Franz Staab
The Art of Marathon
Ein Hamburg-Lustmacherbuch für Läufer, Pauli-Fans, Quentin-Tarantino-Freaks und Crossgolfphantasten
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Franz Staab The Art of Marathon Ein Hamburg-Lustmacherbuch für Läufer, Pauli-Fans, Quentin-Tarantino-Freaks und Crossgolfphantasten Dieses ebook wurde erstellt bei
Run for Boston
Hamburg? An was denkst Du dabei?
Das Geckische Gnippschen
Auf großer Fahrt
Gestatten, Silbersack
Quentin Tarantino goes Hamburg
Moin Moin
P wie Pamir, Polar und Pudel
The Art of Hamburg
Start und Ziel in St. Pauli!
Nachwort
BONUS TRACK: Raining Lola
Es ist Zeit, Danke zu sagen.
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Impressum neobooks
Den Opfern des feigen Anschlags auf den Boston-Marathon 2013 gewidmet.
Donnerstag, 18. April 2013
Am Vortag unserer Abreise nach Hamburg bestimmt der Boston-Marathon die Nachrichten, bei dem vergangenes Wochenende drei Menschen ums Leben gekommen sind. Ein irrer Bombenleger hat dort zwei Sprengsätze, die aus einem Schnellkochtopf gebastelt wurden, hochgehen lassen. Man weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel. Das amerikanische FBI hat laut Medienberichten bereits zigtausende von Fotos ausgewertet, es gibt erste Hinweise auf die mögliche Identität des Täters. Aber noch ist alles Spekulation. Nicht nur die deutsche BILD-Zeitung transportiert Bilder des Grauens.
Sicher ist, wie gesagt, dass es drei Tote gab und zahlreiche Verletzte. Man liest von ca. hundert teils schwerst Verletzten. Ich habe im Internet ein Bild eines Mannes gesehen, dessen Beine unterhalb der Knie vollständig weggefetzt wurden. Das sah so grauenerregend und furchtbar aus, dass es mir das Herz abschnürte beim bloßen Anblick. Was für eine Schandtat eines Verrückten, was für ein Schicksalsschlag, für jene, die es so schlimm erwischt bei so einer Kacke. Was muss im Kopf eines Menschen vorgehen, der selbst Läufer ist und dann, von einer Sekunde auf die andere, erkennen muss, dass er nie mehr wird laufen können? Ich versuche mir die Schockstarre der Erkenntnis vorzustellen. Man sieht eben an sich herunter, alles ist noch da wie immer, es tut einen Schlag, man wird zu Boden gerissen, sieht wieder an sich herunter, und die Beine sind beide einfach weg. So weg, wie sie nur weg sein können, unwiederbringlich. Man sieht etwas, was man nie geglaubt hat zu sehen: Seine eigenen Knochen, sein Knochenmark, vielleicht Reste des eigenen, echten Kniegelenks und Sehnen und das blanke Fleisch. Dazu Blut, Geschrei (das eigene klingelnd in den Ohren?), das Geschrei der anderen, Tumult, Chaos, Schmerz, der kommt, so rasend, dass er einem die Besinnung raubt.
Ein achtjähriger Junge wurde getötet. Dessen Schwester, vielleicht fünf Jahr alt, hat ein Bein verloren. Die Mutter im Gesicht schwer verletzt. Die Familie wollte den Vater beim Zieleinlauf anfeuern.
In Boston war im Ziel plötzlich alles anders, als man das von solchen Veranstaltungen gewohnt ist.
Natürlich sind nun alle noch kommenden, großen Frühjahrs-Marathonläufe im Fokus der Medien. Man hat Angst. Man sorgt sich oder ist mindestens bedrückt. Freilich ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Marathon durch einen Anschlag getötet oder schlimm verletzt zu werden, immer noch geringer, als durch einen simplen Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, rein statistisch gesehen, aber angesichts der Einzelschicksale, mit denen wir Menschen heutzutage innerhalb weniger Stunden konfrontiert werden, durch gestochen scharfe Bilder und Berichte fast in Echtzeit, macht uns das Geschehene so betroffen, dass es auch uns trifft, vom TV Goldbach. Eine halbe Erdenkugel weit entfernt.
Wir fahren morgen nach Hamburg. Um 05:00 Uhr früh ist für die Ersteinsteiger Treffpunkt an der Kirche in Waldaschaff. Es mag Zufall sein oder nicht, wir haben uns schon öfter an der Kirche getroffen zum Einstieg in den Bus, und ich bin tatsächlich kein bigotter Mensch, aber heuer werde ich, bevor ich einen Fuß in den Bus setze, einen Blick zur Kirche werfen und an die Opfer von Boston denken, an den Mann, der nun keine Beine mehr hat, an das Mädchen, das nur noch eines hat und an den Jungen, der nicht mehr lebt und seinen Vater nie wieder wird anfeuern können, wenn dieser bei einem Marathon ins Ziel läuft. Unsere Silke hat bereits am Dienstag eine Kerze angezündet. Danke Silke.
Wir hoffen natürlich alle, dass Hamburg ohne einen solchen Zwischenfall ablaufen wird. Denn es ist doch klar, dass wir alle nicht nach Hamburg fahren, um zu trauern. Und es ist auch klar, dass jeder von uns dieses Thema vielleicht gar nicht so an sich heranlassen wird an diesem Wochenende. Ich persönlich finde das auch nicht verwerflich und deswegen bekräftige ich auch, dass wir in Hamburg dieses Wochenende bestimmt ein sensationelles Wochenende haben werden. Die Sonne mag scheinen oder nicht, sie wird uns allen auf jeden Fall aus dem Hintern grinsen. Wir sind auch nur Menschen und wir haben nur dieses eine gemeinsame Wochenende für den einen gemeinsamen Marathon.
Aber es ist bei alldem sicher legitim, wenn jeder von uns auch einen klitzekleinen Gedanken, einen Faden nur, nach Boston schickt. Viele kleine Fäden machen ein dickes Tau.
Ich hoffe so sehr, dass ich mich nicht täusche, in meinem festen Glauben daran, dass das kommende Wochenende in Hamburg nicht das geschehen wird, was in Boston so viele in unsagbare Trauer gestürzt hat.
Hamburg? An was denkst Du dabei?
Elbphilharmonie oder Puff? Oder vielleicht an was ganz Anderes? Etwa an einen Marathon?
Moin!
Hamburg ist auch eine dieser Städte, in die der untermainische Mittelgebirgstiroler aus dem nördlichsten Nordwesten Bayerns nicht unbedingt und selbstverständlich hinkommt, einmal in seinem Leben. Nun fährt der TV Goldbach jedoch tatsächlich dorthin, um ein weiteres Mal gemeinsam einen der großen Marathonläufe auf diesem Planeten zu rocken, Entschuldigung, zu „torf“rocken, wir sind ja in Hamburg dann...
Ich selbst war noch nicht so richtig in Hamburg. Einmal das „Phantom der Oper“ besucht, mit Stewa-Reisen in einem Bistrobus vor gefühlten hundert Jahren. Das war ein Abenteuer! Etwa acht Stunden Anfahrt (das ging noch), guter Dinge und unterwegs wasserlöslichen Cappuccino trinkend an einem der Stewabusbistrotische. Tina und ich saßen damals alleine unten im Bistrobereich, während alle anderen Mitfahrer eine Etage höher, und im Schnitt dreißig Jahre älter, dösten. Die Erinnerung klebt irgendwo zwischen der Celler und der Lüneburger Heide.., ich weiß es nicht mehr so genau. Ja, und letztes Jahr sind wir zumindest durchgefahren, auf dem Weg zum Ostseeman nach Flensburg. Erinnerung daran? Die Zubringerautobahn proppenvoll. Voller als die A3 bei Würzburg/Kist zu Stoßzeiten.
Wir haben damals, bei der Phantom-der-Oper-Reise, auch und immerhin noch Zeit gehabt, das Millerntor anzufassen und einen Bummel durch die Speicherstadt zu machen. Besonders letzteres ist mir in beeindruckender Erinnerung geblieben. Denn die Speicherstadt ist eine ganz eigene Welt, gebaut aus Ziegelstein, alten Treppenhäusern, deren Wände Geschichten erzählen. Keine in altes Geländerholz geschnitzte, sondern solche, die man von bröckelnden Betonwänden klauben kann, eingeritzt und aufgemalt. So voller Leben zwischen den Fugen, dass man den inneren Drang bekommt, man müsste sogar seine Nase in jede Ritze stecken und riechen, wie das damals war, als hier noch der Überseehandel tobte. Da muss doch noch was kleben irgendwo, von der alten Luft von damals..! Und alte Eisengeländer, industriegrau gestrichen mit Rostflecken, deren griffige Enden zu Fluren führen, in denen wiederum abgewetzte Türen zu Räumen weisen, in denen es nur so wimmelt von Seemannsgarn, Handelswut, Kaffeeduft und alten Holzböden. Reanimiert zu neuer und frischer Modernität erlebt man in der Speicherstadt heute ein zusammengeflicktes Sammelsurium in frankensteinischer Vielfalt, das einen fortwährend spannend, toll und total interessant umgibt und für sich einnimmt. Teppichhändler, Künstler, Cafès, die weltgrößte Modelleisenbahn und viel Geschichte. Wer es heimelig und historisch zugleich mag, sollte da mal hingehen. Wer selbst irgendwie künstlerisch veranlagt ist, kann sich da sogar einmieten. Normalbürger ohne kreative Veranlagung kommen da jedoch nicht rein. Man muss nachweisen, dass man kreativ tätig ist, sonst bekommt man keinen der Räume in Hamburgs Speicherstadt als Mietobjekt.
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