Liz Klindworth - Solo mit Buddha

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Lange genug hatte ich als Künstlerin meine Inspirationen in einem Mix aus Wein, Musik und Partys gesucht. Bis ich erkannte, dass zu jedem Künstler auch eine Muse gehört.
Nach einem Treffen mit dem Idol meiner pubertären Posterträume glaubte ich, sie in ihm gefunden zu haben.
Doch der einstige Partyrocker Ray hatte längst andere Absichten;
die Suche nach Erleuchtung und Glückseligkeit.

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Impressum

„Solo mit Buddha“ Liz KlindworthCopyright, 2012, Liz Klindworth Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin www.epubli.deISBN: 978-3-8442-3973-7 Covergestaltung: Sabina Bredemeier

Zitat

Ich war erst fünf, da sagten sie mir

„Sei einfach wie Barbie".

Sie haben mich kirre gemacht.

Und aus dem Haus getrieben.

Ich falle tief, ich verstelle mich.

Ich werde verrückt.

Melissa Etheridge

("Breakdown“, 1999 )

Einleitung

Der Tag, an dem ich die alten Konzerthefte nach dem gründlichen Putzwahn meiner Mutter wieder aus dem Müllpapiercontainer hervor zog, markierte für mich ein unverkennbares Vorfahrtschild in meinem Leben.

Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Zugegeben, eine einsame Entscheidung. Aber mit Sicherheit eine der wenigen, die ich bis dahin jemals einsam getroffen habe.

Die von alten und ranzigen Margarinebechern und Zigarettenresten parfümierten Hefte trug ich behutsam zurück in mein Kinderzimmer. Ein Tritt mit dem Fuß genügte, um die Tür hinter mir zu schließen. Hinter mir? Hinter uns.

Ich und die Band. Wir waren wieder vereint in der bis dahin wohlbehüteten Stätte meiner pubertären Träume. Sogleich legte ich eine Platte auf meinen alten orange-grünen Lenco-Plattenspieler, dessen Nadel ich zuvor von knollenförmig angewachsenem Rillenstaub befreien musste.

Die tiefen Bässe drangen noch viel tiefer in meinen Körper, als ich es erhoffte hatte. Sicher war es auch eine Spur von hörbar herzklopfender Erleichterung, dass ich all die vielsagenden Hefte vor dem Müll gerettet hatte.

Damals war Lightroom noch total angesagt, sammelte Goldene Schallplatten ohne Ende, durfte auf keiner Party fehlen. Am besten gefielen mir ihre eigenwillig arrangierten Cover - Versionen von Oldies aus den Siebzigern und Achtzigern. Jeden Musiker kannte ich bei Namen inclusive seiner Angehörigen dritten Grades.

Ungezählte Abende, an denen ich sie bei gedimmtem Licht und einem heimlichen Mix aus Fanta und Asti Spumante euphorisch anfeuerte, mit ihnen tanzte, ihren Spirit dankbar in jeder Zelle spürte, bis ich erschöpft, aber glücklich und erfüllt ins Bett fiel. Um dort direkt nach der Gutenacht-Ansprache meiner Mutter den kleinen batterieversorgten Kassettenrekorder unter der Bettdecke ganz leise anzuwerfen.

Immer mit der Gewissheit, dass die Band da ist. Dass zwischen der Musik und meinen Gefühlen voll von Sehnsucht, Frust und der Suche nach dem Geheimnis des Lebens außerhalb der Pubertät ein nur für mich geschaffenes Band des universellen Verständnisses existiert.

Bis dahin verlief mein Leben zwischen Selbstfindung - um nicht gleich von Selbstbehauptung zu reden - und kreativen Prozessen in den Bereichen Malerei und Fotografie. Immerhin hatte ich einen Nebenjob als Dekorateurin, konnte somit meiner zugegeben etwas planlosen Malerei nachkommen, ohne hungern zu müssen. Ich lernte dabei viele Menschen kennen, lernte viele neue Eindrücke zu schätzen – aber insgeheim war ich immer froh, wenn ich allein war. Nein, nicht allein, die Musik von der Band bei immer bei mir. Mein Geheimnis.

Längst waren Lightroom „out“. Es gab noch die alten Schallplatten zu kaufen, aber Fernsehauftritte wurden verdammt rar. Wer nach vorne will, hört keine vertrauten Klänge, der öffnet sich vielmehr neuen Musikrichtungen. Open your mind for inspirations. Gerne auch mit exotischen Teesorten die wir uns dank Konfirmationsspenden ins entsprechende Designer-Teeservice kippen konnten. Schweigend lauschten wir der neuen Musik, die wir zwar nicht gleich auf Anhieb verstanden, uns aber immerhin einen intellektuellen Anstrich verlieh.

Inzwischen hatte mein Repertoire an Ausreden für diese sinnigen Nachmittage eine respektable Bandbreite erreicht. Ich war fest davon überzeugt, dass ich schon mit allen anderen Dingen, denen ich mich brav und gehorsam geöffnet hatte, hoffnungslos überfordert war.

Und so genoss ich den heimlichen Moment eines intimen Zusammenkommens mit der Band per Kopfhörer fern ab von kritischen Zeitzeugen und New-Spirit-Suchenden.

Ich rockte in meinem Zimmer zur Musik ab, bis die Regale schief an den Wänden hingen, wickelte mich lasziv in die Vorhänge, bis diese am Boden lagen. Im Laufe eines exzessiven Abends glich mein Zimmer einer Hotelsuite nach einer 2-tägigen Drogenparty von den Rolling Stones.

Voller Hingabe lauschte ich den Harmonien,

den Gitarrenriffs, spürte jeden Takt nach. Und fand ein zuverlässiges Stück Heimat, in dem das Früher und das Heute zu einer vertrauten Melodie verschmolzen, die mich durch viele Gedanken, reichlich Zweifel und ungezählte Fragen des Erwachsenwerdens trug und mir ein Gefühl der Zuversicht schenkte.

Kapitel 1

...I walk the maze of moments But everywhere I turn to Begins an new beginning But never finds a finish... (Anywhere is/ Enya)

Aus einer Familie mit künstlerischen Ambitionen stammend, war für mich klar, dass ich wohl kaum in einem Büro landen würde und wollte. Meine Mutter entwarf Teppichmuster, mein Vater Häuser, meine Großmutter malte und mein Großvater war Kunstschlosser und baute ausgefallene und wunderschöne Lampenkreationen.

So fing ich schon als Kind an, die Malerei zu lieben, längst bevor ich lesen konnte. Waren keine Stifte oder Pinsel in der Nähe malte ich einfach mit meiner Spucke auf glänzenden Oberflächen. Der ständigen Polieraktionen irgendwann müde, bekam ich im Laufe der Jahre von meinen Eltern einen umfangreichen Malkoffer samt Staffelei geschenkt.

In einer Phase meiner Mutter, deren Einfallsreichtum sich plötzlich in ständig wechselnden Haarfarben ausdrückte, fühlte ich mich dank des vielen Lobes als kleiner Kunstkritiker berufen. Heimlich begann ich, die von meiner Großmutter gemalten Ölporträts meiner Mutter, mit diversen Farbtuben der jeweils neuesten Haarfarbe anzupassen.

In der Schulzeit befand ich mich zum ersten Mal in der Kritik meiner Lehrer. Beleidigt, empört und den Tuschkasten vom Tisch werfend, verteidigte ich meine Sonne, die sich auf jedem Bild grundsätzlich und immer und überhaupt in der rechten Bildecke befand. Und irgendwann wurde es akzeptiert als die Lizzi-Sonne. Na bitte. So konnte es weitergehen und es ging auch weiter. Die Schulzeit fand ihr Ende und ich musste mich für Beruf oder Studium entscheiden.

Noch konnte ich mich nicht zwischen einer Karriere als Eiskunstläuferin, Sängerin oder Filmstar entscheiden.

Eiskunstläuferin erschien mir sehr sinnvoll, denn dann könnte ich die schon heimlich einstudierte Kür zur Musik von Lightroom tanzen. Allerdings war dazu ein Partner nötig, der nach ausführlicher Analyse der bisherigen Olympiagewinner im Eiskunstlauf wohl rein der Größe nach beurteilt zwangsläufig ein Russe sein würde. Bei meiner Größe von 1,78m müsste er dann ca. 2,40 groß sein, damit die Preisrichter mich noch als zierlich anerkennen können. Um auch die entsprechende russische Melancholie für meinen Partner mitzubringen, fing ich schon mal an Tolstoi und Pasternak zu lesen. Zumindest die ersten 5-8 Seiten inclusive Impressum und Inhaltsverzeichnis.

Irgendwann machte mich eine Freundin darauf aufmerksam, dass das Eis verdammt hart durchgefroren sein müsste, damit ich nicht gleich beim ersten Rittberger mit meinem üppigen Gewicht 8 cm dicke Riefen ins Eis haue. „Haue“, nicht „laufe“, sie hat wirklich „haue“ gesagt.

Okay blieb ja noch Sängerin. Immerhin war Agnetha Fältskog von Abba ja auch nicht gerade schlank. Dafür hatte sie im Gegensatz zu mir allerdings auch eine musikalische Stimme, was mir mein Vater während einer längeren Autofahrt resolut klarmachte, als ich gerade zum fünften Mal zu einem „Sssänk ju foooor sä Mjusiiik“ ansetzte.

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