Dominic D. Kaltenbach - INDIVIDUUM

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Ist es nicht bereits schlimm genug, dass die Ängste der Menschen durchweg auf Ignoranz treffen? Worin liegt der Nutzen eines Buches, das sich unterschwellig auch noch über diese Befürchtungen lustig macht? Sollen hier etwa die Musiker der RMS Titanic zum zynischen Vorbild dafür erklärt werden, das aufbauend Schöne nicht einmal nach ausgerufenem «Rette sich, wer kann!» in Frage zu stellen? Oder entsteht der verhöhnende Eindruck etwa gerade deshalb, weil die liebgewonnenen dunkelsten Prognosen als Ausgangspunkt unüblicherweise tatsächlich Berücksichtigung finden? In der Essaysammlung werden verschiedene Aspekte aus den Schwerpunkten Familie und Partnerschaft, Arbeit und Beruf sowie Religion und Weltanschauung durch eine eher ungewöhnliche Linse betrachtet. Ihren Schliff erhält selbige anhand der jeweils zerstörerischen Kräfte, derer Globalisierung und Individualisierung einstimmig bezichtigt werden. Das aus den Katastrophenszenarien gebündelte Bild zeigt zwar Unbequemes, aber wider Erwarten nichts Furchteinflößendes. Obwohl, ein Umstand könnte durchaus zu Panikattacken führen: Für den richtigen Weg gibt es keine App. Wie lebt es sich also in einer Gesellschaft ohne Halt und Orientierung? Muss sich ein weltoffener Mensch denn wirklich jegliche Unverschämtheit gefallen lassen? Kommt ein weltzugewandter Bürger tatsächlich nicht umhin, intimste Details vor aller Öffentlichkeit auszubreiten? Bietet unsere schnelllebige Zeit überhaupt noch die Möglichkeit, einen klaren Gedanken zu fassen und Abwägungen vorzunehmen? Die überarbeiteten Versionen der Abhandlungen, die zwischen 2013 und 2016 erschienen sind, führen hier nun mit Blick auf eine unheilvolle Begleiterscheinung von «Vertrauen» zu einem Gesamtresümee.

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Dominic D. Kaltenbach

INDIVIDUUM

Globalisiert, emanzipiert - orientierungslos?

2019

Impressum

INDIVIDUUM. Globalisiert, emanzipiert - orientierungslos?

Dominic D. Kaltenbach

Copyright: © 2019 Dr. Dominic D. Kaltenbach

Verlag: Dr. Dominic D. Kaltenbach

Richard-Schirrmann-Straße 18

79822 Titisee-Neustadt

Deutschland

dominic.kaltenbach@gmx.de

Vertrieb: epubli ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Inhaltsverzeichnis

Zwei entscheidende Prozesse

Weltvergesellschaftung

Warten auf den Untergang

Der Verfall der Familie

Der Verfall der Arbeit

Der Verfall der Religion

Der Verfall des Verfalls oder Vom Schein zum Sein

Bei Tisch im Restaurant

Der gesellschaftliche Nachlass eines Freiherrn

Der Restaurantgast von Knigges Gnaden

Das Servicepersonal von Knigges Gnaden

Der Baron ist tot, es lebe der Baron!

Geld & Sex

Vorsicht, Eindringlinge

Geld im Spiegel Dritter

Sex im Spiegel Dritter

Sie haben das Recht, zu schweigen

Schnell, erbarmungslos, relativ: die Zeit

Wie spät ist es?

Es wird Zeit!

Verschwindet die Zeit wieder?

Exkurs: Zeitreisen

Alles Zeitliche hängt vom Souverän ab!

Ende?

Schluss!

Vertrauen ist nicht alles

Literatur

Zwei entscheidende Prozesse

Die wirtschaftliche Skrupellosigkeit reißt im Zuge der Globalisierung ungehindert die Weltherrschaft an sich, vernichtet die identitätsstiftenden kulturellen Besonderheiten und schert sich einen Dreck um die Bedürfnisse der einfachen Menschen.

Durch die Individualisierung zudem bestialisch auseinandergetrieben, bleibt den vereinzelten Gesellschaftsmitgliedern, in ihrer obligatorischen Traditionsarmut, nur der rücksichtslos befriedigte Konsumrausch.

Den hier versammelten Essays liegt entsprechend die Erkenntnis zugrunde, dass sich der Weg, hin zu einem fruchtbaren Miteinander in der Weltgesellschaft der Individuen, aus der Verbindung dieser beiden zerstörerischen Prozesse ergibt.

Diese auf den ersten Blick ebenso unplausible wie unkonventionelle Sichtweise ergibt sich aus einem Analysekonzept, das im Rahmen der Arbeit „Globalisierung - bleibt das Individuum auf der Strecke?“ entwickelt worden ist. Es orientiert sich schlicht an den hier einleitend prägnant zugespitzten Befürchtungen. So simpel die resultierende Gliederung ist, vermag sie dennoch, der allseits bemängelten zunehmenden Unübersichtlichkeit ein gutes Stück entgegenzuwirken.

Unter der Leitfrage, womit der Einzelne durch die Globalisierung genau konfrontiert ist, beginnt die Betrachtung mit der Suche nach den gestaltenden Akteuren. Da deren Handeln typischerweise jenseits alter Raumvorstellungen angesiedelt ist, muss der Detektor anschließend auf vereinheitlichende Eingriffe in die kulturelle Unabhängigkeit eingestellt werden. Ergänzend ist im Fortgang nach Anhaltspunkten für eine Weltgesellschaft Ausschau zu halten. Während ein Teil der Sozialwissenschaften diese zum letztverbliebenen Handlungsrahmen erklärt, bestreitet ein anderer alleine schon die Möglichkeit einer solchen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die weiterführende Frage, woran sich der individualisierte Mensch eigentlich orientiert. Bei der Suche nach Einbindungsformen drängt sich zunächst eine strikte Abgrenzung zwischen einem unreflektierten Nachahmen von Individualitätsmustern und der eigentlichen Individualisierung auf. Dieser Spur folgend, erscheint selbst der kränkelnde Umgang mit Überlieferungen in einem aufschlussreichen Licht. Letztlich wirken sich die Eigenschaften des individualisierten Kompasses auch auf das ewige Spannungsverhältnis von gesellschaftlichen Belangen und persönlicher Selbstverwirklichung aus.

Für das Gesamtbild können die Ergebnisse der für beide Prozesse jeweils dreigliedrigen Vorgehensweise zu einem, hier exemplarisch skizzierten, Zopf verflochten werden. Ausgehend von den betrachteten Akteuren, bricht die Globalisierung mit den zuvor als unumstößlich geltenden Ordnungsstrukturen und Gestaltungsmonopolen. Auf der Weltbühne ringen bei Weitem nicht mehr nur juristische und natürliche Personen mit Rang und Namen um ihre jeweiligen Interessen.

Die sortierende Auseinandersetzung mit der einhergehenden Vielfalt ist ein wesentlicher Bestandteil der im Rahmen der Individualisierung an Umfang zugelegten Eigenverantwortlichkeit. Während frühere Einbindungsformen ein desinteressiertes, passives Mitschwimmen ermöglichten, sind mit diesem Verhalten bei der heutigen Strömungslage heftige Turbulenzen zu erwarten. Der Verlust von Selbstverständlichkeiten mutet jedem Einzelnen zu, sich seinen Lebensthemen und Beziehungen bewusst zuzuwenden und diese aktiv zu pflegen.

Der globalisierte Einheitsbrei bleibt nicht zuletzt deshalb aus, weil sich die Attraktivität des lokal Bekannten nicht in der einst konstruierten Alternativlosigkeit erschöpft. Zudem fördert ein wechselseitiger Lern- und Austauschprozess zutage, dass die Kerninteressen der Menschheit in etlichen Bereichen gar nicht derart weit auseinander liegen. Der gegenteilige Eindruck wurde im Rahmen der Nationenbildung abgrenzend bewusst herbeigeführt und findet sich bis heute im Dienst einer örtlich begrenzten Solidaritätserzeugung.

Das Ideal eines passiven Untertans liegt denn auch der Diagnose einer vermeintlich individualisierungsbedingten Verachtung von Traditionen zugrunde. Hier findet sich jedoch vielmehr ein ebenso fundierter wie kritischer Umgang mit dem kulturellen Erbe, der sich durch eine räumliche Offenheit auszeichnet und der von einem individuellen Verantwortungsbewusstsein getragen ist.

Dieses globale Verantwortungsgefühl zeigt sich gerade bei der zivilgesellschaftlichen Beteiligung. Beginnend beispielsweise beim individuellen Verzicht auf klimabelastende Annehmlichkeiten, ist den Unternehmen alleine schon aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus an der Verbreitung rechtsstaatlicher Prinzipien gelegen. Und selbst bei der Fortentwicklung des Völkerrechts sind die Beamten des auswärtigen Dienstes nicht mehr unter sich. Mit der veränderten inter-nationalen Kooperation wird auch die Staatsangehörigkeit zur Ausgangsbasis für die weltgesellschaftliche Mehrebeneneinbindung jedes Einzelnen - als Gemeinde-, Landes-, Bundes-, Unions- und Weltbürger.

Seine persönliche Entfaltung in der Auseinandersetzung mit den Belangen und dem Facettenreichtum der ganzen Menschheit suchend, kann sich der selbstverwirklichte Mensch offensichtlich nicht passiv fordernd hinter einer Teilgruppierung verstecken. Die zugrunde liegende Haltung lässt sich durch den Unterschied zwischen Nationalgefühl und Verfassungspatriotismus dahingehend konkretisieren, dass auch „fremde“ Weltdeutungen nicht seelenlosen Kollektiven, sondern Mitmenschen zugeschrieben werden. Wenn eigene Beschwernisse entsprechend als wertvoller Beitrag für das globale Miteinander und nicht als Niederlage gewertet werden, erklärt sich daraus die vermeintlich widersprüchliche Verbindung aus aktivem Einsatz für die Weltgesellschaft und individuellem Genuss.

In der Gesamtschau erweist sich die Globalisierung als Prozess, der das Korsett aus „Selbstverständlichkeiten“ aufbricht und jeden Einzelnen mit einer überwältigenden Vielfalt konfrontiert. Selbige eigenverantwortlich zu durchdringen, sich dabei der Besonderheiten des Eigenen bewusst zu werden und diese im fruchtbaren Austausch lebendig zu halten, stellt den Kern der Individualisierung dar und qualifiziert diese als Gegenstück zur Globalisierung.

Bedauerlicherweise steht jeder noch so schönen Theorie die Praxis entgegen. Ein theoriekonformes positives Meinungsbild zu den beiden Prozessen lässt sich nur dann präsentieren, so die überdeutlichen Hinweise aus der breiten Bevölkerung, wenn sich die Stichprobenziehung auf die Villenviertel dieser Welt beschränkt. Damit werden jedoch nicht nur die gestalterischen Möglichkeiten, sondern auch die unzähligen tatsächlichen Aktivitäten derjenigen unterschätzt, die nicht zu den Spitzenverdienern gehören.

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