Und dann haben sie verlangt, daß meine Mutter die Tassen bezahlt, und eine kostet zwei Mark,
weil es so gutes Porzellan war.
Ich bin furchtbar zornig geworden, wie ich gesehen habe, daß meine alte Mutter den kleinen,
alten Geldbeutel herausgetan hat, und ihre Hände waren ganz zittrig, wie sie das Geld aufgezählt
hat.
Die Frau Geheimrat hat es geschwind eingesteckt und hat gesagt, das Schrecklichste ist, daß die
arme Katze wahnsinnig geworden ist, aber sie wollen es nicht anzeigen aus Rücksicht auf meine
Mutter. Dann sind sie gegangen, und er hat noch gesagt: »Der Hümmel prüft Sü hart mit Ühre
Künde.«
Ich habe noch länger in den Garten hinuntergeschaut. Da ist meine Mutter am Tisch gesessen und
hat sich mit ihrem Sacktuch die Tränen abgewischt, aber es sind immer neue gekommen, und bei
Ännchen auch. Das Butterbrot ist auf dem Teller gewesen, und sie haben es nicht mehr essen
mögen. Ich bin ganz traurig geworden, und ich bin fort, daß sie mich nicht gesehen haben.
Ich habe gedacht, wie es gemein ist von dem Geheimrat, daß er das Geld genommen hat, und wie
ich ihm dafür etwas antun muß. Ich möchte die Katze kaputtmachen, daß es niemand merkt, und
ihr den Schweif abschneiden. Wenn sie dann ruft: »Wo ist denn nur unser Miezchen?«, schmeiße
ich den Schweif über den Zaun hinüber. Aber ich muß mich noch besinnen, wie ich es mache,
daß es niemand merkt. Da bin ich wieder lustig geworden, weil ich gedacht habe, was sie für ein
Gesicht machen wird, wenn sie bloß mehr den Schweif sieht. Dann bin ich heim zum Essen
gegangen. Anna ist schon an der Tür gestanden und hat gesagt, daß ich allein essen muß in
meinem Zimmer und daß ich morgen in die Schule gehen muß. Der Herr Lehrer Wagner hat es
angenommen und hat versprochen, daß er mit mir streng ist.
Ich habe schimpfen gewollt, weil es doch eine Schande ist, wenn ein Lateinschüler mit den
dummen Schulkindern zusammensitzt, aber ich habe gedacht, daß meine Mutter so geweint hat.
Und da habe ich mir alles gefallen lassen.
Ich bin am andern Tag in die Schule gegangen. Es war bloß ein Zimmer, und da waren alle
Klassen darin, und auf der einen Seite waren die Buben und auf der anderen die Mädchen.
Wie ich gekommen bin, hat mich der Lehrer in die erste Bank gesetzt. Dann hat er gesagt, daß
sich die Kinder Mühe geben sollen, weil heute ein großer Gelehrter unter ihnen sitzt, der
Lateinisch kann.
Das hat mich verdrossen, weil die Kinder gelacht haben. Aber ich habe es mir nicht merken
lassen. Einer hat ein Lesestück vorlesen müssen. Es hat geheißen »Der Abend« und ist so
angegangen: »Die Sonne geht zur Ruhe, und am Himmel kommt der Abendstern. Die Vöglein
verstummen mit ihrem lieblichen Gesange; nur die Grillen zirpen im Felde. Da geht der fleißige
Bauersmann heim. Sein Hund bellt freudig, und die Kinder springen ihm entgegen.«
So ist es weitergegangen. Es war furchtbar dumm, und ich habe gedacht, was es für eine Schande
ist für einen Lateinschüler, daß er dabeisitzen muß.
Der Lehrer sagte, die Kinder von der siebenten Klasse müssen es nun aus dem Kopf schreiben,
und er ladet den Herrn Lateinschüler auch ein.
Er hat mir eine Tafel und einen Griffel gegeben, und dann sagte er, daß er eine halbe Stunde in
die Kirche fort muß, und daß die Furtner-Marie die Aufsicht hat. Sie war auch von der siebenten
Klasse und die Tochter von einem Bauern, der nicht weit von uns ein Haus hat. Da bin ich noch
zorniger geworden, daß ich einem Mädel folgen soll.
Wie der Lehrer draußen war, habe ich den Leitner, der neben mir gesessen ist, ganz ruhig gefragt,
ob er heute nachmittag zum Fischen mitgehen will. Da hat die Furtner-Marie gerufen: »Ruhig!
Wenn du noch einmal schwätzest, wirst du aufgeschrieben.«
»Entschuldigen Sie, Fräulein Lehrerin«, habe ich gesagt, »ich will es nicht mehr tun.«
Dann habe ich einen Schlüssel aus der Tasche gezogen und habe probiert, ob er noch pfeift. Da
ist die Furtner-Marie zur Tafel hinaus und hat hingeschrieben: »Thoma hat gepfiffen.«
Ich bin aufgestanden und habe gesagt: »Entschuldigen Sie, Fräulein Lehrerin, was muß ich denn
machen, daß Sie mich nicht aufschreiben?«
Sie sagte, daß ich den Aufsatz »Der Abend« schreiben muß.
Da habe ich geschwind etwas geschrieben, und dann bin ich wieder aufgestanden und habe
gesagt: »Entschuldigen Sie, Fräulein Lehrerin, darf ich es nicht vorlesen, daß Sie mir sagen, ob es
recht ist?«
Da ist die dumme Gans stolz gewesen, daß sie einem Lateinschüler etwas sagen muß, und sie hat
gesagt: »Ja, du darfst es vorlesen.«
Da habe ich recht laut gelesen:
»Die Sonne geht zur Ruhe. Der Abendstern ist auf dem Himmel. Vor dem Wirtshause ist es still.
Auf einmal geht die Tür auf, und der Hausknecht wirft einen Bauersmann hinaus. Er ist
betrunken. Es ist der Furtner-Marie ihr Vater.«
Da haben alle Kinder gelacht, und die Furtner hat zu heulen angefangen. Sie ist wieder an die
Tafel hin und hat geschrieben: »Thoma war ungezogen.» Das hat sie dreimal unterstrichen. Ich
bin aus meiner Bank gegangen und habe den Schwamm genommen und habe ihre Schrift
ausgewischt.
Und dann habe ich die Furtner-Marie bei ihrem Zopf gepackt und habe sie gebeutelt, und zuletzt
habe ich ihr eine Ohrfeige hineingehauen, damit sie weiß, daß man einen Lateinschüler nicht
aufschreibt.
Jetzt ist der Lehrer gekommen, und er war zornig, wie er alles erfahren hat. Er sagte, daß er nur
wegen meiner Mutter mich nicht gleich hinauswirft, aber daß er mich zwei Stunden nach der
Schule einsperrt. Das hat er auch getan. Wie die Kinder fort waren, habe ich dableiben müssen,
und der Lehrer hat die Tür mit dem Schlüssel zugesperrt. Es war schon elf Uhr, und ich habe
furchtbar Hunger gehabt, und ich habe auch gedacht, was es für eine Schande ist, daß ich in einer
Volksschule eingesperrt bin.
Da habe ich geschaut, ob ich nicht durchbrennen kann und vielleicht beim Fenster
hinunterspringen. Aber es war im ersten Stock und zu hoch, und es waren Steine unten. Da
schaute ich auf der andem Seite, wo der Garten war. Wenn man auf die Erde springt, tut es
vielleicht nicht weh. Ich machte das Fenster auf und dachte, ob ich es probiere. Da habe ich auf
einmal gesehen, daß an der Mauer die Latten für das Spalierobst sind, und ich habe gedacht, daß
sie mich schon tragen.
Ich bin langsam hinausgestiegen und habe die Füße ganz vorsichtig auf die Latten gestellt. Sie
haben mich gut getragen, und wie ich gesehen habe, daß es nicht gefährlich ist, da ist mir
eingefallen, daß ich die Pfirsiche mitnehmen kann. Ich habe alle Taschen vollgesteckt und den
Hut auch. Dann bin ich erst heim und legte die Pfirsiche in meinen Kasten.
Am Nachmittag ist ein Brief vom Herrn Lehrer gekommen, daß ich die Schule nicht mehr
betreten darf.
Da war ich froh.
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