Gunther saß in seinem Arbeitszimmer und drückte gerade seine letzte Zigarette im Aschenbecher aus. Verzweifelt ging er seine Kundenliste durch, in der Hoffnung, doch noch jemand zu finden, der in sein Projekt investiert. Über 40 Leute hatte er schon angerufen, aber keiner hatte Interesse, auch nur einen Cent in sein Geschäftshaus zu investieren. Wenn er Wohn- oder Mietshäuser gehabt hätte, dann ja. Aber Geschäftsimmobilien waren im Augenblick nicht gefragt und wenn, dann mussten sie äußerst günstig und in Stadtnähe sein. Aber beides traf nun einmal nicht zu. Leise fluchend stand er auf und holte aus seiner Küche ein neues Päckchen Zigaretten und eine Flasche Wein. Es war seine zweite Flasche die er öffnete. Gunther schenkte ein und sah noch einmal in seiner Kundenkartei nach, ob er noch jemanden findet, der vielleicht doch Interesse an seinem Objekt haben könnte. Nach weiteren vier Anrufen war klar, keiner wollte in das Projekt investieren. Auch auf seiner Homepage gab es keine Nachfragen und die Resonanz auf seine Anzeigen in diversen Zeitungen, war gleich null. Gunther war mit seinem Latein am Ende. Er war so verzweifelt, dass er mit dem Gedanken spielte, seinen Bruder anzurufen um ihn anzupumpen. Mitten in seinen Überlegungen, bemerkte er, dass auf seiner Homepage eine Mail eigegangen war. Er öffnete sie und las folgenden Text: „Hallo Herr von Brahmstett, habe soeben ihre Offerte für das Wirtschaftsgebäude mit der Nummer 231/ 201 gesehen. Ich habe es meiner Chefin gezeigt und die hatte ein reges Interesse an dem Objekt. Da sie expandieren will und ein Büro in Berlin eröffnen möchte, wäre dieses Objekt sehr gut dafür geeignet. Bitte rufen sie mich morgen an, um weitere Details zu besprechen. Hochachtungsvoll Hans Kramer.“ Drunter stand die Handynummer die er anrufen sollte. Gunther traute seinen Augen nicht. War dies die Rettung in letzter Minute? Die Nachricht klang auf jeden Fall vielversprechend. Nun hieß es für Gunther kühlen Kopf zu bewahren, um den vermeidlichen Investor nicht zu verlieren. Am nächsten Morgen, klingelte Hans Handy. Er meldete sich mit Kramer und auf der Gegenseite war Gunther. Hans: „Schön das sie anrufen. Gleich vorweg, ist das Objekt noch zu haben?“ Gunther: „Nur noch ein Teil, aber das sollten wir vor Ort besprechen.“ Hans: „Oh, das ist aber schade, Frau Hoffmann hätte gerne das ganze Objekt gekauft. Ich fürchte, dann wird das nichts.“ Gunther: „Langsam Herr Kramer, man kann über alles reden. Ich schlage vor, wir treffen uns direkt vor Ort und besprechen dort alles Nötige. Ich bin dafür bekannt, dass ich für jedes Problem eine Lösung finde. Wann hätten sie denn Zeit?“ Hans überlegte kurz und antwortete: „Heute Nachmittag um 15:00 Uhr?“ Gunther: „Ja, da hätte ich Zeit. Treffen wir uns doch direkt am Objekt, da können sie sich in aller Ruhe umschauen und sich selbst ein Bild von der hervorragenden Substanz des Baus machen. Kennen sie sich in Berlin aus? Wenn nicht, würde ich sie abholen.“ Hans: „Das ist nicht nötig, ich bin Berliner. Dann bis heute Mittag.“ Hans beendete das Gespräch und ging zu Linda ins Arbeitszimmer. Hans: „Der Fisch ist an der Angel. Wir beide müssen jetzt zum Katasteramt. Vergiss bitte nicht die Vollmacht, sonst bekommen wir eventuell keine Auskünfte.“ Die Auskünfte die sie dort erhielten, waren alles andere als erfreulich. Frau von Brahmstett hatte mit ihrer Ahnung Recht gehabt. Ihr Sohn wurde von einer Investorengruppe übel über den Tisch gezogen. Kaum das die scheinbaren privaten Investoren die Anteile der Häuser gekauft hatten, wurden sie auch schon wieder weiter veräußert, aber für einen weitaus höheren Preis. Und die neuen Besitzer waren nicht aus Deutschland, sondern hatten ihren Sitz auf den Kanalinseln. Aber das Schlimmste folgte noch. Gunther hatte alle Objekte mit Hypotheken beliehen, um so das Neue Objekt finanzieren zu können. Falls er in den nächsten zwei Wochen keinen Investor findet, würden alle Häuser von den Banken zwangsversteigert. Das wäre für Gunther der finanzielle Ruin und seine Mutter würde mit Sicherheit auch 300.000 Euro verlieren. Mit diesem Wissen, fuhren sie zur angeblichen Besichtigung. Kurz vor 15:00 Uhr betraten sie das Gebäude. Von außen sah alles ganz normal aus, aber innen herrschte das Chaos pur. Überall hingen Kabel von der Decke, die teilweise schon demontiert war. Leichtbauwände aus Gips fehlten ganz, oder nur das Metallgerippe stand noch. Linda: „Man könnte meinen, hier haben die Vandalen gehaust. Das sieht ja schrecklich aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand in diese Bruchbude einen Cent investiert. Wie viel hat Gunther von Brahmstett dafür bezahlt?“ Hans: „Mit allem drum und dran hat der Schuppen 1,8 Millionen gekostet. Nach meinem Geschmack ist das viel zu viel. Die Hälfte davon wäre der reale Verkehrswert. Ich weiß nicht, warum Gunther die Hütte so teuer gekauft hat.“ Aus der oberen Etage hörten sie plötzlich laute Stimmen. Eine davon gehörte Gunther, die andere kannten sie nicht. Die beiden stritten sich heftig und wurden immer lauter. Gunther: „Sie sind ein Betrüger, ich werde Anzeige gegen sie erstatten.“ Fremder: „Was sie erst einmal beweisen müssten. Sie haben nichts in der Hand gegen mich. Aber nur zu, zeigen sie mich ruhig an. Im Gegenzug werde ich sie wegen Verleumdung und falscher Anschuldigung belangen und von ihnen noch eine hübsche Summe Schadensersatz wegen Geschäftsschädigung verklagen. Wenn ich mit ihnen fertig bin, sind sie bis an ihr Lebensende pleite. Sie werden nur noch für ihre Schulden bei mir arbeiten.“ Gunther: „Das wagen sie nicht, Herr Conner.“ Der Fremde: „Entweder sie akzeptieren meinen Vorschlag, oder sie sind Bankrott. Holen sie sich doch die fehlende halbe Million von ihrer Mutter oder ihren Bruder. Die haben doch die Kohle.“ Gunther: „Sagen sie mir nicht, was ich zu tun habe und lassen sie meine Familie aus dem Spiel. Die hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Und jetzt ist es besser sie verlassen mein Grundstück, bevor ich mich vergesse und sie eigenhändig hinauswerfe.“ Fremder: „Sie drohen mir? An ihrer Stelle würde ich damit ganz vorsichtig sein. Ein Schlag von ihnen und ich bin jahrelang berufsunfähig. Was sie das wieder kosten wird. Ich gebe ihnen noch bis Freitag Zeit, sich mein Angebot zu überlegen. Wenn nicht, sind sie pleite.“ Man hörte jetzt, wie eine Person die große Treppe herunter kam. Hans und Linda versteckten sich hinter einer Gipswand, bis der Fremde das Gebäude verlassen hatte. Hans: „Geh du schon einmal hoch zu Gunther, ich habe noch ein paar Fragen an diesen Herrn Conner.“ Linda: „Sei bitte vorsichtig, nicht das dir etwas zustößt.“ Hans gab ihr einen Kuss und antwortete: „Versprochen, meine Süße.“ Dann rannte er dem Fremden hinterher, während Linda die Treppe nach oben nahm. Dabei rief sie öfters: „Herr von Brahmstett, wo sind sie? Hier ist Frau Hoffmann, wir haben einen Termin.“ Nach einem Räuspern rief Gunther: „Ich bin hier oben, kommen sie Frau Hoffmann.“ Hans kam gerade noch rechtzeitig am Wagen von Conner an, bevor er einsteigen konnte. Er fragte ihn: „Sie fahren nicht zufällig nach Berlin hinein? Ich muss hier weg, sonst drehe ich durch. Arbeiten sie nie für eine Frau, das ist nicht gut für ihre Nerven und vor allen, nicht fürs Ego.“ Conner lächelte und antwortete: „Na gut, steigen sie ein. Wir Männer müssen doch zusammenhalten, vor allem wenn es gegen das vermeidliche „schwache Geschlecht“ geht.“ Conner startete den Wagen und fuhr los. Während der Fahrt, fragte er Hans: „Ich hoffe, sie hatten keinen privaten Ärger mit ihrer Chefin, weil das kompliziert nämlich das Arbeitsverhältnis ungemein.“ Hans: „Nein, Gottlob nicht. Ich wollte sie nur vor einem geschäftlichen Fehlgriff abhalten. Stellen sie sich vor, sie will doch tatsächlich diese alte Bruchbude kaufen, aus der sie gerade gekommen sind. Jetzt ist sie gerade bei dem Verkäufer der Immobilie und will den Preis herunterhandeln. Die ist einfach nur verrückt.“ Conner wurde hellhörig und hakte nach: „Sie meinen das weiße Wirtschaftsgebäude, den ganzen Komplex? Hat sie denn so viel Geld?“ Hans: „Oh, meine Chefin hat genug Kohle, sie hat zuerst reich geheiratet und danach wurde sie eine reiche Witwe. Kosmetikbranche, Internethandel und Networkmarketing macht sie noch reicher. Stellen sie sich vor, sie möchte den Schuppen, für 1,5 Millionen kaufen. In die Bude muss sie bestimmt noch einmal 500.000 Euro oder mehr hineinstecken.“ Conner fuhr rechts heran und stellte den Motor ab. Dann sagte er: „Haben sie Lust, sich auf die Schnelle, ein paar Euro nebenbei zu verdienen?“ Hans: „Kommt darauf an, was sie unter ein paar Euro verstehen.“ Conner: „Sagen wir ein Monatsgehalt netto auf die Hand.“ Hans: „4.000 Euro ist nicht sehr viel, sagen wir zwei Gehälter.“ Conner: „Sie wollen gar nicht wissen, was sie dafür tun sollen?“ Hans: „Ich denke, es geht um den Kauf der Immobilie und um meine Chefin.“ Conner: „Sie sind ein kluger Mann. Ich heiße übrigens Richard Conner und komme aus Hamburg.“ Hans: „Angenehm und ich bin Hans Kramer und wohne in Berlin. Dann schießen sie Mal los.“ Während Hans sich mit Richard Conner unterhielt, tat Linda so, als interessierte sie sich für die Immobilie. Sie ließ sich das ganze Haus zeigen und bemängelte immer wieder den schlechten Zustand des Hauses. Gunther antwortete immer: „Das sind doch nur Kleinigkeiten, die mit ein bisschen Gips und Farbe leicht beseitigt werden kann. Wichtig ist doch die ganze Bausubstanz und die ist einwandfrei.“ Linda fiel immer weniger ein, was sie ihn noch Fragen könnte, außer das Finanzielle. Sie fragte ihn nun: „Und, was soll das kosten? Meinem Mitarbeiter hatten sie gesagt, es wäre nur noch eine Beteiligung von einer halben Million möglich.“ Gunther: „Wenn sie mehr investieren wollen, dann gebe ich ihnen einige meiner Anteile ab. Wir werden uns schon einig, nur sollte das Geschäft zeitnah abgewickelt werden, weil noch andere Interessenten da sind. Wer zu spät kommt, den straft das Leben.“ Linda: „Und was bekomme ich für meine 500.000 Euro?“ Gunther: „Ich würde ihnen dafür die Ladenpassage überlassen. Die ist doch ideal für ihre Geschäfte.“ Linda: „Aber das sind insgesamt nur 320 m² für vier kleine Geschäfte.“ Gunther: „Dann reißen sie eben die Zwischenwände heraus und schon haben sie ein Großraumbüro. Sie können machen was sie wollen. Wenn sie Hilfe brauchen, stehe ich ihnen bei der Planung gerne kostenlos zur Seite.“ Nun hörte man, wie jemand die Treppe herauf eilte. Es war Hans, der gleich rief: „Frau Hoffmann, Herr Smith aus L.A. hat gerade angerufen. Sie haben in einer halben Stunde eine Videokonferenz. Scheinbar gibt es Probleme mit einem Server in Kalifornien. Wir sollten so schnell wie möglich gehen.“ Linda antwortete: „Na, wenn das so ist. Herr von Brahmstett, ich lasse mir alles durch den Kopf gehen. Ich rufe sie in den nächsten Tagen an.“ Gunther: „Hier sind noch die Pläne vom Erdgeschoss. Wie gesagt, da könnten sie schalten und walten, wie sie wollen.“ Sie verabschiedeten sich. Auf dem Weg zum Wagen, maulte Hans: „Da läuft eine ganz große Sauerei. Ich weiß nur noch nicht, wer dahinter steckt. Dieser Conner ist die zentrale Figur. Wir müssen mehr über die Berliner Nationalbank herausbekommen, vor allem über deren Chef, der Filiale in der Spandauer Strasse.“ Linda verstand kein Wort von dem was Hans ihr erzählte und antwortete nur: „Du bist der Boss.“
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