»Effendi, Sie lästern die Geisterwelt!«
»Fällt mir gar nicht ein! Ich bin nur wißbegierig und hoffe, von dem Gespenst gute Auskunft über die Geisterwelt zu erhalten, glaube aber leider nicht, daß es derselben angehört.«
»Es gehört ihr an, denn es kommt und verschwindet ganz nach Belieben.«
»Treibt es etwa Allotria? Oder verhält es sich wie eine ruhige Person in gesetztem Alter?«
»Sie spotten immer, werden aber anders denken lernen. Das Gespenst geht durch alle Thüren.«
»Sind sie verschlossen?«
»Nein.«
»Nun, das kann ich auch, ohne ein Gespenst zu sein.«
»Es klirrt wie mit Ketten; es heult, saust und braust wie ein Sturm; es bellt wie ein Hund, wie ein Schakal; es schreit wie ein Esel, wie ein Kamel.«
»Das alles kann ich auch nachmachen.«
»Auch das plötzliche Verschwinden?«
»Ganz gewiß, nachdem ich beobachtet habe, wie das Gespenst selbst es anstellt, um nicht mehr gesehen zu werden. Also Sie haben es gesehen und gehört?«
»Ja.«
»Wer noch?«
»Alle, alle; meine Schwester, ihre Dienerinnen, der Haushofmeister, meine beiden Neger. Es ist in ihre Stube gekommen und hat an ihrem Bett gestanden, auch an dem meinigen.«
»Auch an demjenigen Ihrer Schwester?«
»Nein, denn diese hat durch ihre Dienerinnen die Thüren des Harems verbarrikadieren lassen.«
»So haben wir es also mit einem Gespenst zu thun, welches nicht durch verrammelte, sondern nur durch offene Thüren gehen kann. Das bringe ich auch fertig.«
»O bitte, unsere Thüren sind zwar nicht verschlossen, aber doch verriegelt. Es giebt in diesem Hause keine Schlösser, sondern nur Riegel.«
»Hm! Hat das Gespenst eine gewisse Stunde, in welcher es erscheint?«
»Allerdings. Sie wissen vielleicht, daß die Geisterstunde um Mitternacht beginnt.«
»Kommt es täglich?«
»Ja, und es bleibt eine volle Stunde hier.«
»Das will ich ihm nicht verdenken, denn wenn den Gespenstern eine volle Stunde gegeben ist, so läßt es sich denken, daß ein richtiges Gespenst sein Recht ausnutzt. Hat jemand mit ihm gesprochen und was hat das Gespenst geantwortet?«
»Nichts.«
»Dieses Gespenst ist also kein gesprächiges, sondern ein stillvergnügtes Wesen. Das erwirbt ihm meine Achtung, da ich Schwatzhaftigkeit nicht liebe. Seit wann hat es sich denn an dieses Haus gewöhnt?«
»Seit langer Zeit, Es ist schon vor uns jedem Bewohner dieses Gebäudes erschienen.«
»Auch dem Besitzer desselben?«
»Nein, denn das Gespenst ist eben der Geist des letzten Besitzers.«
»Ah! Hat es das durch irgend eine gültige Legitimation bewiesen?«
»Bitte, Effendi, lassen Sie den Scherz! Es ist genau so, wie ich sage. Seit dem Tode des Besitzers, welcher im Heere des Vizekönigs Major gewesen ist, hat es keinen Bewohner dieses Hauses gegeben, welcher länger als eine Woche hier geblieben ist. Das Gespenst hat sie alle vertrieben.«
»Und wie lange wohnen Sie schon hier?«
»Eine Woche. Und ich will Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich in einigen Tagen ausziehen würde, wenn ich Sie nicht gefunden hätte, denn ich denke, daß Sie das Gespenst vertreiben werden!«
»Das ist ein sehr offenherziges Geständnis, und ich bin Ihnen sehr dankbar für dasselbe. Meine Dankbarkeit werde ich Ihnen dadurch beweisen, daß ich Ihren Erwartungen entspreche. Ich hoffe, ein so eindringliches Wort mit diesem Geiste sprechen zu können, daß er nicht wiederkommen wird.«
»Allah, Wallah, Tallah!« rief er erschrocken aus. »Nehmen Sie sich das nicht vor! Er wird fortbleiben, ohne daß Sie mit ihm sprechen.«
»Meinen Sie?«
»Ja. Ihre einfache Anwesenheit wird ihn bestimmen, nicht wiederzukommen.«
»Sie meinen, daß er sich so sehr vor mir fürchte?«
»Das nicht, aber – – Effendi, werden Sie es mir übelnehmen, wenn ich aufrichtig spreche?«
»Nein. Reden Sie getrost.«
»Sie haben dort aus den Büchern ersehen, daß der Major in der letzten Zeit seines Lebens ein sehr frommer Mann gewesen ist, und daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß auch sein Geist fromm ist. Ein rechtgläubiges Gespenst aber, das Allah und den Propheten fürchtet, wird sicher ein Haus meiden, in welchem ein Christ, ein Ungläubiger, wohnt.«
»Ah,« lachte ich, »was Sie für ein Schlaukopf sind! Also darum haben Sie mir die Freiwohnung angeboten?«
»Nicht darum allein, sondern auch weil ich viel von Ihnen gehört habe und darum wünsche, daß Sie mich begleiten. Denken Sie sich in meine Lage! Dieses Haus ist die einzig passende Wohnung für mich und für meine Schwester; muß ich es wegen des Gespenstes verlassen, so finde ich keine zweite, welche unseren Ansprüchen in dieser Weise entspricht. Darum sind Sie mir so willkommen, denn ich weiß, daß der tote Major sein Haus nicht betreten wird, so lange Sie sich in demselben befinden. Meine Schwester fürchtet sich fast bis auf den Tod; sie will fort. Meine Diener haben mir gesagt, daß sie mich verlassen werden, wenn ich hier bleibe. Sie alle werden sich beruhigt fühlen, wenn ich ihnen sage, daß Sie unser Hausgenosse geworden sind.«
»So machen Sie ihnen diese Mitteilung schleunigst! Es freut mich herzlich, zu erfahren, daß die muhammedanischen Gespenster solche Angst vor uns Christen haben, und wenn der tote Major ein kluges Gespenst ist, so unterläßt er gleich von heute an seine Besuche. Wie viel zahlen Sie denn für dieses verrufene Haus?«
»Wöchentlich fünfzig Piaster. Denken Sie, wie billig!«
»Doch wegen des Gespenstes!«
»Ja. Ganz Kairo weiß, daß es hier umgeht, und niemand zieht herein. Es kann nur noch an Fremde vermietet werden, und auch diese bleiben nur einige Tage, höchstens eine Woche da.«
»Und wer ist der jetzige Besitzer?«
»Die Witwe des Verstorbenen; aber auch sie hat es nicht aushalten können und ist zu ihrem Bruder gezogen, welcher Teppichhändler in der Muski ist.«
»Hm! Ich halte es sehr unrecht von dem Geiste, so schlecht an seinem Weibe zu handeln. Wenn er ihr das Haus hinterlassen, sie also zu seiner Erbin eingesetzt hat, so ist es ihm gar nicht zu verzeihen, daß er sie nun in dieser Weise aus dem Erbe treibt.«
»O, er hat es ihr ja nicht vermacht, sondern der Kadirine, der frommen Bruderschaft des Seyd Abd el Kader el Djelani. Die Witwe hat das Recht, es bis zu ihrem Tode zu bewohnen; dann fällt es der Bruderschaft anheim.«
»Ah so! Diese fromme Kadirine darf das Haus bis zum Tode der Witwe nicht benutzen, und da geht der tote Major als Gespenst um! Gehen Sie zu Ihrer Schwester, und sagen Sie derselben, daß der Geist sie höchstens noch einmal belästigen wird!«
»Sie sind also meiner Meinung geworden? Sie geben mir recht? Das freut mich außerordentlich. Ja, ich werde jetzt gleich zu ihr gehen, um ihr diese frohe Botschaft zu verkündigen. Aber nicht das allein wird sie entzücken. Ich habe ihr damals von Ihnen erzählt, und wenn ich ihr sage, daß ich Sie wiedergesehen habe, daß Sie sich hier befinden, und daß Sie vielleicht mit uns nach Chartum gehen werden, so wird ihre Besorgnis wegen der gefährlichen Reise sofort verschwinden. Überhaupt habe ich ihr auf alle Fälle Ihre Anwesenheit zu melden, weil Sie bei uns essen werden.«
Er stand auf und ging. So war ich denn gleich in den ersten Stunden meiner Anwesenheit in Kairo mitten ins schönste Abenteuer geplatzt. Hoffnung auf freie Reise nach Chartum, und außerdem die beste Aussicht, den Geist eines ägyptischen Majors beim Schopfe nehmen zu können. Herz, was willst du mehr!
Was das Gespenst betrifft, so war mir, als ich die näheren Umstände vernahm, ein ähnlicher Gespensterfall in den Sinn gekommen, ein Fall, welcher sich in einem Dorfe nahe meiner Heimat und zuletzt gar vor dem Strafrichter abgespielt hatte. Ein reicher Bauer war gestorben und hatte im Testamente bestimmt, daß eine alte Verwandte das kleine Hinterhaus bis zu ihrem Tode zur Verfügung haben solle. Bald nach dem Begräbnisse begann der Verstorbene zu spuken, und zwar sonderbarer Weise im Hinterhause. Die alte Frau glaubte aber nicht an Gespenster, sie war klüger als die Majorswitwe in Kairo und ließ heimlich einige handfeste Männer kommen, welche sich versteckten und den Geist erwarteten. Er wurde ergriffen und des Betttuches, welches er umhängen hatte, entledigt; es war der Erbe, der Sohn des Verstorbenen, welcher der alten Frau das Hinterhaus nicht gegönnt hatte.
Читать дальше