Ursachen von Prüfungsangst
Ihre persönliche Einstellung zur Prüfung hat einen wesentlichen Einfluss bei der Entstehung von Prüfungsangst. Ihr Körper reagiert nämlich genau nach dem Muster, wie Sie selbst Ihre eigene Kompetenz (Kenntnis von der zu prüfenden Materie) einschätzen. Auch die Bedeutung der Prüfung spielt eine Rolle – Ist es „nur“ eine Zwischenprüfung?“ Dazu kommt dann noch die Prüfungssituation: Sind Sie unter strenger Kontrolle mit Studenten-/Schülerausweisprüfung, unter Beobachtung? Auch wie Sie den Prüfer einschätzen hat Einfluss auf Ihre Körperreaktion. Auf jeden Fall hat man erlernt, mit solcher Angst umzugehen. So unterschiedlich wie die Menschen sind, so verschieden gehen Sie auch mit solchen Ängsten um. Es gibt Mitstudenten, die wesentlich weniger als Sie selbst gelernt haben und weniger kompetent sind als Sie, aber viel lockerer in die Prüfung gehen – und manchmal damit sogar erfolgreicher sind. Auch werden Sie die Erfahrung machen, dass Prüfungsangst nicht unbedingt durch die Prüfung selbst ausgelöst wird. Sie werden in manche Prüfungen lockerer hineingehen und andere wiederum als stark beängstigend empfinden. Sie meinen nämlich, bestimmte Fächer wie Mathematik liegen Ihnen nicht. Sie haben eine innere Aversion. Und schon kommt Angst auf, weil Sie vielleicht gerade in Mathe auf der Kippe stehen. Deutsch wiederum liegt Ihnen sehr. Jedes Thema packen Sie. Oder Sprachen: Sie ist Ihnen ins Blut übergegangen, so als ob Sie zweisprachig aufgewachsen wären.
Man kann den Zusammenhang zwischen eigener Kompetenz, der Prüfungsbedeutung und -situation sowie dem Prüfer an einer Grafik, dem ABC der Gefühle, verdeutlichen:
A steht für die Situation, B für Ihre Bewertung und C sind die aus Ihrer Bewertung resultierenden Gefühle und körperlichen Reaktionen.
A: Ich gehe in die Prüfung.
B: (negative Bewertung) Ich werde durchfallen, stottern und einen Blackout haben. (neutrale Bewertung) Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Ich habe gelernt und mich vorbereitet. (positive Bewertung) Ich habe mich gut vorbereitet. Das sind meine letzten Prüfungen. Die werde ich sicher auch noch schaffen.
C: (negative Gefühle) Angst, Depression, Anspannung. (neutrale Gefühle) Ruhe oder leichte Anspannung. (positive Gefühle) Leichte Vorfreude auf danach, Ruhe und Gelassenheit.
Mit der Bewertung der Situation entscheiden Sie sich nämlich auch gleich schon für Ihre Gefühle und körperlichen Reaktionen mit. Ihre Gefühle sind eine automatische Konsequenz Ihrer gedanklichen Einschätzung. Bei Prüfungsangst sehen Sie die Prüfung selbst als bedrohlich für Ihre Selbstachtung und Ihre berufliche Karriere. Sie schätzen Ihre Fähigkeiten, diese Gefahr zu verhindern, als gering ein. Nur Sie selbst haben den Schlüssel in der Hand, Ihre Prüfungsangst zu beeinflussen. Es kommt auf Ihre Einstellung dazu an.
Ist Prüfungsangst eine Krankheit?
Prüfungsangst kann erhebliche Beeinträchtigungen des Betroffenen zur Folge haben und Probleme auch in seinem sozialen Umfeld auslösen. Wenn das passiert, dann betrachtet man sie als Krankheit und klassifiziert sie nach dem internationalen ICD-Schlüssel ICD-10 als phobische Störung F40 oder als sonstige Störung F41 (nach der Version der Weltgesundheitsorganisation WHO). Besonders im Kindheitsalter behindert sie dann auch die normale Entwicklung. In Amerika erkennt man Prüfungsangst über den „Americans with Disabilities Act“ sogar als Behinderung an. Deshalb bietet man in solchen Fällen auch besondere Prüfungsabläufe an. Dazu muss ein entsprechender Antrag mindestens 30 Tage vor Prüfungsbeginn eingereicht werden. Besondere Merkmale sind aber in jedem Fall erforderlich. Prüfungsangst an und für sich wird in den USA nicht von vornherein als eine Behinderung nach diesem Gesetz gewertet.
Symptome der Prüfungsangst
Viele Menschen können die Prüfungsangst kaum einordnen. Denn sie hat erstaunlich viele Gesichter. Wann und wie macht sie sich bemerkbar? In vier Bereichen können wir sie fassen:
1 In der seelischen Befindlichkeit: Dann fühlen Sie sich unsicher, ängstlich, ja sogar reizbar. Sie leiden plötzlich unter Stimmungsschwankungen und haben Unlustgefühle.
2 In Ihrer geistigen Leistungsfähigkeit: Plötzlich haben Sie Denkblockaden, Selbstzweifel und fangen an zu grübeln. Ihre Konzentration lässt nach. Sie haben Aufmerksamkeitsstörungen und Ihre Merkfähigkeit lässt nach.
3 Im körperlichen Bereich: Innere Unruhe befällt Sie. Sie leiden unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verstopfung oder Durchfall. Müdigkeit befällt Sie, Schwindelgefühle, Herzstechen, ein Kloßgefühl im Hals. Heißhungerattacken wie auch Appetitlosigkeit können weitere körperliche Merkmale sein.
4 Im Verhalten: Sie flüchten sich in unwichtige Routinearbeiten wie Aufräumen oder putzen, nehmen Beruhigungstabletten oder trinken Alkohol. Sie essen mehr, als Sie wirklich brauchen.
Warum reagieren wir verstärkt auf Prüfungsangst?
Prüfungsangst wird nicht vererbt, sondern wir erlernen sie durch Erfahrungen oder Vorbilder. Meistens prägen wir uns Prüfungsangst in der Kindheit ein. Wir können dabei fünf Faktoren ausmachen:
1 Der elterliche Erziehungsstil: Ängstliche Kinder hatten meistens Eltern, die weniger mit ihrem Nachwuchs gesprochen haben und sich auch weniger um ihre emotionalen Bedürfnisse gekümmert haben. Das ist das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen. Solche Eltern sehen zudem ihre Hauptaufgabe darin, Regeln und Verbote beizubringen. Dabei überfordern sie häufig ihre Kinder. Sie unterstützen sie auch wenig verbal und praktisch. Erfüllen die Kinder die Leistungsansprüche der Eltern nicht, dann bestrafen sie sie häufiger. Das führt dazu, dass die Kinder später selbst die Rolle ihrer Eltern übernehmen und sich selbst ablehnen, wenn sie einen Misserfolg haben. So entwickeln sie sich zu einer Person, die jede Leistungssituation als eine persönliche Bedrohung empfinden.
2 Die Persönlichkeit der Eltern: Viele Verhaltensweisen erlernen wir von unseren Eltern und schauen uns das am Modell der Eltern ab. Wenn die Eltern zum Beispiel sehr leistungsorientiert sind, verhalten wir uns auch dementsprechend. Die Eltern sind ja unser großes Vorbild. Genauso ist es, wenn die Eltern ängstlich sind – etwa in der Angst vor einem Hund. Dann übernehmen wir das ungeprüft ohne die Chance einer eigenen persönlichen Erfahrung.
3 Gesellschaftliche Normen: Wir alle kennen den Spruch: „Nur wer gut ist, gilt etwas und hat etwas zu sagen!“ Leistung und Bedeutung von Erfolgen werden in unserer Leistungs-Gesellschaft sehr stark betont. Der Einzelne lernt, sein Selbstwertgefühl in Abhängigkeit von seiner Leistung zu definieren. Das Problem dabei ist: Je mehr man diese Einstellung selbst verinnerlicht, umso stärker leidet man auch unter der eigenen Angst bei der Prüfung durchzufallen.
4 Frühere Erfahrung mit Prüfungen: Die Angst vor Prüfungen wird verstärkt durch ungerechte Prüfer oder negative Erfahrungen auf Misserfolge und so weiter.
5 Soziale Faktoren: Studenten, die sich ihr Studium selbst finanzieren müssen und weder durch Bafög oder Eltern unterstützt werden, stehen eher unter Druck. Sie müssen ihr Studium möglichst schnell abschließen und oft auch noch nebenbei arbeiten. Außerdem verspüren sie den Druck, gute Noten zu produzieren, um nach dem Studium schnell überhaupt eine Stelle zu bekommen oder gar eine attraktive. Für sie hat das Bestehen der Prüfung somit eine besondere Bedeutung.
Worauf fusst Prüfungsangst genau?
Die Prüfungsangst kann sich auf vier ganz unterschiedliche Bereiche beziehen:
1 Die Angst vor der Prüfungsvorbereitung
2 Die Angst vor der Prüfungssituation selbst.
Читать дальше