J. Vogel - Kains Geständnis

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Die schüchterne Jurastudentin Kim macht zufällig die Bekanntschaft von Kain. Mit seiner charismatischen Art und einem beeindruckenden Lebensstil gelingt es ihm, sich binnen weniger Stunden komplett in ihr Leben zu drängen. Während Kim, des Singledaseins überdrüssig, sich immer weiter auf den gut aussehenden, weltgewandten und geheimnisvollen Mann einlässt, gehen ihre Freundinnen auf Distanz, sie sehen nicht dasselbe in Kain wie Kim. Als die heile Welt der Freundinnen durch eine grausame Tat zerstört wird, verdichten sich die Anzeichen, dass Kain das merkwürdige Geständnis, das er Kim machte, womöglich ernst gemeint haben könnte …

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J. Vogel

Kains Geständnis

Imprint

J. Vogel

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.deCopyright: © 2016 J. Vogel Lektorat: Erik Kinting | www.buchlektorat.netCover: Erik Kinting Titelbild: © kiuikson - Fotolia.com Konvertierung: sabine abels | www.e-book-erstellung.de

Prolog

Wieso überholt dieser Kerl im schwarzen Sportwagen nicht endlich?

Jetzt, kurz nach Mitternacht, ist auf der einsamen Landstraße nicht mit Gegenverkehr zu rechnen. Dem jungen Mann am Steuer ist ein wenig mulmig zumute. Gewiss, er ist ein geübter Fahrer, aber der Mann hinter ihm – zumindest glaubt er, es sei ein Mann, der in verfolgt – hängt ihm schon seit Kilometern dicht an der Stoßstange. Er selbst ist müde und hat etwas zu viel Alkohol getrunken. In diesen Dorfdiscos ist es so billig, Mädchen abzufüllen! Der Pfingstausflug in die Provinz hat sich für ihn gelohnt. Eine der Dorfschönheiten, er kann sich nicht an ihren Namen erinnern, hat er eben im Auto gefickt und danach in die Disco zurückgeschickt. Enttäuscht hat die dumme Ziege ausgesehen, als er, ohne seine Telefonnummer zu hinterlassen, davongefahren ist! Als ob er so eine Hure jemals anrufen würde!

Er ist jetzt müde und will zurück in die Stadt. Ob es die Polizei hinter ihm ist, die ihn kontrollieren will? Aber seit wann kann sich der deutsche Staat teure Sportwagen leisten? Und die Bullen hätten ihn doch schon längst anhalten lassen, oder?

Er reibt sich die vor Müdigkeit brennenden Augen. Zudem blendet ihn der Verfolger ständig mit seinem Fernlicht. Der junge Mann erhöht das Tempo, um den Abstand zu seinem Verfolger zu vergrößern. Sein Tacho zeigt jetzt bereits hundertdreißig an, erlaubt wären in diesem Waldstück achtzig. Diverse Verkehrszeichen haben bereits mehrfach vor Wildwechseln gewarnt.

Endlich schert der Wagen hinter ihm aus. Als er mühelos vorbei zieht, wirft der Discoabstauber einen bewundernden Blick darauf. So ein Wahnsinnsauto! Hätte er auch gerne. Gewiss, der Porsche, den er fährt, ist auch nicht schlecht, kann aber mit der Rakete seines nächtlichen Renngegners nicht mithalten. Mit heulendem Motor entfernt sich der Wagen seiner Träume, die roten Rücklichter glimmen bald schon entfernt in der Dunkelheit und verschwinden schließlich hinter einer Kurve.

Der junge Mann ist wieder alleine mit der Nacht. Er bemerkt den kapitalen Hirsch erst im letzten Augenblick, bevor der Zwölfender auf die Straße tritt. Die Augen des Tieres blitzen kurz im Scheinwerferlicht auf. Es ist zu spät, um zu reagieren. Der Aufprall ist hart und ungebremst.

Das Geweih des Tieres zertrümmert die flache Frontscheibe und nur Sekundenbruchteile später bohrt es sich in das Herz des Unfallfahrers.

Es ist ein grotesker Anblick, auch für die später eintreffenden Rettungskräfte: das tote Tier – mit ebenfalls leerem Blick – Auge in Auge mit seinem Mörder und zugleich Opfer. Das Autoradio dudelt in den nächtlichen Wald Highway to hell .

Kapitel eins

»Wieso ruft er mich nicht an?«, nerve ich wiederholt meine beste Freundin Anna, die neben mir sitzt.

»Ich habe keine Ahnung, Kim. Vielleicht ist er im Stress?«, antwortet die Angesprochene leise und dreht an einer ihren langen goldblonden Locken.

Wir sitzen nebeneinander in einer Jura-Vorlesung. Ein dicker Ordner mit der Beschriftung Er-brecht liegt zwischen uns. Der Bindestrich, natürlich an der ganz falschen Stelle, wandelt das Wort und gibt zugleich den Blick frei auf die Gefühle der Studenten bei seiner Lektüre. Der Professor hält einen monotonen Vortrag über deutsches Recht zur Erbfolgeregelung. Es ist zum Kotzen langweilig!

Was gibt es da Besseres, als Anna mal wieder mit einem Anfall von Liebeskummer zu erfreuen? Wir kennen uns seit der Oberstufe. Anna hat neulich festgestellt, ich hätte seitdem eigentlich permanent Liebeskummer gehabt. Das stimmt, aber ich brauche dringend Rat und Zuhörer:

»Letzte Woche war noch alles okay. Du weißt doch, am Samstag, auf Flos Geburtstagsfeier, da hat er mir noch ins Ohr gesäuselt, wie toll er mich findet.«

»Aber es ist nicht wirklich was zwischen euch passiert?«, fragt Anna gedehnt und schreibt in ihrer geraden, klaren Handschrift mit, was der Professor sagt.

Ich weiß nicht, ob sie es wirklich wissen will oder nur aus Höflichkeit fragt. Im Moment ist mir das auch egal.

»Nichts. Wir waren die ganze Woche zusammen, haben gekocht, waren im Kino …«

»Und hattet Sex«, ergänzt Anna und kichert verhalten.

»Auch das«, bemerke ich spitz und werde rot. »Aber das ist nicht das Wichtigste gewesen! Wir hatten viel Spaß und haben uns gut verstanden.«

Anna zuckt mit den Achseln und steckt sich ihren Stift in die Haare, als Haargummiersatz. »Keine Ahnung, vielleicht bist du einfach zu früh mit ihm in die Kiste gestiegen.«

Was soll denn diese lapidare Antwort bedeuten? Ich war sieben Mal mit ihm aus, bevor ich mit zu ihm gegangen bin. Disco, Kino, Museum, Essen, kochen bei Freunden, spazieren, wieder Essen. Ich habe es wirklich lange hinausgezögert.

Und überhaupt gibt es dafür ja überhaupt keine Regel. Anna ist mit ihrem Flo schon seit zwei Jahren glücklich und hat bereits an dem Abend, an dem sie ihn kennenlernte, mit ihm geschlafen.

Anderseits kann ich mich mit ihr optisch nicht messen – Anna ist traumhaft schön. Sie ist groß, blond und schlank. Trotzdem hat sie eine beneidenswerte Oberweite. Flo hat sie auf dem Oktoberfest getroffen. Sie hatte ein freizügiges Dirndl an, er kurze Lederhosen. Man kann von Liebe auf den ersten Blick sprechen. Oder von einem One-Night-Stand, der schon zwei Jahre anhält.

Ach, Anna ist in solchen Dingen auch moralisch kein Maßstab für mich.

Ich lasse das Thema fallen und versuche, mich auf die Vorlesung zu konzentrieren. Betont eifrig mache ich mir Notizen. Anna seufzt übertrieben laut und tut es mir nach.

Nach der Uni wollten wir uns eigentlich noch mit Luise und Carina im Englischen Garten treffen. Einfach ein bisschen herumliegen und die warme Frühlingssonne genießen. Wir haben alle vier zusammen Abi gemacht. Carina studiert mittlerweile Medizin und Luise hat sich für BWL entschieden.

Aber ich habe es nun plötzlich eilig, in meine Studentenbude zu kommen. Vielleicht hat Tom mir auf den Anrufbeantworteter gesprochen und ich mache mir umsonst Sorgen!

Tatsächlich leuchtet eine rote Eins und zeigt an, dass jemand eine Nachricht hinterlassen hat.

Aufgeregt drücke ich auf die Wiedergabetaste. Die Stimme erkenne ich gleich: Es ist Tom!

»Hi, ich bin’s. Jetzt bist du weg, schade. Ich finde, du bist echt lieb, aber wir passen nicht zusammen. Das wollte ich dir eigentlich persönlich sagen, aber du bist nicht da. Also … sorry. Machs gut.«

Er klingt sachlich, kühl, geübt, als hätte er genau diesen Satz schon hunderte Male gesagt. Ich bin fassungslos und höre den kurzen Text noch dreimal an, um mich von seinem schlechten Charakter zu überzeugen. Was für ein feiger Drecksack! Sogar so verschlagen, dass er per Anrufbeantworter mit mir Schluss macht. Er wusste doch genau, dass ich vormittags in der Uni bin und außerdem hat er meine Handynummer!

So ein dummes Reichensöhnchen , denke ich wütend und trete gegen die Wand, bis mein Fuß schmerzt. Der Typ glaubt, er kann, dank Porsche von Papi und schicken Klamotten, machen was er will.

Kann er wohl auch, zumindest mit mir.

Wieso passiert mir das jetzt? Warum werde ich von ihm abserviert?

Vor meinem Wandspiegel an der Tür mache ich eine Bestandsaufnahme:

Ich bin mittelgroß und schlank. Gut, die Oberschenkel könnten dünner, die Oberweite üppiger sein. Aber sonst sehe ich ganz okay aus. Mein Gesicht ist schmal, meine vielen Sommersprossen kann ich nicht leiden, nur meine Freundinnen finden sie süß . Dazu habe ich ungewöhnlich große und grüne Augen, die gut zu meinen rötlichen Haaren passen. Überlang und lockig sind sie, wenn ich sie nicht glatt ziehe oder zu einem dicken Zopf flechte.

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