Ich zog den Jogginganzug über und bemerkte dann auf der Uhr an der Wand, dass ich mich direkt auf den Weg zu Mitchell machen musste, wenn ich nicht zu spät sein wollte. Eine Tatsache, die mir ganz und gar nicht zusagte, sich aber wohl oder übel nicht vermeiden ließ.
»Kein Abschiedsküsschen heute?« Hank warf mir einen Handkuss zu. Dabei zwinkerte er total übertrieben und die anderen fingen wieder an zu lachen.
»Du mich auch!«, rief ich ihm zu, woraufhin ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Trotz der vielen Frauengeschichten, die über mich die Runde machten, redete man hinter meinem Rücken darüber, ob sie alle der Wahrheit entsprachen. Bislang war mir schon mehr als einmal zu Ohren gekommen, dass ich wohl über ein enormes Standvermögen verfügen musste.
Weil ich der Einzige war, der sein Privatleben strikt vor den anderen im Verborgenen hielt, außer besagter Affären, heizte ich damit der Klatschpresse ordentlich ein. Manchmal nervte mich dieser Job. Auch wenn ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte, war das Rampenlicht etwas, dem ich gut und gerne den Rücken gekehrt hätte. Man kannte mich und ich war nirgends sicher, außer in meinen eigenen vier Wänden.
Bevor ich den Flur verließ und ins Freie trat, zückte ich die Sonnenbrille und zog die Kapuze meines Shirts über. Ich hatte noch nicht richtig die Tür geöffnet, da fing das Blitzlichtgewitter an. Einige der Trainingstage waren härter und steckten mir tiefer in den Knochen, als die Abende mit den alkoholgeschwängerten und drogenbehafteten Partys.
Schnellen Schrittes lief ich zum Wagen und entriegelte ihn schon wenige Meter zuvor mit der Fernbedienung. Die Fragen der Reporter ignorierte ich gekonnt und knurrte zwischendrin nur zweimal, als der Name Samantha fiel.
Ich stieg in den SUV und schlug laut die Tür hinter mir zu. Sofort verstummte das laute Geplapper. Dank der kugelsicheren Verglasung klangen die Stimmen im Innenraum dumpfer und ich atmete erleichtert aus. Jetzt musste ich mich beeilen, um pünktlich bei Mitchell zu sein.
Ich ließ den Motor aufheulen und hupte zum Abschied, bevor ich den Wagen in Bewegung setzte und langsam vom Parkplatz fuhr. Einen der Reporter wie eine zermatschte Fliege an der Scheibe kleben zu haben, würde mir gerade noch fehlen.
Mit 20 Minuten Verspätung fuhr ich in die Tiefgarage von Mitchells Wohnhaus. Er besaß das Penthouse und hatte eine beeindruckende Aussicht auf Sacramento. Ich wollte kein pompöses Leben. Ganz im Gegensatz zu Mitchell, der um Aufmerksamkeit buhlte und wohl auf dem roten Teppich leben würde, wenn er die Möglichkeit hätte.
Ich parkte den Wagen auf dem für mich angemieteten Stellplatz und stieg aus. In der Hand hielt ich lediglich den Autoschlüssel und die Karte, um den Aufzug bedienen zu können. Als mein Blick auf das Handy fiel, spielte ich kurz mit dem Gedanken, es liegen zu lassen. Eine Störungsquelle, die ich zu gerne ignorierte und wusste, dass ich Mitchell damit in den Wahnsinn trieb. Doch ich griff danach.
Grinsend wartete ich, bis die Fahrstuhltüren lautlos aufglitten und ich eintreten konnte. Der Aufzug setzte sich in Bewegung und beförderte mich in das 40. Stockwerk. Als sich die Türen öffneten, stand ich mit nur einem Schritt mitten in der Eingangshalle der für meinen Geschmack zu protzig eingerichteten Wohnung.
Die rechte Seite wurde von den unterschiedlichsten ausgestopften Tieren geziert. Ich konnte diesem überflüssigen Kram noch nie viel abgewinnen.
Bevor ich mich weiter umsehen und über die unnötigen Gegenstände aufregen konnte, durchschritt ich die Halle. Warum es mich so störte, wusste ich nicht einmal. Vielleicht lag es daran, dass ich während meines Studiums kaum genug Kohle hatte, um mir regelmäßig eine warme Mahlzeit zu leisten.
»20 Minuten. Das geht für deine Verhältnisse ja noch«, meckerte Mitchell, als ich ins Wohnzimmer trat. Noch unfreundlicher hätte seine Begrüßung wohl kaum ausfallen können.
Ich rollte mit den Augen und ging an ihm vorbei, um mir einen Drink einzuschenken.
Er bemerkte seinen zu Beginn unangemessen Tonfall und kam zu mir, um mir einen Kuss zu geben.
»Komm schon Shane, du weißt, dass ich Unpünktlichkeit nicht leiden kann«, entschuldigte er sein Fehlverhalten mit süßlich klingender Stimme. Fest umgriff ich das Glas, damit ich ihm nicht gleich an die Gurgel ging. An einem Tag wie heute war es keine gute Idee, darauf herumzureiten, dass ich mich verspätet hatte. Großzügig füllte ich den Whisky in das Gefäß und trank davon. Die braune Flüssigkeit rann meine Kehle hinab und füllte meinen leeren Magen. Wärme machte sich in mir breit und endlich ließ die Anspannung in meinen Schultern etwas nach.
Mitchell erkannte die Situation, kam näher und begann meine Schultern zu massieren. Eine vertraute Geste … eine intime Berührung.
»Wir haben übrigens Besuch«, flüsterte er nah an meinem Ohr.
Neugierig drehte ich mich um und mein Blick fiel auf die junge Frau, die auf der Couch saß. Elegant hatte sie die Beine übereinandergeschlagen und ihre Hände in den Schoß gelegt. Sie musterte mich ebenso neugierig wie ich sie. Wer war das bitte und noch viel wichtiger, warum war sie hier?
»Das ist Cameron, genannt Cam. Sie wird dich künftig zu offiziellen Veranstaltungen begleiten und zu deiner festen Freundin werden«, verkündete Mitchell stolz. Cameron, wie er sie nannte, schluckte schwer und ich vernahm das leichte Zittern ihrer Finger.
Verwirrt blickte ich Mitchell an und zog die Augenbrauen fragend zusammen.
»Sie schuldet mir noch einen Gefallen«, entgegnete er auf meinen prüfenden Blick.
»Ernsthaft? Du hast mir eine Nutte organisiert? Bist du eigentlich noch ganz klar da oben?« Ich tippte ihm mit dem Finger gegen die Schläfe, woraufhin er meine Hand wegschlug.
»Moment mal … ich bin keine ...«, setzte die junge Frau an, aber Mitchell fiel ihr ins Wort.
»Sie ist doch keine Prostituierte. Champ … du müsstest mich doch besser kennen«, verteidigte er seine Offenbarung und lachte.
»Na ja … wenn ich bedenke, wen du die letzten Male angeschleppt hast, bin ich mir nicht so sicher, ob du den Unterschied zwischen einer intellektuellen Frau und einer, die geldgierig und sensationsgeil ist, überhaupt erkennst.« Um die gerade erhaltene Information zu verdauen, schüttete ich den Inhalt des Glases in mich hinein.
Cameron erhob sich und kam zu uns. Neugierig musterte ich sie. Ihre Beine waren lang und sie wusste durchaus, sich grazil auf High-Heels zu bewegen. Ihr Stil gefiel mir.
»Zum einen möchte ich klarstellen, dass es sich ganz sicher nicht um diese Art von Gefallen handelt. Aber hätte ich gewusst, wen er mit Shane meinte, hätte ich sicherlich nicht zugestimmt.« Sie besah Mitchell mit einem abfälligen Blick und verschränkte dann die Arme vor der Brust.
Sie hatte Feuer … das gefiel mir.
»Schätzchen … davon wollen wir doch jetzt nicht anfangen, oder? Ich dachte, wir wären uns einig?«
»Du hättest wenigstens erwähnen können, dass es Shane Williams, der Star Quarterback und Weiberheld ist.«
Mitchell gab ihr mit einem Handwinken zu verstehen, dass es besser war, zu schweigen. Und sie tat es. Kluges Mädchen. Vermutlich hatte sie begriffen, dass Mitch kein Kerl war, mit dem man sich auf eine Diskussion einließ.
Mir stand nach dem Training nicht der Sinn nach einer solchen Auseinandersetzung. Jedes Mal verhielt Mitchell sich wie ein gebranntes Kind und seine Wortwahl war in diesen Augenblicken alles andere als gewählt.
Entgeistert schloss Cameron den Mund.
»Hattest du mir vorhin nicht zugesichert, dass du Anstand hättest und das 1 x 1 der Etikette beherrschst?«
Der bissige Unterton entging mir nicht und sofort veränderte sich die Haltung unseres Gastes.
Zielstrebig, selbstbewusst und mit einem Lächeln auf den Lippen blickte sie mich an und hielt mir die Hand entgegen. »Ich bin Cameron und mein Pick-up hat den Mercedes deines Managers etwas lädiert. Da ich meine Versicherung nicht bezahlt habe, übernehmen sie den Schaden nicht, weshalb Mitchell mir diese Aufgabe zur Wiedergutmachung aufs Auge gedrückt hat«, erklärte sie mir nun die Situation.
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