Prologe - Wie alles begann
Es schien alles bereits vor über 23 Jahren angefangen zu haben. Dieses ungestüme Verlangen die Welt zu entdecken und sich dabei in Abenteuer oder gar Gefahren zu stürzen, hat ganz Gewiss ihren Ursprung bei meinen Eltern. Woher auch sonst? Seit ich denken kann, bereisen meine Eltern mit mir zusammen die Welt und interessieren sich seither für fremde Kulturen. Gepaart mit dem instinktiven Verlangen an die Grenzen des menschlichen Körpers und Geistes zu gehen, welches ich zweifeillos von meinem Dad vererbt zu haben schien, war es nur eine logische Konsequenz sich irgendwann, lediglich mit einem Rucksack und etwas Geld ausgestattet, auf den Weg in eine andere Weltregion zu machen.
Wenn mich nun aber einer nach dem Initialfunke fragt, der mich zu dieser Reise bewegte, werde ich wohl das Datum des 17. Januar 2012 nennen. An dem Tag landete ich gerade mit dem Flugzeug aus Australien. Ich hatte meine damalige Freundin, die dort ein Aupair-Jahr absolvierte, besucht und fuhr mit ihr im Mietwagen über einen Monat die komplette Ostküste von Brisbane bis Melbourne entlang. Was lediglich als Besuch zur Aufrechterhaltung unserer Beziehung geplant war, entwickelte sich für mich zu einem lebensverändernden Erlebnis. Auch wenn unsere Beziehung zerbrach, war ich von Australien und ganz besonders von dem Reisestil, dem sogenannten „Backpacking“, einfach nur fasziniert! Diese Freiheit, die sich dort vor einem darbietet, dieses unendliche Gefühl von sämtlichen Problemen des Alltags befreit zu sein, ist schlecht in Worte zu fassen. Es ist eine komplett andere Welt, eine für mich total fremde. Als Gefangener unserer populistischen Konsumgesellschaft empfand ich das Backpacken inspirierend und zugleich befreiend. Gepaart mit dem Verlangen mich selbst einmal inmitten eines großen Abenteuers zu sehen, beschloss ich nach meiner Landung aus Australien eine längere Reise in einer Weltregion fremder Kulturen zu unternehmen.
Es hat genau ein Jahr gedauert bis sich konkrete Vorstellungen formten, die Welt erneut aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Im Jahr nach Australien schien mein Leben, vielleicht mehr als ich mir eingestehen wollte, aus den Fugen zu geraten. Aber der Traum nach purer Freiheit mit dem Ziel die Welt zu entdecken, loderte in mir weiter wie ein Feuer. Ich schwärmte immer wieder auf Partys oder auch auf der Straße, wie sehr mir Australien gefallen und wie viel mehr mich das Feeling als Backpacker beeindruckt hat. Ausnahmslos stoß ich auf interessierte Gesichter, doch nur bei einem merkte ich, dass ein ähnliches inneres Verlangen existierte. Björn Armbrecht, Studienkollege und guter Freund, liebt genauso sehr wie ich die Natur und das Abenteuer und war ganz gebannt etwas Neues kennenzulernen. Im „Vollsuff“ formten sich schließlich die ersten Ideen, inwieweit man gemeinsam eine große Reise gestalten kann. Immer wieder sprach man davon, doch leider nie nüchtern; was einen ganz guten Eindruck vermittelt, welch' einen Lebensstil ich vor der Reise pflegte. Ich lebte nur so vor mich hin. Ich hatte zwar mit meinem Bachelorabschluss ein direktes Ziel vor Augen, doch alles andere schien sich immer mehr von mir zu entfernen. Die Welt um mich herum verschwamm. Für was genau verbringt man eigentlich ganze Lernnächte am Schreibtisch und was kommt nach dem Bachelor? Klar, allerorts wird vom Master gesprochen, aber will ich das wirklich? Was will ich überhaupt im Leben erreichen? Ich fühlte mich in meinem eigenen Leben entfremdet und suchte nach Antworten.
Den finalen Entschluss gemeinsam nach dem erfolgreichen Abschließen des Bachelors in Robinson-Crusoe-Manier einen fremden Kontinent zu bereisen, fassten wir schließlich Anfang 2013. Wie genau wir dabei auf die Reiseroute oder gar auf die Ausführung im Einzelnen gekommen sind, wissen wir beide selber nicht mehr und ist im Grunde auch völlig egal. Nur eines war wichtig und zwar seine Träume zu leben und nicht nur zu träumen. Für uns stand fest, es muss sich in unserem Leben etwas verändern, wir brauchten eine neue Erfahrung. Eine Erfahrung, die uns mehr Weitblick gewährt und es uns ermöglicht sich selbst besser kennenzulernen. Die Frage wer bin ich eigentlich und was ist wirklich wichtig im Leben, stellte sich mir seit Australien immer wieder. Ist es der Konsum, dem man nacheifern soll? Ist es das Streben nach Macht und Geld oder eher familiäre Nähe? Wem kann ich im Leben eigentlich vertrauen? Wer sind meine wahren Freunde und wie erkenne ich diese? All das wusste ich mit ein paar Ausnahmen nicht so wirklich für mich zu beantworten. Der einzige Anker für mich war meine Familie, die immer zu mir stand. Aber reicht das wirklich, um glücklich zu sein? Und was bedeutet eigentlich Glück und Zufriedenheit? Ich fühlte mich innerlich aus dem Gleichgewicht gebracht!
Schon als kleiner Junge wurde ich immer als liebenswert und vorbildlich bezeichnet. Einer, der es jedem Recht machte, Konflikte stets versuchte zu lösen und so gut wie nie schlechte Laune besaß. Ich war erfolgreich in fast allem was ich machte und war für manche gar ein Vorbild. Doch manchmal war der Schein größer als das Sein und ich versuchte mich hinter einem breiten Lächeln zu verstecken. Gelang dies nicht, ging ich immer häufiger mit Freunden feiern, lernte Frauen kennen und trank sehr viel. Ich lenkte mich selbst ab und floh vor einer Realität, die mir selbst immer fremder vorkam. Dabei versuchte ich nicht nur alles zwanghaft positiv zu sehen, sondern auch die Bedürfnisse anderer vor meine eigenen zu stellen. Beim Streben es anderen stets recht zu machen, immer Rücksicht zu nehmen und dabei einen guten Eindruck zu hinterlassen, vergaß ich regelrecht meine eigenen Anliegen und Sorgen. Ich ging in meinem Selbstzwang mit jedem gut auszukommen unter und es nahm mir zunehmend die Luft zum Atmen. Bei naiven Versuchen aus diesem Selbstzwang ausbrechen zu wollen, konnte ich zwischen wahren Freunden und allen anderen nicht mehr wirklich unterscheiden und verletzte Personen, die mir Nahe standen. Es war ein Teufelskreis.
Zudem fühlte ich mich erdrückt von der Last, die ich mir bezüglich meiner beruflichen Zukunft selbst aufbürdete. Ich strebte nach Erfolg - um jeden Preis. Mein Ehrgeiz war dabei mein größter Feind und ich fühlte mich gefangen. Gefangen in einer Spirale, in der man nach immer mehr strebte. Das Beste war immer noch nicht genug und ein Versagen inakzeptabel! Auch wenn ich nach außen hin glücklich wirkte, war ich selten mit dem Erreichten zufrieden. Soll dies wirklich der Weg sein, den ich für meine Zukunft einschlagen soll? Der Weg, der mich im Leben mit Glück erfüllt? Oder sehe ich das Ganze einfach nur zu eng und sollte dem Leben freien Lauf lassen? Um genau dies und alle anderen Fragen für mich selbst klären zu können, entschied ich mich für genau diese Reise. Eine Reise, die mich verändern sollte. Ich wollte zu mir selbst finden, neue Einblicke und andere Lebensweisen kennenlernen und mein Gefühl der Freiheit neu definieren. Ich brauchte diese Reise, diese Art der Auszeit einfach, um alles um mich herum vergessen zu können. Es sollte an kein „Zurück“ mehr gedacht und all die alten Gepflogenheiten, Ängste, Zwänge und gesellschaftlichen Normen hinter einem gelassen werden. Das Leben sollte freie Bahn haben und mich inspirieren.
Es stellte sich sehr schnell heraus, dass Björn ziemlich kongruente Ansichten von einem solchen Trip hatte und auch die Tatsache, dass im Vorfeld nur das Nötigste geplant wurde, spricht für sich und das befreite Leben eines Backpackers. Nachdem die typischen Reiseländer, wie die USA oder Australien für uns nicht in Frage kamen, blieben nur die Kontinente Afrika, Südamerika und Asien. Nach einigen Bieren und noch mehr Schnäpsen fiel unsere Entscheidung schließlich auf Asien. Es ist ein Kontinent, der nicht viel bereist wird, die Lebenserhaltungskosten gering sind, eine faszinierende Naturvielfalt besitzt und im Gegensatz zu Südamerika den großen Vorteil der Sicherheit bietet.
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