1 ...7 8 9 11 12 13 ...24 Das sprach sich auf dem Pilion herum, und die Bauern traten reihenweise an Jan heran und fragten nach der Mischung. Im nächsten Jahr brachten mehrere Dutzend Bauern Jans Mischung aus und erzielten Ergebnisse, die über die Grenzen der Provinz hinaus Aufsehen erregten. Jan bedauerte dies im Nachhinein, denn es gab Probleme mit der Zertifizierung und Zulassung seines Produkts, als er daran ging, es anzumelden, um es in ganz Griechenland vertreiben zu können. Ein Hersteller von Pestiziden hatte von Jans Erfolgen gehört und versuchte nun, dem noch jungen Unternehmen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Doch Jan wusste sich zu helfen. Sein „AcrePlus“ – so nannte er seine Mischung zunächst – kam hervorragend an, und schon drei Jahre später war der ganze Pilion de facto auf Biolandwirtschaft umgestiegen, indem er „AcrePlus“ von Metzner Ε.Π.Ε. auf allen Feldern und Äckern einsetzte.
Zwei Dinge passierten gleichzeitig: Der Pilion wurde die fruchtbarste Gegend Griechenlands – und der Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden rutschte auf null.
***
Meike schickte Jan einen Gruß aus warmen Wasserperlen, die sie aus dem Pool herüberspritzte. Jan spürte jeden einzelnen Wassertropfen, ehe er auf seine Haut traf, und reagierte nicht wie gewünscht; da er vorbereitet war, blieb er einfach ruhig liegen.
„Blödmann“, knurrte Meike, tauchte ab und schwamm ein wenig.
Jan grinste, als er Meikes Kopf über dem Wasser spürte , den Rest von ihr aber nicht wahrnehmen konnte. Das war deswegen eine komische Wahrnehmung, weil Meikes Kopf ohne den Rest von ihr natürlich nicht zu denken war. Dieser Rest war durchaus atemberaubend, und Jan konnte absolut nachvollziehen, dass die jungen Griechen sich in Meikes Nähe meist ziemlich schnell auffallend kopflos zu verhalten begannen, aber er fand es auch ein wenig peinlich. Nicht die beste Visitenkarte für das männliche Geschlecht.
„Kommt Dimitri nachher?“, fragte er, als Meike etwa zwei Armlängen vom Fußende seiner Liege am Beckenrand auftauchte.
„Und wenn?“, fragte seine Schwester.
„Dann würde ich um eine Vorwarnzeit bitten, damit ich nach Volos fahren und mir rechtzeitig Ohropax besorgen kann. Vorgestern habt ihr mich um meinen wohlverdienten Schlaf gebracht.“
Meike lachte laut auf.
„Du würdest aus einem ganz anderen Grund nach Volos fahren“, entgegnete sie, „und zwar wegen dieser sexy Schnecke, die dir dein Geld abknöpft.“
„Red nicht so respektlos von meiner Lieblingshure“, rüffelte er sie sarkastisch. „Sie führt meine Aufträge bislang zu meiner absoluten Zufriedenheit aus.“
„Das hoffe ich sehr.“ Meike stieg aus dem Wasser. „Wäre aber doch schön, wenn du eine Schnecke hättest, mit der du auch auf Feste und an den Strand gehen könntest, oder?“
Jan verzog das Gesicht.
„Ich mag den Ton nicht, in dem du sie ‚Schnecke‘ nennst. Das klingt … abfällig.“
„Du mit deiner politischen Korrektheit. Dimitri nennt mich so, wusstest du das?“
„Schnecke? Dich?“
„Natürlich auf Griechisch. Saligkári. Klingt doch schön, oder?“
Jan lachte und antwortete:
„Schön ist vor allem, wie er dich am Wickel hat!“
„Männer wie ihn gibt es in Deutschland nicht mehr. Diese Leidenschaft ohne Hintergedanken, nur für den Augenblick … Jan, das sind göttliche Momente!“
Göttliche Momente – wie sie das sagte! Darin schwang so viel Wahrheit mit, dass es ihm für Sekunden die Sprache verschlug. Er wusste genau, was sie meinte, und er wusste auch, wie selten diese Erlebnisse waren. Sollte Meike ihren Griechen also genießen!
„Jan?“
Für einen Moment war er in Gedanken gewesen; plötzlich saß sie neben ihm auf der Kante des Liegestuhls.
„Ja?“
„Findest du Frauen schwierig?“
„Nicht wenn ich sie für ihre Dienste bezahle.“
Meike verzog das Gesicht.
„Nicht einen Moment lang kannst du ernst sein“, kritisierte sie. „Warum suchst du dir nicht ein nettes Mädchen? Es gibt doch wirklich einige hier. Dimitris Schwester zum Beispiel ist ziemlich hübsch…“
„Meike, ich hab keine Lust, irgendeinem Küken beizubringen, wie blasen geht!“
„Ach, du bist doof! Das ist doch nichts, was du beibringen musst.“
„Du kannst das von Natur aus, ja?“
„Jan, du reduzierst Frauen auf eine Funktion! Das ist frauenfeindlich!“
„Okay, ich bin ab sofort schwul. Lässt dein Dimitri sich gut ficken?“
„Eher fickt er dich“, lachte Meike, „und zwar bis du nicht mehr laufen kannst.“
Dimitri war ein Junge aus dem Dorf, gerade zwanzig Jahre alt. Meike hatte eine Vorliebe für jugendliche, kantige Griechen. Seit Jan hier mit ihr zusammenlebte, hatte sie ein paar von ihnen ausprobiert. Mit Dimitri war sie nun schon monatelang zusammen.
„Jan, ganz ehrlich: Du brauchst eine Frau!“
„Ich habe eine Frau.“
Sie lachte trocken auf und erwiderte:
„Wir vögeln nicht miteinander.“
„Also führen wir eine intakte Ehe.“
„Jan, wir sind Geschwister.“
„Ändert das was?“
„Eine Frau würde alles ändern.“
„Wie spießig du sein kannst!“
Zu diesen Worten stand er auf und sprang in das erfrischende Wasser des Pools. Meike folgte ihm.
„Nenn es wie du willst“, gab sie zurück, als er wieder aufgetaucht war.
„Lassen wir das jetzt“, sagte er und unterstrich seinen Wunsch, nicht mehr über dieses Thema zu reden, indem er ein ernstes Gesicht machte.
Im Grunde hatte Meike natürlich recht, aber Jan konnte nicht so einfach aus seiner Haut. Er war jetzt 38 Jahre alt, und von all diesen Jahren hatte er zusammengenommen höchstens drei Jahre in Beziehungen mit Frauen verbracht. Dabei interessierten ihn Frauen durchaus, und Frauen interessierten sich auch für ihn. Er sah blendend aus, hatte ein einnehmendes Lachen und konnte in Gesellschaft ausgesprochen witzig und charmant sein. Zudem war er sportlich, vielseitig interessiert, gebildet – lauter Vorzüge, die ihn attraktiv machten. Aber er hatte auch dieses spezielle Talent, die Leute vor den Kopf zu stoßen.
Das Problem war einfach, dass ihm die Richtige noch nicht begegnet war, und langsam begann er sich damit abzufinden, dass sie ihm vielleicht nie begegnen würde. Die Richtige – das musste eine Frau sein, die ihn so nahm, wie er war. Das war nicht immer ganz einfach. Wenn er beispielsweise ein Projekt verfolgte, richtete sich all seine Energie einzig und allein auf dieses Projekt, und der Rest der Welt wurde ihm völlig gleichgültig. Die meisten Menschen interpretierten das als Desinteresse und reagierten beleidigt, aber wenn sie ihn bei nächster Gelegenheit auf einer Party erlebten, waren sie wiederum völlig von ihm eingenommen. Jetzt hatte er sein Labor und plante einen Ausbau, und das bedeutete nichts Gutes für die Suche nach einer Frau, denn diese Frau müsste damit leben können, dass er ihr seine Bakterienkulturen und die abgeschiedene, stille Arbeit im Labor oft vorziehen würde.
Trotzdem liebte er Sex. Er konnte zwar wochenlang ohne Sex auskommen, wenn er in der heißen Phase eines Projektes und völlig absorbiert war, aber er holte alles wieder nach. Manchmal fuhr er nach Athen und holte sich, was er brauchte, mit Frauen, die er in Bars abschleppte. Für eine Weile war er auch Mitglied in einem Club gewesen, bis er das affektierte und angeberische Gehabe mancher Mitglieder nicht mehr ertrug. Und dann war da noch Sophia, bei der er Stammkunde war. Das war zwar nicht ganz billig, aber es war trotzdem die optimale Lösung. Jan ging schon seit fünf Jahren zu ihr, meist jede Woche zu einem Termin, der ihm zur Gewohnheit geworden war und den sie für ihn freihielt.
Mit der Zeit hatte sich zwischen ihnen eine Art Vertrauensverhältnis gebildet. Sophia wusste Dinge von Jan, die nicht einmal Meike wusste. Umgekehrt war es nicht anders. Das Schöne an dieser Beziehung war, dass sie endete, sobald Jan zahlte und ging. Meist war er dann in allerbester Laune, denn in den Stunden zuvor hatte er sich in der Regel nach Kräften ausgetobt.
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