mehr ausbezahlt werden sollte; Euch aber müßte
man dreifach bezahlen. Doch, wie Ihr wollt. Nur mache ich Euch darauf aufmerksam, daß es gut für Euch
sein wird, diese Privatnotizen gut aufzuheben. Sie können Euch später leicht von großem Nutzen sein.
Und nun wollen wir die famosen Gentlemen wecken.«
Er stand auf und schlug Lärm. Die "Gentlemen" kamen mit stieren Augen und verstörten Gesichtern
hinter ihren Büschen hervor. Bancroft wollte darüber, daß man ihn im Schlafe gestört hatte, grob werden,
zeigte sich aber höflich, als ich ihm sagte, daß Mr. White von der nächsten Sektion angekommen sei. Die
Beiden hatten sich noch nicht gesehen. Das Erste war, daß er ihm einen Becher Brandy anbot; aber damit
kam er an den unrechten Mann. White benutzte dieses Anerbieten sofort als Anknüpfungspunkt zu einer
Strafrede, wie Bancroft gewiß noch keine gehört oder gar selbst erhalten hatte. Dieser hörte sie, vor
Erstaunen wortlos, eine Weile an, dann fuhr er auf den Redner los, faßte ihn am Arme und schrie ihn an:
»Herr, wollt Ihr mir wohl gleich sagen, wie Ihr heißt?«
»White heiße ich; das habt Ihr ja gehört.«
»Und was Ihr seid?«
»Oberingenieur der benachbarten Sektion.«
»Hat jemand von uns Euch dort etwas zu befehlen?«
»Ich denke, nein.«
»Nun wohl! Ich heiße Bancroft und bin Oberingenieur der hiesigen Sektion. Es hat mir kein Mensch
etwas zu befehlen, am allerwenigsten aber Ihr, Mr. White.«
»Es ist richtig, daß wir uns vollständig gleichstehen,« antwortete dieser ruhig. »Befehle von dem Andern
anzunehmen, hat keiner von uns Beiden nötig. Aber wenn der Eine sieht, daß der Andere das
Unternehmen, an welchem beide arbeiten sollen, schädigt, so ist es seine Pflicht, den Betreffenden auf
seinen Fehler aufmerksam zu machen. Eure Lebensaufgabe scheint im Brandyfasse zu stecken. Ich zähle
hier sechszehn Menschen, welche alle betrunken waren, als ich vor zwei Stunden hier ankam, und so «
»Vor zwei Stunden?« fiel ihm Bancroft in die Rede. »So lange seid Ihr schon hier?«
»Allerdings. Ich habe mir die Aufnahmen angesehen und mich darüber unterrichtet, wer sie gemacht hat.
Das ist ja das reine Schlaraffenleben hier gewesen, während ein Einziger und noch dazu der Jüngste von
Euch allen, die ganze Arbeit zu bewältigen hatte!«
Da fuhr Bancroft zu mir herum und zischte mich an:
»Das habt Ihr gesagt, Ihr und kein Anderer! Leugnet es einmal, Ihr niederträchtiger Lügner, Ihr
heimtückischer Verräter!«
»Nein,« antwortete ihm White. »Euer junger Kollege hat als Gentleman gehandelt und nur Gutes über
Euch gesprochen. Er hat Euch in Schutz genommen, und ich rate Euch, ihn um Verzeihung zu bitten, daß
Ihr ihn einen Lügner und Verräter nanntet.«
»Um Verzeihung bitten? Fällt mir nicht ein!« lachte Bancroft höhnisch auf. »Dieses Greenhorn weiß kein
Dreieck von einem Vierecke zu unterscheiden und bildet sich trotzdem ein, Surveyor zu sein. Wir sind
nicht vorwärts gekommen, weil er alles verkehrt gemacht und uns aufgehalten hat, und wenn er nun,
anstatt dies einzusehen und zuzugeben, uns bei Euch verleumdet und anschwärzt, so «
Er kam nicht weiter. Ich war monatelang geduldig gewesen und hatte diese Leute nach ihrem Belieben
über mich denken lassen. Jetzt war der Augenblick da, ihnen zu zeigen, daß sie sich in mir geirrt hatten.
Ich ergriff Bancroft beim Arme, drückte ihn so, daß er vor Schmerz den angefangenen Satz
unausgesprochen ließ, und sagte:
»Mr. Bancroft, Ihr habt zuviel Schnaps getrunken und nicht ausschlafen können. Ich nehme an, daß Ihr
noch betrunken seid, und es mag also so sein, als ob Ihr nichts gesagt hättet.«
»Ich, betrunken? Ihr seid verrückt!« antwortete er.
»Jawohl, betrunken! Denn wenn ich wüßte, daß Ihr nüchtern seid und die Beschimpfungen mit
Ueberlegung ausgesprochen habt, so wäre ich gezwungen, Euch wie einen Buben zu Boden zu schlagen.
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