Markus Nobs - See - Land - Leute

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Was haben Franz Hohler und Peter Bichsel gemeinsam? Sie beobachten Menschen bei ihren alltäglichen Verrichtungen, in ihrem Leben. Was gibt es Spannenderes? Lesen Sie gerne Bichsel? Lesen Sie gerne Hohler? Vielleicht lesen Sie auch gerne See – Land – Leute. Viel Freude beim Lesen – und Beobachten!

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Markus Nobs

See - Land - Leute

Kleine Erzählungen über uns Menschen

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis Titel Markus Nobs See Land Leute Kleine Erzählungen - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Markus Nobs See - Land - Leute Kleine Erzählungen über uns Menschen Dieses ebook wurde erstellt bei

Die Schuhe, die sich in Nichts auflösten

Hochleistungs-Grossmütter und Patchwork-Kühe. Oder umgekehrt.

Kürzlich im Schalterraum der Post

Der Wespenstich, der sein Leben veränderte

Das Paradies in den Köpfen

Das halbe Seeland in Domodossola

Kennen Sie Helene Fischer?

Mutter sein dagegen sehr

Die Kirschen sind reif

Der Langläufer in Rot

Biel ist zweisprachig, n'est-ce pas?

Rechts besser, links weniger gut

"Ich komm gleich, Schätzchen“

Kleine Hunde, grosse Sorgen

Der Weg ins Glück (wandernde Gedanken 1)

Die letzten Schritte in Freiheit (wandernde Gedanken 2)

So ist er halt, der Mensch (wandernde Gedanken 3)

Impressum neobooks

Die Schuhe, die sich in Nichts auflösten

Bald schon, nämlich an Auffahrt, feiert unser jüngerer Sohn seine Konfirmation. Da kommt mir eine kleine Geschichte in den Sinn, welche sich vor drei Jahren ereignete, als unser älterer Sohn konfirmiert wurde.

Wie das so ist vor einer Konfirmation: Die Frauen, welche an den Feierlichkeiten teilnehmen werden, können nicht früh genug damit beginnen, sich auf die Suche nach einer passenden Bekleidung zu machen. Jeder Ausflug in die Nähe einer Stadt oder eines Einkaufszentrums sollte - wenn es eben nach dem Kopf der involvierten Frauen geht - dazu genutzt werden, nach einer schönen Bluse, einem Blazer oder einem farblich abgestimmten Beinkleid Ausschau zu halten.

Wir Männer sind da etwas einfacher gestrickt, wenn es um die Beschaffung einer ansprechenden Bekleidung für ein Fest geht. Zuerst einmal abwarten, lautet die Devise. Wir wissen, dass wir rasch das passende Outfit finden werden, wenn es dann die Zeit dazu ist. Gut, zugegeben: Es soll auch schon vorgekommen sein, dass der eine oder andere Mann erst am Tag vor dem Anlass in ein Kleidergeschäft rennen wollte und prompt deren vier oder fünf Geschäfte aufsuchen musste, weil es just "seine Grösse" nicht hatte. Oder aber - und jetzt kommen wir zur lustigen Geschichte: Ein Mann, hier war ein Grossvater betroffen, hatte eigentlich "bereits" drei Tage vor der Konfirmation seines Enkels die Robe beisammen.

"Und wie ist es mit Schuhen?". Diese Frage kam dann doch etwas überraschend und vor allem erst am Vorabend der Konfirmation nach 20 Uhr, als bestimmt alle Schuhläden geschlossen hatten. "Ja, was soll schon sein mit Schuhen?", kam die Gegenfrage postwendend. Er gab sich selbstsicher. "Natürlich habe ich Schuhe, die passen", räumte Opa selbstsicher ein. Denn: Wenn jetzt ein Junge konfirmiert werden soll, musste es ja so sein, dass dieses Kind (heute 16 Jahre) vor eben 16 Jahren zur Welt kam. Dass es zur Welt kam, dafür brauchte es eine Mutter. Neun Monate zuvor zudem auch noch einen Vater. Heutzutage wäre diese Logik nicht immer logisch, aber im vorliegenden Fall war es so.

Und eben: Diese Mutter und dieser Vater hatten rund zwei Jahre vor der Zeugung auch einmal geheiratet - und dort wiederum war der heutige Grossvater (als Vater der Braut nämlich) auch zugegen. Und dort wiederum hatte dieser heutige Grossvater schliesslich auch Schuhe getragen, ja für das damalige Verständnis sogar ziemlich teure Schuhe.

Kurz gesagt: Diese Schuhe haben damals existiert, sie passten zu einem dunklen Anzug und sie existieren noch heute und passen ergo noch immer zu einem dunklen Anzug. Da Grossväter in der Regel noch Militärdienst geleistet hatten und demnach auch wissen, was Ordnung ist (die Köpfe aller Zahnbürsten hatten auf die gleiche Seite zu schauen, sonst war der Feldweibel in der Rekrutenschule alles andere als erfreut), war die Suche nach diesem Paar Schuhe auch keine allzu grosse Sache. Sie lagen seit 18 Jahren unberührt in einem kleinen Schuhschränkchen, welches mittlerweile auf dem Estrich - hinter einem etwas grösseren Schrank stand und deshalb erst auf den zweiten Blick entdeckt werden konnte.

Hauptsache, die Schuhe sind jetzt da. Schuhe also angezogen, sie passen noch immer, alles im grünen Bereich.

Die Festfamilie trifft sich auf dem Parkplatz der Wohnüberbauung, um gemeinsam in die fünfzehn Fussminuten entfernte Kirche zu gehen. Unterwegs fragt jemand zwar, was das denn für ein Gummiteil sei, das da auf dem Boden liege, doch diese Frage geht in der allgemeinen Vorfreude auf die bevorstehende Konfirmation unter. Etwa zweihundert Meter weiter sagt jemand anderes: "Schau mal, hier liegt eine halbe Schuhsohle auf dem Fussgängerstreifen". Alle lachen. Auch Grossvater, der stolz die Familie ins Städtchen anführt, lacht, als er das hört. "Hoffentlich ist niemand überfahren worden", lässt sich jemand zu einem Scherz hinreissen.

Kurz vor dem Kirchplatz, auf welchem bereits übrige Verwandte und das halbe Dorf versammelt sind, sagt Grossvater plötzlich: "Du, ich stehe mit meinen Socken direkt auf dem Asphalt". Die Sohle des rechten Schuhs hatte sich nämlich in der Zwischenzeit gänzlich davongemacht oder eben in Nichts aufgelöst. Die Sohle des linken Schuhs war auf dem besten Weg dazu. Ihr fehlte bereits der Absatz.

Grossvater trug an der Konfirmation seines ersten Grosskinds, nachdem er zwischenzeitlich wieder nachhause zurückgekehrt und abermals zur Kirche gegangen, sprich aufgrund der bedenklich fortgeschrittenen Zeit diesmal gelaufen war, ein relativ neues Paar Schuhe, welches sich auch in entsprechend gutem Zustand befand: Es handelte sich dabei um Turnschuhe der Marke Adidas in den Farben Blau und Weiss.

Hochleistungs-Grossmütter und Patchwork-Kühe. Oder umgekehrt.

Eines steht fest: Die Gesellschaft verändert sich laufend. Das war ja vor 100 Jahren schon so und es wäre komisch, wenn es heute anders wäre. Doch nicht nur das, auch die Tierwelt hat sich offenbar „angepasst“.

Wenn mir mein Nachbar Köbi davon erzählt, wie er im Gemüsebauern-Dorf Finsterhennen aufgewachsen sei und eine Kuh damals 10 Liter Milch pro Tag gegeben habe, erstaunt es schon, wenn heute von 22 Litern pro Tag und Tier die Rede ist.

Wie bei den Kühen ist das auch bei den Menschen. Nehmen wir als Beispiele einmal die Grossmütter und Grossväter. Was die heutzutage leisten, ist mitnichten mit früher zu vergleichen. Vorhin im Coop-Restaurant sah ich zwei Grossmütter mit ihren Enkelkindern. Eine hatte ihre etwa 2-jährige Enkelin dabei, die andere betreute sogar zwei Grosskinder auf einen Schlag, dem Anschein nach Zwillinge, etwa vierjährig, eineiig, das war unverkennbar.

Die Grossmütter sahen dabei richtig fit aus. Eine schätzte ich in etwa als frisch pensioniert, die andere mochte wohl gegen sechzig sein. Es schien, als dass ihnen diese Aufgabe gut tat. Und die Kinder haben dabei ja auch ein Glück: Nicht immer um die gestressten, leiblichen Eltern herum sein zu müssen, das ist doch sozusagen eine Win-Win-Situation - für beide Seiten eben.

Was man vom Nebentisch aus mitbekam und wenn wir schon bei englischen Ausdrücken sind: Es handelte sich bei beiden Konstellationen offensichtlich um Exemplare aus so genannten Patchwork-Familien. Das ist ja ein Thema für sich. Kürzlich traf ich auf einen Nachbarsjungen, welcher derzeit im zweiten Jahr den Kindergarten besucht. Nein, nicht zurückgefallen. Bei uns dürfen bereits die Fünfjährigen in den Zweijahres-Kindergarten.

Item: Der Nachbarsjunge erzählte mir also freudig, dass er am Wochenende bei Naani übernachten dürfe. „Das ist aber toll“, sagte ich ihm. „Richte deiner Grossmutter Maja dann einen Gruss von mir aus“. Schliesslich kenne ich Maja bereits seit meiner eigenen Kindheit als damalige Nachbarin und die wird sich bestimmt über ein Lebenszeichen von mir freuen.

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