Als die Schlange an der Reaktion des Jungen spürte, dass sein Erguss kurz bevorstand, nahm er die Plastikdose, öffnete den Deckel und hielt den Behälter vor den zuckenden Penis. Einige weitere Wichsbewegungen genügten, und der Wehrlose erreichte seinen Höhepunkt. Das Sperma schoss in den Becher, den Karakil anschließend fest verschloss.
Er schob die gefüllte Plastikdose und die Sprühflasche zurück in die Jackentasche. Kurz ertastete er die weiteren Gegenstände, die er hier verstaut hatte: Ein Skalpell Messer und eine Flasche mit Aceton.
Alles war bereit. Die Zeit lief, aber es würde noch funktionieren. Er blickte auf den wehrlosen Jungen herab.
„Wenn du auch nur ein Wort von unserer heutigen Begegnung erzählst, dann komme ich zurück und schneide dir den Schwanz ab. Hast du das begriffen?“
Nicu starrte ihn an, konnte unverändert nicht sprechen.
„Verstanden, Schwuchtel?“, fauchte Karakil, lachte jedoch, da er genau wusste, dass der Junge nicht antworten konnte.
„Ich nehme an, du hältst dich daran“, sagte er streng und verließ die Männertoilette.
Er ging durch den Clubraum, verabschiedete sich vom Barkeeper, und betrat die Straße. Erneut blickte er auf seine Uhr. Kurz nach zehn. Er musste sich beeilen, dachte daran, ein Taxi zu nehmen, aber die Straße schien von Fahrzeugen leer; tatsächlich war er das einzige Lebewesen, soweit er im Nebel sehen konnte. Aber er wusste, wie er zu gehen hatte.
Er trabte durch die Strada Caimatei, bog links ab und erreichte kurz darauf die Strada Săgeții. Noch immer hatte er niemanden gesehen – keine Autos, keine Leute. Er folgte der Straße in östlicher Richtung.
Die nächsten Minuten begegneten ihm nur zwei Passanten. Einer war ein Betrunkener, der sich an einer grauen Hauswand aufrecht hielt. Die andere war eine unförmige Alte, die bewegungslos in der Mitte des Gehsteigs stand und sich auf einen Stock stützte. Sie starrte ihn an, als er näherkam und vorbeiging. Noch zwanzig Meter weiter fühlte er ihre Augen auf sich ruhen, als wollten sie Löcher in seinen Rücken brennen. Er überlegte kurz zurück zu gehen, um der Alten die Kehle aufzuschlitzen. Leider fehlte dafür die Zeit.
Er bog nach links in die Strada Popa Rusu ein. Es war mittlerweile zwanzig Minuten nach zehn. Verdammt spät. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, dann würden sie den Laden schließen und er konnte sehen, wie er in das Gebäude kam.
Einen Augenblick später sah er es. Aus der nächsten Seitenstraße rechts glommen in roter Neonschrift die unverkennbaren Worte durch den Nebel:
LABUSCA-BESTATTUNGEN-AUFBAHRUNGEN
Karakil blieb stehen. Er hatte nicht vor, die Aufbahrungsräume zu besuchen, aber wahrscheinlich würde er hier finden, was er suchte. Er beschloss einen Versuch zu machen, musste wissen, ob sein Opfer bereits eingetroffen war.
Er schlug seinen Jackenkragen herunter, um sein Aussehen annehmbarer zu machen. Aus dem gleichen Grund kämmte er sein Haar und wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch sauber. Dann überquerte er die Straße, sah Licht im Inneren des Bestattungsinstituts und ging kurzentschlossen hinein.
Ein weicher roter Auslegeteppich, gedämpfte Beleuchtung, der überwältigende Duft von Blumen und leise Orgelmusik – dass waren seine ersten Sinneseindrücke. Nachdem er den kleinen Vorraum durchschritten hatte, befand er sich in einem Korridor, von dem mehrere Räume abgingen, die statt Türen Samtvorhänge hatten und mit Schildern markiert waren. Die Schilder bestanden aus durchsichtigem Plexiglas und hatten einen Schlitz an der Seite, in den eine Karte mit dem kunstvoll verschnörkelten Namen des jeweiligen Verblichenen geschoben werden konnte, der hinter dem Vorhang in Plüsch und Satin ruhte.
„Darf ich Ihnen behilflich sein?“
Karakil hatte nicht bemerkt, dass er schon am hinteren Ende des Durchgangs war, als er die Stimme hörte. Es war eine Stimme, die ihrer Umgebung völlig angepasst schien, und als er sich zur Seite wandte, sah er, dass auch der Sprecher in seine Welt passte.
Er war über einen Meter achtzig groß und dabei so mager, wie man es von einem Beerdigungsunternehmer erwartet. Dünn und knochig waren auch die langen Finger seiner Hände, die er vor sich verschränkt hatte, zweifellos in dem Bestreben, eine andächtige, dem Gebet zugeneigte Grundhaltung zu suggerieren. Aus seinem mageren Gesicht ragte eine lange krumme Nase, deren Spitze die Ebene des schmallippigen Mundes fast erreichte. Unter farblos-spärlichem Haar und ebensolchen Brauen lagen glanzlose Augen tief in ihren Höhlen. Hätte er nicht vor ihm gestanden und so unübersehbar auf eine Antwort auf seine Frage gewartet, hätte Karakil ihn für einen Leichnam gehalten.
„Ich fragte, ob ich Ihnen behilflich sein kann“, sagte der Mann.
„Äh, ja. Es ist Herr Cabulea“, antwortete die Schlange.
Der Name Cabulea stand auf dem Schild neben dem vorletzten Eingang links.
„Sind Sie ein Verwandter oder ein Freund der Familie?“
„Ich bin ... äh, ich war mit Herrn Cabulea befreundet, dem Verstorbenen.“
„Ausgezeichnet. Würden Sie bitte mit mir kommen? Die Familie ist gerade um ihren lieben Toten versammelt.“
Damit drehte er um und schritt auf den Vorhang neben dem Schild zu. Er zog den Vorhang zurück, schenkte Karakil ein wohlwollendes Lächeln und machte eine leichte Verbeugung in die Richtung des offenen Sargs, der inmitten von Blumenarrangements und brennenden Kerzen an der Rückwand des kleinen Raumes stand.
Karakil hatte keine Wahl. Er trat ein, ging auf den verstorbenen Herrn Cabulea zu, der ihn eigentlich genauso wenig interessierte, wie ein Sack Hafer in China.
Natürlich hatte er die drei Frauen und das pickelgesichtige halbwüchsige Mädchen gesehen, die rechts neben dem Sarg an der Wand standen. Nun kam die größte und dickste dieser Frauen ihm entgegen, ein weinerliches Lächeln im Gesicht.
„Wie nett, dass Sie gekommen sind. Ich glaube nicht, dass ich Sie kenne, denn mein verstorbener Mann hatte keine Freunde.“
„Ich kannte ihn nur wenig, habe ihn im Queens Club getroffen, als er einem Studenten auf der Herrentoilette den Schwanz gelutscht hat. Ihr Mann war ein super Bläser.“
„Äh. Bläser?“
„Sie sollten mit Ihrer Tochter darüber sprechen, die sicher auch eine prima Bläserin ist.“
„Meine Tochter spielt kein Instrument!“, sagte die Frau energisch und wandte sich ab.
Jetzt musste er seine Rolle weiterspielen. Also begab er sich zum Sarg und betrachtete den Toten. Der Mann war blass und etwa fünfzig Jahre alt geworden.
Nachdem er eine Minute neben dem Toten ausgehaart hatte, wandte er sich vom Sarg ab und zum Eingang. Die Sache würde nicht einfach sein. Ganz und gar nicht.
Er blickte unauffällig auf seine Uhr. Es war bereits kurz vor elf Uhr. Er brauchte dringend ein Versteck. Als er aufatmend aus dem Raum trat, fand er den Korridor leer vor. Vielleicht konnte er sich in einem der anderen Abteile verbergen.
Aber eine kurze Inspektion zeigte, dass in den drei Räumen Besucher waren, während drei weitere leer und stockdunkel vor ihm lagen. Er beschloss, es in einem der leeren Räume zu versuchen. Dann schlüpfte er mit pochendem Herzen in den nächstbesten und verbarg sich in den weiten Falten des zurückgezogenen Vorhangs. Gerade noch rechtzeitig, denn gegenüber von seinem Versteck, auf der anderen Seite des Korridors, hatte sich eine Türe langsam geöffnet, und nun waren mindestens zwei Leute im Korridor, obwohl nur einer von ihnen sprach. Es war die weiche, dumpfe Stimme des langen, ausgemergelten Bestattungsunternehmers. Die Person, zu der er sprach, ließ außer einem tiefen Grunzen nichts hören.
Schritte näherten sich seinem Versteck. Es gab ein kaum hörbares Klicken, und zwei Leuchtstoffröhren an der Decke flackerten auf, badeten den Raum in helles Licht. Jemand ging an seinem Versteck vorbei in den Raum. Der Schritt war ungleichmäßig und schleifend, wie wenn der Betreffende ein Bein nachzöge.
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