Sandra Mularczyk - Toms König-REICH

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Willkommen in Toms König-REICH.
Es ist die Welt eines Jungen,
der nicht existiert.
Gut, er hat zwar einen Namen und einen Körper, der durch die Gegend läuft,
aber das war's auch schon.
Der Rest ist Humbug.
Niemand kann Tom «sehen».
Niemand kann Tom «verstehen».
So, als gäbe es ihn nicht.
So, als wäre er unsichtbar.
So, als wäre er EIN NIEMAND.
Aber es gibt ihn doch, oder?
Zumindest gibt es da diesen
mysteriösen Schreiber,
der ganz fest an Toms Existenz glaubt…
Ein Meisterwerk des schwarzen Humors.
Wer skurrile Gedankengänge und
ver-rückte Innenwelten liebt,
wird sich in Toms König-REICH wie zu Hause fühlen.
Eine Erzählung der besonderen ART-
Berührend und verstörend zugleich.

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Toms König-Reich

oder: wie es ist ein Niemand zu sein

Sandra Mularczyk

Impressum

Texte: 2020 © Copyright by Sandra Mularczyk

Bilder: 2020 © Copyright by Sandra Mularczyk, Pixabay

Umschlag: © Copyright by Sandra Mularczyk

Verlag: Sandra Mularczyk Bochum

ichschenkemichderwelt@gmail.com

tiefsinnigesinnenleben.wordpress.com

Veröffentlichung: 2020 epubli - ein Service der neopubli

Die große Sinnlosigkeit oder: Ich will nicht mehr leben

"Ich will nicht mehr leben", sagt der kleine Tom. Seine Stimme klingt ernst, jedoch kein bisschen dramatisch. Nur sein Umfeld reißt erschrocken die Augen auf. Wieso ich von "Umfeld" rede und keine Namen nenne? Weil es für die Geschichte keine Rolle spielt. Es sind einfach Menschen um Tom herum. Keine bestimmten Menschen, einfach nur Menschen. Die Menschen. Die Menschen um Tom herum. "Wie kannst du so etwas nur sagen?", fragen die Menschen um Tom herum. "Das Leben ist doch so schön!", sagen die Menschen um Tom herum. "Ich weiß!", sagt Tom trocken. Ob Tränen über sein Gesicht laufen? Seine Stimme zittert? Sein Körper bebt? Nein. Nichts dergleichen. Tom hat Gefühlszustände dieser Art bereits aufgegeben. Sie führen zu nichts. Sie sind… (Wie sagt man so schön?) SINNLOS. Sinnlos bedeutet nicht unbedingt, dass etwas keinen Sinn hat. Rein philosophisch gesehen können Gefühlszustände jeglicher Art, an Sinnhaftigkeit kaum zu übertreffen sein. Aber wir reden hier ja nicht von Gefühlen allgemein, wir reden hier von Tom. In Toms Welt bedeutet Sinnlosigkeit so was wie: Bringt nichts. Und wenn etwas nichts bringt, kann man genauso gut damit aufhören.

Das große Aufhören oder: Das fehlende Todesdatum

Tom ist Spezialist im Aufhören. Er hat nicht nur mit dem Fühlen aufgehört, sondern auch mit dem Reden und mit dem Fragen… Es ist fast schon eine Lebensaufgabe geworden. Das Aufhören. Nur das Atmen lässt er noch nicht bleiben und das Denken… Das kann er am Wenigsten sein lassen. Manchmal scheint es so, als hätte er nichts mehr außer Gedanken. Sich selbst und seine eigene Gedankenwelt. Früher gab es noch Türen und Fenster in seine Gedankenwelt hinein, doch irgendwann hatte Tom auch das aufgegeben. Bringt nichts, hat er beschlossen. Die ersten Jahre tat das Aufhören noch weh, so als würde man Tom das Herz heraus reißen. Dann fühlte es sich an, als würde man ihm ein Messer mitten in den Bauch rammen. Und zu guter Letzt fühlte es sich an, als würde man ihn beim lebendigen Leibe begraben. Bis nichts mehr von ihm übrig bleibt. Kein Tom mehr. Na ja, der Name ist geblieben. Sein Umfeld nennt ihn weiterhin Tom. Und sein Körper ist auch nicht wirklich begraben worden, der läuft nämlich noch durch die Gegend.

Innerlich sterben oder: Warum bist du so unglücklich?

Manchmal fühlt es sich an, als würde sein Körper verbrennen, Hautschicht für Hautschicht, Organ für Organ, Zelle für Zelle, Gefühl für Gefühl. Ja, anfangs waren da noch viele Gefühle. Vor allem Traurigkeit. Nein, stimmt nicht ganz. Würde man Toms Biografie in drei Worten zusammenfassen, würden diese lauten: Freude. Traurigkeit.Tod Nur dass dieser Tod bisher innerlich und äußerlich besteht. Ein offizielles Todesdatum gibt es noch nicht. Deswegen denken ja auch alle noch, Tom würde leben. Und deswegen erschrecken sie sich bestimmt auch so arg über seine Worte. Eigentlich entsprechen sie auch nicht ganz der Wahrheit. Tom will nicht "nicht leben". Er ist halt nur gestorben. Unbemerkt. Still und heimlich. Aber so etwas kann "man" natürlich niemandem sagen. So ein Umfeld braucht da schon eine sinnvolle Reihenfolge. Erst will man nicht mehr leben, dann stirbt man. Umgekehrt ist für die Welt ein Ding der Unmöglichkeit. Für Tom nicht. Er stirbt und dann will er nicht mehr leben. Weil er eben gestorben ist und man sich tot schlecht lebt. Klingt logisch, oder? Willkommen erstmal. Willkommen in Toms Welt. "Warum bist du denn plötzlich so unglücklich?", fragt Toms Umfeld. Tom ist nicht unglücklich und Tom war nie unglücklich. Unglücklich wurde er erst, als das Sterben einsetzte und es sich damit immer schlechter leben ließ. Als er lebte, war er fast immer glücklich. Würde er noch immer leben oder wieder leben, quasi vom Tode auferstehen, wäre er wahrscheinlich wieder glücklich. Er ist ein freudiger Geselle, aber schon Mal eine lächelnde Leiche gesehen? Na ja, lächeln können sie manchmal noch, aber schon Mal eine tanzende und hüpfende und laut quiekende Leiche gesehen? Nun gut. Ich kenne keine lebendige Leiche, aber man weiß ja nie. Man sollte nicht denken, dass es etwas nicht gibt, nur weil man es nicht kennt. Ihr dürft mich also gerne eines Besseren belehren.

Die großen Irrtümer oder: Toms schwarzer Humor

Wo sind wir noch einmal stehen geblieben? Ach ja, bei dem angeblichen "unglücklich sein". Ein fataler Irrtum. Wenn ihr euch jetzt fragt, wieso Tom niemanden über den Irrtum aufklärt, er hat es aufgeben. Er hat vor geraumer Zeit damit aufgehört, Menschen über ihre Fehlannahmen aufzuklären. Früher versuchte er sich noch zu erklären, ja, er wagte es sogar zu widersprechen, aber schnell hat er erkannt: Bringt nichts. Und was nichts bringt, kann man genauso gut sein lassen. Also hat er damit aufgehört. Ganz einfach. Toms Welt ist eine ganz einfache Welt, auch wenn alle denken, seine Welt sei eine Komplizierte und vor allem eine depressive Welt. Aber das stimmt nicht. Seine Welt ist einfach und bunt und vor allem lebendig. Lediglich sein Tod ist dunkel, starr und nun ja… für sein Umfeld offenbar auch kompliziert. Dabei müsste man eigentlich meinen, so ein Tod ist das einfachste auf Erden. Ist halt ein Tod. Was soll denn im Tod noch kompliziert sein? Man muss ja nichts mehr machen. Nicht einmal mehr atmen oder leben muss man doch noch. Auch waschen muss man sich dann nicht, denn es ist ganz egal, wenn man dann dreckig wird. Leichen dürfen ruhig dreckig werden. Bleibt eh nicht aus. Sauberkeit und Hygiene in einem Grab unter der Erde, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht auszudenken, wenn Leichen noch duschen gehen müssten. Tom prustet laut los. Gedanken dieser Art bringen ihn oft zum Lachen. Blöd nur, dass sein Lachen einen erneuten Irrtum auslöst. Sein Umfeld denkt dann immer, er würde sie "verarschen", dabei lacht er doch nur. "Das ist nicht lustig!", heißt es dann. Also hört Tom auf zu lachen. Wenn etwas nicht lustig ist, darf man schließlich nicht lachen, oder? Ganz simpel. In der Welt, in der Tom sich befindet, existieren viele Regeln. Ganz einfache Regeln. Meistens haben sie damit zu tun, dass man aufhören soll. Also hört Tom auf. Jeden Tag ein kleines bisschen mehr.

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