Ja, woher das Geld stamme, wiederholt er ihre Frage. Er klingt ziemlich freundlich, im Gegensatz zu ihr. Derweil ziehen die Kollegen hinter ihm ihre Jacken über, wollen in die Mittagspause gehen.
Was die Bank das angehe, poltert Busch. Der Mann zuckt zurück.
Es sei doch nur eine Formsache, bettelt der Angestellte. Die Kollegen winken. Zum Abschied knurrt leise ein Magen.
Wenn ich hier mit fünf Millionen stünde, fährt Busch fort, als sie unter sich sind, egal ob echt oder falsch, würden Sie keine Fragen stellen. Sie würden dort drüben das Büro öffnen oder uns zum Essen einladen. Er grinst hämisch, bedeutet ihr, sie möge ihm den Schein zurückgeben. Sie und ihre Chefs würden uns die Füße küssen für so viel Geld. Aber so?
Sandra zerrt es aus ihrer Jackentasche, legt den Schein in seine Hand.
Es gehe die Bank einen feuchten Kehricht an, woher er das Geld habe, resümiert Busch. Der Mitarbeiter solle es einzig in kleine Scheine wechseln.
Busch schiebt den Zankapfel über die Theke. Er schwebt ein kurzes Stück über das Holz, landet vor dem Schild "Ihr Service vor Ort".
Sandra mustert verblüfft die beiden Streithähne. Eigentlich geht es um nichts. Aber beide benehmen sich wie Idioten. Sie drückt Buschs Hand. Er drückt zurück.
Er sei Künstler, erläutert er jetzt etwas gesetzter. Das Geld sei Teil eines Vorschusses seines Auftraggebers.
Der Mitarbeiter hebt die Augenbrauen. Was Busch sagt, erscheint ihm schlüssig.
Ob er so freundlich sein würde, ihm den Namen des Auftraggebers zu nennen?
Wozu, braust der frischgebackene Künstler erneut auf. Er habe seinem Mäzen Diskretion zugesichert.
Die Diskretion werde nicht verletzt, da niemand weiter den Namen erfahre.
Sandra presst Buschs Finger zusammen.
Es sei Jäger, der Eigentümer der „Kunstgaleere“.
Der Bankbeamte reißt die Augen auf. Gleichzeitig kippt der Oberkörper ein Stück nach vorn, die gestylte Locke fällt auf die Stirn. Welche Stückelung Sie denn wünschten? Hastig wird die Locke mit einer fahrigen Geste beiseitegeschoben.
Busch scheint unbeeindruckt vom Sinneswandel. Oh, er sei bezüglich der Stückelung sehr flexibel, erwidert er aufgeräumt. Hauptsache, die Scheine seien echt.
Der nun vor Höflichkeit sprühende Kassenvorsteher reibt eilfertig die Banknote zwischen Daumen und Zeigefinger, dreht den Schein gegen das Licht. Sie mögen bitte einen Moment warten, sagt er unvermittelt ernst und verschwindet hinter einem Paravent.
Sandra bemerkt, wie Busch blass wird.
"Was ist los mit dir?", zischt sie.
Nichts! Er schüttelt den Kopf.
Sie packt ihn am Arm, glaubt ihn stützen zu müssen, als er einen Schritt zur Seite macht. Die Luft im Raum ist tatsächlich stickig, fällt Sandra nun auf. Sie würde hier auf Dauer Kopfschmerzen bekommen. Oder Atembeschwerden.
Sie warten. Leises Gemurmel im Hintergrund. Sollten sie doch nicht allein gewesen sein? Telefoniert er am Ende mit der Polizei? Sandra schaut sich um im Kassenraum. Die Zimmerdecke gehört wohl nicht zum Aufgabenbereich des Reinigungspersonals. Die Zeit dehnt sich wie die Vorbereitungen für ein Porträt beim Fotografen. Als Sandra die erste Kamera gefunden hat, kehrt der geschniegelte Fatzke zurück. Er strahlt.
Im Tausch gegen die fünfhundert Euro lege er Ihnen die gesamte Bandbreite an Euro-Noten vor, verkündet er, manche davon sogar doppelt. Es folgt ein unsicheres Wiehern, dann die Aufforderung, Busch möge nachzählen. Der nickt nur stumm, sichtbar erleichtert, steckt das Geld ohne zu prüfen in die Innentasche seines Clownsanzugs.
Sie mögen die Filiale bald wieder beehren, tönt es hinter ihrem Rücken.
Wenn es keine elektronischen Türöffner gäbe, würde er jetzt bestimmt hinter seinem Tresen hervorspringen, an ihnen vorbeihasten und mit einem Diener die Tür aufreißen, stellt sich Sandra vor. Schade eigentlich. Sie hat Geschmack am gemeinsamen Auftritt gefunden, wundert sich über Buschs Eile. Immerhin verschafft sie ihr die Ehre, bei der Hand genommen zu werden.
Liebe Grüße an Herr Jäger, hört sie noch. Sie wird sie ausrichten, ganz bestimmt. Dann sind beide wieder draußen.
Busch atmet hörbar durch.
"Was war eben los mit dir?", fragt sie verstört und windet sich aus seiner Hand. Die Finger schmerzen vom energischen Zugriff.
Wie, wann? Er dreht sich nicht um, marschiert voran, geradewegs Richtung Beisel. Als er ausgeflippt sei?
Sandra versucht zu folgen. "Nein", ruft sie ihm nach.
Er blickt über die Schulter. Das würde sie doch verstehen, oder?
"Ich meine, als dir übel war." Sie gibt Gas, will sich nicht mehr so leicht abschütteln lassen. "Ich hatte Angst, du kippst um", sagt sie, als sie wieder neben ihm läuft.
Busch hält ein und seufzt. Er habe für einen Augenblick geglaubt, Jäger verarsche ihn komplett, mit allem.
"Wie, mit allem?" Sandra ist ebenso stehengeblieben.
Mit seinem Auftrag, mit dem Geld, mit seinen Aussagen über den Verbleib von Jiska.
Jetzt! Jetzt wäre die Chance zu fragen. Aber Sandra fühlt sich leer wie eine Tüte Popcorn nach einem Film mit Überlänge. Sie ist müde und erschöpft, braucht dringend eine Auffrischung.
"Wollen wir einen Kaffee trinken?"
Busch tippt sich an die Stirn, zückt das Geld und reicht ihr die versprochenen fünfzig Euro.
"Kommst du nicht mit?"
Nein, er habe noch so viel zu tun, lehnt Busch ab.
Sandra ist enttäuscht. "Bevor du gehst..." Sie packt ihn am Arm. "Ich muss dir noch etwas verraten, etwas Wichtiges."
Wenn es denn sein müsse, seufzt er.
Warum Männer beständig auf der Flucht sein müssen, schießt es ihr durch den Kopf. Sie ist pikiert über seine arrogante Art, aber irgendwo gefällt es ihr auch.
"Es ist wichtig, dass du es erfährst, bevor Jiska zurückkehrt."
Sandra hat ihr Ziel erreicht. Er hört zu. Soll sie mehr von jenem Abend im Barock erzählen? Nein, es würde ihn nur verunsichern.
"Du riechst aus dem Mund."
Busch lächelt unsicher, presst die Lippen zusammen.
"Es ist nicht schlimm für mich", fährt sie fort, die Hand immer noch auf seinem Unterarm. "Ich wollte es dir nur sagen, bevor du das nächste Mal versuchst, eine andere Frau zu küssen. Aus alter Freundschaft. Manche Damen schreckt nämlich so etwas ab."
Er habe gestern Abend einige Flaschen Bier getrunken, für seine Materialsammlung, redet Busch sich raus.
Sie schüttelt den Kopf. "Ich weiß, wie Restalkohol riecht, zur Genüge. Es ist anders, tiefer."
Busch wendet sich ab. Nein, das glaube er nicht. Es liege an der fehlenden Zahnbürste. Er habe keine im Atelier, spüle sich mit Wasser den Mund aus, morgens und abends. Das wird der Grund sein.
"Du kannst auch zu mir kommen, zum Duschen. Oder Baden."
Busch nickt nachdenklich. Er werde darauf zurückkommen. Für einen Moment steht er wie erstarrt. Sein Blick reicht über ihren Scheitel hinweg. Sandra wagt es nicht ihm zu folgen.
Ob er ihr auch etwas anvertrauen könne? Sie dürfe aber mit niemandem darüber sprechen.
Ihr Herz klopft wie das eines Kindes vor der weihnachtlichen Bescherung. Sandra presst die Lippen zusammen und nickt.
Seine Hand wandert in die rechte Innentasche, zieht ein zerschlissenes Stück Papier hervor. Er reicht es ihr.
"Was ist das?"
Lies!
Mein Liebster,
jede Minute mit Dir habe ich genossen. Nun aber kann ich nicht mehr. Du weißt: "Wir haben versucht, auf unserer Schussfahrt zu wenden." Leider ist mein Karren gegen die Wand gefahren.
Glaube mir: ich liebe Dich, für immer. Und wir werden uns wiedersehen, ganz gewiss. Vielleicht auch erst im nächsten Leben.
Unendlich viele Küsse, Jiska
Sandra liest die Nachricht zweimal. Ihre Hände zittern. Ob er liest, was sie darin liest?
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