Vielleicht war sie in meinem Zimmer, nur um sicher zu gehen, dass ich ihr nicht in die Quere komme. Viel zu viele -vielleicht-, dachte er. Fakten schaffen ist besser. Er drehte sich um, ging den Flur entlang, bog in den Seitenflügel der Etage, ging bis ans Ende und verweilte etwa zehn Minuten am Fenster. Dann spazierte er langsam zurück, vernahm jedoch keinen Duft mehr im Flur. Die Klimaanlage hatte Silvias Parfum verpuffen lassen. Auch als er in sein Zimmer trat, vernahm er keinen Duft mehr. „Logisch“, dachte er. Sie logiert auf der Etage und ging nach unten, als das Taxi in die Tiefgarage kam. Entschlossen rief er das Park Royal Hotel an, machte eine Reservation für eine Suite in der oberen Etage und kündigte sein Eintreffen kurz vor Mittag an. Dann schrieb er auf einem zweiten Briefbogen die Nachricht: „Lieber Onkel, wegen besserem Klima bin ich ins Hotel Park Royal umgezogen. Treffpunkt Suite 2203 um 15.30 Uhr.“ Er steckte den Brief in einen neuen Umschlag und schrieb darauf: „Für meinen Onkel“, verstaute ihn in seinem Jackett und verließ das Zimmer. Bis zur ersten Etage fuhr er mit dem Aufzug, den restlichen Weg stieg er die Treppen hinunter, welche vor dem Frühstücksraum endeten. Von hier aus konnte er den Konferenzraum sehen und ging sofort dorthin. Der Duft war da, aber der Raum war leer.
„Goldrichtig getippt“, flüsterte er und begann den Raum gründlich zu untersuchen. Nach zehn Minuten musste er zugeben, dass sie etwas hier hinterlassen hatte, aber war noch nicht dahinter gekommen. „Denk logisch Junge“, sprach er zu sich. „Es ist zu früh den Raum nur zu untersuchen. Sie hätte es viel später tun müssen, aber nicht so früh den Raum präparieren. So, wo ist das Ding?“
Der Konferenztisch aus wunderschönem Edelholz gearbeitet war ziemlich lang. Darauf standen drei Aschenbecher aus Glas verteilt, nichts weiter. Keine Tischdecke, keine Schreibhefte darauf. Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb bei dem Telefon hängen. Der Apparat stand auf einer Anrichte, in der möglicherweise Gläser und Geschirr untergebracht waren. Er erblickte einen weiteren Aschenbecher neben dem Telefon.
„Hoppla, das ist ein Aschenbecher der nicht zum Hotel Bristol gehört“. In der Tat lag dort ein ziemlich großer viereckiger Gegenstand, der aus Kunststoff hergestellt war. An allen vier Seitenflächen stand in königsblau „Hilton“ geschrieben.
„Mal sehen was das Ding zu erzählen hat“, dachte Don und nahm den Aschenbecher vorsichtig in die Hand. Er war schwer, sogar viel schwerer als die Glasaschenbecher, die auf dem Tisch standen, obwohl der Kunststoff viel leichter hätte sein müssen. Er betrachtete ihn von allen Seiten und wog ihn in der Hand, aber er konnte keine Knöpfe oder Verschlüsse entdecken. Dann nahm er den Aschenbecher so, dass die Finger einer Hand in das Innere griffen, die der anderen Hand die quadratische Außenfläche hielten. Er versuchte ihn mit einer Drehung im Uhrzeigersinn zu verdrehen. Es tat sich nichts. Ein zweiter Versuch in die Gegenrichtung brachte ein leises „Klick“ und er hatte zwei Hälften in den Händen. Die obere Hälfte war hohl und auf der unteren Hälfte war ein Tonbandgerät angeklebt. Das Gerät lag in einem durchsichtigen Plexiglasgehäuse, so dass der Innenraum mit einer Spule, zwei Batterien, einem kleinen Antriebsmotor und ein paar bunten Drähten, sowie elektronischen Komponenten vollgestopft war. So ein kleines Tonbandgerät hatte Don noch nie gesehen. An einer Ecke war ein winzig kleiner Schalter angebracht und daneben eine silberne Metallschrift.
„Das haben wir gleich“, dachte der Kapitän und drückte den kleinen Stift hinein. Dann schob er den kleinen Schalter in entgegengesetzter Richtung und das Band fing an zu laufen. Er warte eine Weile bis das Band auf die andere Rolle aufgespult war und ließ es dann in Gegenrichtung laufen. Diesmal lief das Band wesentlich langsamer und es produzierte Knackgeräusche. Deutlich vernahm er die Stimmen von mehreren Personen, die gleichzeitig in einer ihm fremder Sprache redeten.
„Donnerwetter, diese Leute haben es eilig gehabt den Hilton Aschenbecher ins Bristol zu bringen und sich noch nicht einmal die Zeit genommen, das Band zu wechseln“, grübelte er, während das Band lief und die Stimmen lauter wurden. Ihm kam die Sprache irgendwie bekannt vor, weil einige Wörter ein wenig wie Deutsch oder ähnlich klangen. Da er oft mit Juden zu tun hatte, nahm er an, dass es Hebräisch sein könnte. Es war ihm auch egal, denn das, was auf dem Band aufgenommen war, betraf eine andere Angelegenheit, die ihn nichts anging. Er schaltete das Gerät ab und montierte den Aschenbecher wieder zusammen. Dann suchte er in der Schublade der Anrichte nach einer Serviette oder einem Tuch, womit er ihn einwickeln konnte. Die Schubladen waren leer. So steckte er den Aschenbecher einfach unter sein Jackett und hielt ihn mit dem Oberarm fest. Den Briefumschlag, den er mitgebracht hatte, legte er genau dorthin, wo der Hilton Aschenbecher gestanden hatte und beschwerte ihn mit einem der Glasaschenbecher.
„Langsam werden diese Leute merken, dass sie es nicht mit einem Trottel zu tun haben“, flüsterte der Kapitän und verließ den Konferenzraum. Er benutzte die Treppe zur ersten Etage und fuhr dann mit dem Aufzug weiter in den elften Stock. Sobald er in seinem Zimmer war, packte er schnell alle Kleidungsstücke und Utensilien in seinen Koffer, warf noch einen schnellen, letzten Blick ins Bad und ins Zimmer, schloss die Tür hinter sich und fuhr mit dem Aufzug bis in die Tiefgarage. Dort stellte er den Koffer beim Wächter ab, bat ihn ein Taxi zu rufen, ging zur Rezeption und beglich seine Rechnung. In der Lobby wimmelte es von Gästen, die gerade mit einem Reisebus angekommen waren. Ob der Schatten irgendwo auf ihn wartete, konnte er so nicht feststellen. Es war ihm jetzt egal, schließlich wusste jede beteiligte Partei woran sie war, also brauchte man keine weitere Zeit zu verschwenden.
Die Suite im Park Royal Hotel war sehr geräumig und schön eingerichtet. Vom Eckbalkon konnte er die Stadt und den Brisbane River in der Mittagssonne genießen. Das Zimmermädchen war damit beschäftigt seine Anzüge und Hemden in den Schränken unterzubringen. Don José saß während dessen auf dem Balkon und rauchte eine Pfeife. Das Zimmermädchen war eine junge Frau Anfang zwanzig und sehr hübsch. Während sie sich bemühte ihm zu erklären, wie die Dinge im Badezimmer funktionierten, der Fernseher bedient wurde usw., bemerkte er einen leichten europäischen Akzent an ihr, den er nicht genau zuordnen konnte.
„Wo kommen sie her, Fräulein?“ fragte er. Sie blickte hoch, als sie gerade den Whirlpoolhebel bediente.
„Meine Eltern sind vor ein paar Jahren aus Spanien eingewandert.“
„Dann können wir uns in spanisch unterhalten“, antwortete Don und lächelte sie an.
„Das ist aber erfreulich einen Landsmann kennen zu lernen. Mein Name ist Alida und Ihren Namen habe ich schon auf der VIP Liste gelesen. Kommen Sie auch aus Spanien?“ fragte sie, als sie aus dem Badezimmer kam. Don ging in das geräumige Schlafzimmer voran, auf dem Weg ins Wohnzimmer sprach er etwas lauter:
„Eigentlich nicht direkt, vielleicht vier Generationen zurück. Zur Zeit der großen Hexenjagden sind meine Vorfahren nach Nordeuropa geflüchtet, nehme ich an.“
„Die Hexenjagden sind noch immer im Gange, edler Herr, deshalb sind meine Eltern vor Frankos Killerkommando geflüchtet.“
Er dachte darüber nach, was er soeben gehört hatte und schwieg.
„Sie werden es nicht glauben, aber sie haben meine Eltern auch hier im fernen Australien ausfindig gemacht und umgebracht.“
„Wer hat Ihre Leute umgebracht, junge Frau? Die Frankoleute oder die andere Seite? Das möchte ich genau wissen.“
„Die fünfte Kolonne der Frankistas, die Priester des Opus Dei, sie haben wochenlang unser Haus in Melbourne beschattet.“
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