Fjodor Dostojewski - Fjodor Dostojewski - Der Jüngling

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Fjodor Dostojewski: Der Jüngling: краткое содержание, описание и аннотация

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"Der Jüngling" von Fjodor Dostojewski erzählt von der psychischen Entwicklung eines ungefähr 20jährigen Mannes. Wegen seiner unehelichen Geburt kann er in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts nicht Fuß fassen. Zunächst zieht er sich auf sich selbst zurück und «rächt» sich durch Missachtung an der Gesellschaft. Sein Leben gewinnt an Schwung, als er seinem bis dahin weitgehend unbekannten Vater begegnet und sich von ihm beraten lässt. Doch als der Sohn das wahre Wesen des Vaters durchschaut, ändert sich ihr Verhältnis.
Dostojewskis «Jüngling» ist ein Roman voller anrührender Weisheiten, mitten aus dem realen Leben gegriffen.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Der Jüngling» von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

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Er war damals, das heißt im Alter von fünfundzwanzig Jahren, gerade Witwer geworden. Er war mit einer Frau verheiratet gewesen, die zwar den höchsten Gesellschaftskreisen angehörte, aber nicht sehr reich war, einer geborenen Fanariotowa, und hatte von ihr einen Sohn und eine Tochter. Meine Nachrichten über diese so früh von ihm gegangene Gattin sind nur sehr unvollständig und in meinem Material nicht so ohne weiteres zu finden, und auch vieles von Wersilows privaten Lebensverhältnissen ist mir unbekannt geblieben, so stolz, hochmütig, verschlossen und geringschätzig benahm er sich fast immer gegen mich, obgleich er mich zuzeiten durch sein sozusagen demütiges Wesen mir gegenüber in Erstaunen versetzte. Ich erwähne jedoch zur Charakterisierung im voraus, daß er im Laufe seines Lebens drei Vermögen durchgebracht hat und sogar sehr beträchtliche, im ganzen über vierhunderttausend Rubel und vielleicht noch mehr. Jetzt besitzt er natürlich nicht eine Kopeke...

Er kam damals, Gott weiß warum, auf sein Gut, wenigstens drückte er sich mir gegenüber in der Folgezeit so aus. Seine kleinen Kinder hatte er, wie das so seine Gewohnheit war, nicht bei sich, sondern zu Verwandten gebracht; so behandelte er seine Kinder sein ganzes Leben lang, sowohl die legitimen als auch die illegitimen. Das Gesinde auf diesem Gut war sehr zahlreich; darunter befand sich auch der Gärtner Makar Iwanow Dolgorukij. Ich möchte hier einfügen, um es ein für allemal abzutun: selten hat sich wohl jemand über seinen Familiennamen so geärgert, wie ich es mein ganzes Leben lang getan habe. Das war natürlich dumm von mir, aber ich tat es doch. Jedesmal, wenn ich in eine Schule eintrat oder mit Leuten zusammenkam, denen zu antworten, ich nach meinem Lebensalter verpflichtet war, wiederholte sich dasselbe: jeder Lehrer, jeder Erzieher, jeder Inspektor, jeder Pope, jeder, den man sich nur denken kann, hielt es, nachdem er nach meinem Familiennamen gefragt und gehört hatte, da8 ich Dölgorukij heiße, für nötig hinzuzufügen:

»Fürst Dolgorukij?«

Und jedesmal mußte ich all diesen müßigen Fragern antworten:

»Nein, einfach Dolgorukij.«

Dieses einfach brachte mich schließlich beinahe um den Verstand. Ich bemerke dabei als Kuriosität, daß ich mich an keine einzige Ausnahme erinnere: alle stellten sie jene Frage. Manchen war die Sache offenbar ganz egal, und ich weiß auch in der Tat nicht, was für ein Interesse jemand daran haben konnte. Aber alle fragten sie so, alle ohne Ausnahme. Und wenn der Frager dann gehört hatte, daß ich einfach Dolgorukij sei, maß er mich gewöhnlich mit einem stumpfen, gleichgültigen Blick, welcher bekundete, daß er selbst nicht wußte, warum er gefragt hatte, und ging weg. Am beleidigendsten waren derartige Fragen von seiten der Schulkameraden. Denn wie geht es dabei zu, wenn ein Schüler einen Neuen befragt? Der ängstliche, verlegene Neue ist am ersten Tag seines Eintritts in die Schule (was für eine es auch sein mag) das allgemeine Opfer: man befiehlt ihm dies und jenes, hänselt ihn und behandelt ihn wie einen Bedienten. Da stellt sich so ein gesunder, wohlgenährter Bengel gerade vor sein Opfer hin und mustert dieses eine Weile mit strengem, hochmütigem Blick. Der Neue steht schweigend vor ihm da, sieht ihn, wenn er nicht feige ist, von der Seite an und wartet, was da kommen wird.

»Wie heißt du mit Familiennamen?«

»Dolgorukij.«

»Fürst Dolgorukij?«

»Nein, einfach Dolgorukij.«

»Soso, einfach Dolgorukij! Du Schafskopf!«

Und er hat recht: es kann nichts Dümmeres geben, als Dolgorukij zu heißen, ohne Fürst zu sein. Diese Dummheit schleppe ich ohne Schuld mit mir herum. In späterer Zeit, als ich schon anfing, mich sehr darüber zu ärgern, gab ich auf die Frage: »Bist du Fürst?« immer zur Antwort: »Nein, ich bin der Sohn eines Gutsknechts, eines ehemaligen Leibeigenen.«

Und später, als meine Wut schon den höchsten Grad erreicht hatte, antwortete ich auf die Frage: »Sind Sie Fürst?« in festem Ton: »Nein, einfach Dolgorukij, der illegitime Sohn meines ehemaligen Gutsherrn, des Herrn Wersilow.«

Ich hatte mir diese Antwort schon in der sechsten Klasse des Gymnasiums ausgedacht, und obwohl ich bald zu der festen Überzeugung gelangte, daß sie dumm war, hörte ich doch nicht gleich damit auf. Ich erinnere mich, daß ein Lehrer - übrigens war er der einzige - fand, ich sei »von rachsüchtigen, freiheitlichen Ideen erfüllt«. Im allgemeinen aber wurde diese schroffe Antwort mit einer für mich beleidigenden Nachdenklichkeit aufgenommen. Schließlich sagte ein mit einer besonders scharfen Zunge begabter Mitschüler, mit dem ich etwa nur einmal im Jahr ein Gespräch führte, zu mir mit erregter Miene, aber ein wenig zur Seite blickend:

»Solche Gefühle machen Ihnen natürlich Ehre, und Sie haben ohne Zweifel allen Grund, darauf stolz zu sein; aber an Ihrer Stelle würde ich mich doch meiner illegitimen Herkunft nicht zu sehr rühmen... aber Sie setzen dabei ja geradezu ein Gesicht auf, als ob Sie Namenstag feierten!«

Seitdem hörte ich auf, mich dessen zu rühmen, daß ich illegitim bin.

Ich wiederhole: es ist sehr schwer, russisch zu schreiben: da habe ich nun ganze drei Seiten darüber vollgeschrieben, wie ich mich lebenslänglich über meinen Familiennamen geärgert habe, und dabei ist der Leser sicherlich, schon zu der Schlußfolgerung gelangt, ich sei eben darüber ärgerlich, daß ich kein Fürst, sondern einfach Dolgorukij bin. Mich darüber noch einmal zu äußern und mich zu rechtfertigen, würde unter meiner Würde sein.

IV

Unter diesem zahlreichen Gutsgesinde also war auch ein Mädchen, und dieses war eben achtzehn Jahre alt, als der fünfzigjährige Makar Dolgorukij auf einmal die Absicht aussprach, es zu heiraten. Ehen des Gutsgesindes wurden zur Zeit der Leibeigenschaft bekanntlich nur mit Erlaubnis der Herrschaft geschlossen und manchmal geradezu auf Anordnung derselben. In der Nähe des Gutes wohnte damals die Tante; das heißt, sie war nicht meine Tante, sondern selbst Gutsbesitzerin; aber ich weiß nicht, warum – nicht nur ich, alle nannten sie lebenslänglich die Tante, ganz allgemein die Tante, und so wurde sie auch in der Familie Wersilow genannt; mit der sie in Wirklichkeit kaum verwandt war. Es war dies Tatjana Pawlowna Prutkowa. Damals besaß sie noch selbst in jenem Gouvernement und Kreis fünfunddreißig Seelen. Sie verwaltete nicht eigentlich das etwa fünfhundert Seelen umfassende Gut Wersilows, sondern führte nur als Nachbarin die Aufsicht, und diese Aufsicht war, wie ich gehört habe, nicht schlechter als die eines gelernten Verwalters. Übrigens gehen mich ihre geschäftlichen Kenntnisse hier nichts an; ich will nur hinzufügen – und ich weise dabei jeden Gedanken an Schmeichelei und Gunstbuhlerei zurück –, daß diese Tatjana Pawlowna ein edeldenkendes und sogar ein originelles Wesen war.

Und gerade sie stand den Heiratsabsichten des finsteren Makar Dolgorukij (er soll damals ein finsteres Wesen gehabt haben) nicht nur nicht entgegen, sondern redete ihm vielmehr dabei aus irgendeinem Grund noch außerordentlich zu. Sofja Andrejewna (die achtzehnjährige Gutsmagd, also meine Mutter) war schon seit einigen Jahren elternlos; ihr verstorbener Vater, ebenfalls Gutsknecht, welcher Makar Dolgorukij sehr hochschätzte und ihm irgendwie zu Dank verpflichtet war, hatte, wie man erzählte, sechs Jahre vorher auf seinem Totenbett, eine Viertelstunde vor seinem letzten Atemzug, so daß man es nötigenfalls als Irrereden hätte auffassen können, wenn er nicht ohnedies als Leibeigener rechtsunfähig gewesen wäre, Makar Dolgorukij zu sich rufen lassen und vor dem ganzen Gesinde und in Gegenwart des Geistlichen, indem er auf seine Tochter wies, laut und in eindringlichem Ton zu ihm gesagt: »Zieh sie auf und heirate sie!« Das hatten alle gehört. Was Makar Iwanow anlangt, so weiß ich nicht, in welcher Gesinnung er sie später heiratete, das heißt, ob mit großem Vergnügen oder nur, um damit eine Pflicht zu erfüllen. Das wahrscheinlichste ist, daß er den Eindruck völliger Gleichgültigkeit machte. Er war ein Mensch, der es schon damals verstand, sich zu »präsentieren«. Nicht, daß er ein großer Bibelkenner oder besonders belesen gewesen wäre (obgleich er die ganze Ordnung des Gottesdienstes auswendig kannte und namentlich mit den Lebensbeschreibungen mehrerer Heiligen Bescheid wußte, allerdings mehr vom Hörensagen); auch nicht, daß er so eine Art Klugschwätzer unter dem Gesinde gewesen wäre, sondern er legte, einfach eine große Hartnäckigkeit, manchmal sogar Wagemut an den Tag, redete mit Selbstbewußtsein, nahm sein Urteil nie zurück und führte schließlich »einen achtungsvollen Lebenswandel«, wie er sich selbst wunderlicherweise ausdrückte. Von der Art war damals sein Wesen. Natürlich hatte »er sich allgemeine Achtung erworben, aber doch konnte ihn, wie gesagt wird, niemand leiden. Das änderte sich, als er von dem Gesinde weggegangen war: nun erinnerte man sich seiner wie eines Heiligen, der viel zu leiden gehabt hatte. Das ist mir zuverlässig bekannt.

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