Fjodor Dostojewski - Verbrechen und Strafe
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Der Kriminalroman «Verbrechen und Strafe» von Fjodor Dostojewski wurde kurz nach seinem Erscheinen 1866 ein Besteller und in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Schwerlich konnte jemand tiefer sinken und mehr verkommen; aber Raskolnikow empfand dies in seinem jetzigen Gemütszustande sogar als angenehm. Er hatte sich von allen Menschen völlig zurückgezogen, wie eine Schildkröte in ihre Schale, und selbst das Gesicht der Magd, die die Aufwartung zu besorgen hatte und manchmal einen Blick in sein Zimmer warf, erregte ihm die Galle und reizte ihn zu Krämpfen. Es ist das eine häufige Erscheinung bei Leuten, die an einer bestimmten fixen Idee leiden und ihre Gedanken immer nur auf diesen einen Punkt richten. Seine Wirtin hatte schon vor zwei Wochen aufgehört, ihm Essen zu verabfolgen; aber er hatte noch gar nicht daran gedacht, hinzugehen und sich mit ihr darüber auseinanderzusetzen, obwohl er seitdem eben kein Mittagbrot hatte. Nastasja, die Köchin und einzige Magd der Wirtin, war in gewisser Hinsicht mit dieser Stimmung des Mieters ganz zufrieden; sie hatte nämlich vollständig aufgehört, bei ihm aufzuräumen und auszufegen, und nur so etwa einmal wöchentlich, wenn es sich gerade traf, griff sie nach dem Besen. Sie war es auch, die ihn jetzt weckte.
„Steh auf! Was schläfst du denn noch?“ rief sie, neben ihm stehend. „Es ist schon neun durch. Ich habe dir Tee gebracht; willst du ein bisschen Tee trinken? Du bist wohl schon ganz verhungert?“
Raskolnikow öffnete die Augen, fuhr zusammen und erkannte Nastasja.
„Den Tee schickt mir wohl die Wirtin?“ fragte er und richtete sich langsam und mit schmerzlichem Gesichtsausdrucke auf dem Sofa auf.
„Die Wirtin wird dir gerade Tee schicken!“
Sie stellte ihre eigene Teekanne, die einen großen Sprung hatte, mit einem zweiten Aufguss vor ihn hin und legte zwei Stückchen gelben Zuckers dazu.
„Hier, Nastasja“, sagte er, nachdem er in seiner Tasche gesucht und ein Häufchen Kupfermünzen hervorgeholt hatte (er hatte in seinen Kleidern geschlafen), „nimm das und geh und kaufe mir Semmeln. Und bringe auch vom Fleischer ein Stückchen Wurst mit, billige.“
„Semmeln will ich dir gleich holen, aber willst du nicht statt der Wurst lieber Kohlsuppe? Sehr gute Kohlsuppe, von gestern. Ich hatte schon gestern welche für dich beiseitegestellt, aber du kamst erst so spät nach Hause. Sehr gute Kohlsuppe!“
Als sie die Kohlsuppe gebracht hatte und er zu essen begann, setzte sich Nastasja neben ihn auf das Sofa und fing an zu plaudern. Sie war vom Lande und sehr redselig.
„Praskowja Pawlowna will dich bei der Polizei verklagen“, sagte sie.
Er zog das Gesicht finster zusammen.
„Bei der Polizei? Warum denn?“
„Du bezahlst nicht und ziehst auch nicht aus. Ist doch klar.“
›Zum Teufel, das hat gerade noch gefehlt!‹ murmelte er zähneknirschend. ›Nein, das ist mir jetzt … sehr ungelegen.‹ – „So ein dummes Frauenzimmer“, fügte er laut hinzu. „Ich werde heute mal zu ihr hingehen und mit ihr sprechen.“
„Dumm mag sie schon sein, gerade so wie ich; aber du bist doch nun so ein kluger Mensch und liegst immer da wie ein Sack, und man sieht nicht, dass du etwas schaffst. Früher gingst du Kinder unterrichten, wie du sagst; warum tust du denn jetzt gar nichts?“
„Ich tue doch etwas …“, erwiderte Raskolnikow missmutig und finster.
„Na, was denn?“
„Ich habe eine Arbeit vor.“
„Was denn für eine Arbeit?“
„Ich denke“, antwortete er nach einer kurzen Pause ernst.
Nastasja wälzte sich ordentlich vor Lachen. Sie war sehr lachlustig, und wenn sie einmal ins Lachen kam, so lachte sie lautlos, mit dem ganzen Körper sich schüttelnd und schaukelnd, bis sie nicht mehr konnte.
„Du hast dir wohl schon viel Geld verdient mit dem Denken?“ vermochte sie endlich herauszubringen.
„Wenn man keine Stiefel hat, kann man keine Stunden geben. Übrigens pfeife ich darauf.“
„Die Leute sagen: Spuck nicht in den Brunnen, aus dem du trinken musst.“
„Für solche Privatstunden bekommt man einen Quark. Was soll ich mit so ein paar Kopeken?“ fuhr er verdrossen fort, wie wenn er seine eigenen Gedanken beantwortete.
„Du möchtest wohl gleich mit einem Male ein ganzes Kapital verdienen?“
Er warf ihr einen seltsamen Blick zu.
„Ja, ein ganzes Kapital“, erwiderte er nach kurzem Überlegen entschieden.
„Na, mach's nur lieber so ganz allmählich, sonst muss man sich ja vor dir fürchten. Das klingt ja ganz schrecklich. Soll ich nun Semmeln holen oder nicht?“
„Wie du willst.“
„Ja, das hatte ich ganz vergessen: während du gestern fort warst, ist ein Brief für dich angekommen.“
„Ein Brief? An mich? Von wem?“
„Von wem, weiß ich nicht. Ich habe dem Briefträger drei Kopeken von meinem Gelde gegeben. Die gibst du mir doch wieder, nicht wahr?“
„So hole mir doch den Brief, um Gottes willen, hol ihn her!“ rief Raskolnikow in größter Aufregung. „O Gott!“
Einen Augenblick darauf war der Brief zur Stelle. Wirklich: von seiner Mutter, aus dem Gouvernement R…! Er wurde blass, als er ihn in Empfang nahm. Schon seit langer Zeit hatte er keinen Brief erhalten; aber jetzt machte ihm plötzlich noch etwas anderes das Herz beklommen.
„Bitte, geh hinaus, Nastasja! Da sind deine drei Kopeken; nur geh recht schnell hinaus, ich bitte dich dringend“
Der Brief zitterte ihm in den Händen; er wollte ihn nicht in ihrer Gegenwart aufmachen; es verlangte ihn, mit diesem Briefe allein zu sein. Sobald Nastasja hinausgegangen war, führte er ihn schnell an seine Lippen und küsste ihn; dann betrachtete er noch lange die Handschrift der Adresse, die ihm so wohlbekannte und liebe, feine, schräge Handschrift seiner Mutter, seiner Mutter, die ihn einst lesen und schreiben gelehrt hatte. Er zauderte; es war sogar, wie wenn er sich vor etwas fürchtete. Endlich öffnete er ihn; es war ein großer, dicker Brief von zwei Lot; zwei große Briefbogen waren mit kleiner Schrift ganz vollgeschrieben.
„Mein lieber Rodja“, schrieb die Mutter, „es sind schon mehr als zwei Monate, dass ich mich nicht brieflich mit Dir unterhalten habe; das ist mir selbst sehr schmerzlich gewesen, und ich habe sogar manche Nacht vor allerlei Gedanken nicht geschlafen. Du wirst mir aber gewiss wegen dieses meines unfreiwilligen Schweigens nicht böse sein. Du weißt ja, wie ich Dich liebe; Du bist mir und Dunja unser ein und alles, unsere ganze Hoffnung, unsere Zuversicht. Wie war mir zumute, als ich erfuhr, dass Du schon seit einigen Monaten aus Mangel an Existenzmitteln die Universität verlassen hast und dass Deine Privatstunden und sonstigen Erwerbsquellen aufgehört haben! Wie konnte ich Dir mit meinen hundertundzwanzig Rubeln jährlicher Pension helfen? Die fünfzehn Rubel, die ich Dir vor vier Monaten schickte, hatte ich, wie Du ja selbst weißt, mir auf ebendiese Pension von unserm hiesigen Kaufmann Afanassij Iwanowitsch Wachruschin geliehen. Er ist ein guter Mensch und war noch ein Freund Deines Vaters. Aber da ich ihn ermächtigt hatte, die Pension an meiner Statt zu erheben, so mußte ich warten, bis die Schuld bezahlt war; und das ist jetzt eben erst geschehen, so daß ich Dir diese ganze Zeit über nichts schicken konnte. Jetzt aber, Gott sei Dank, werde ich Dir wohl wieder etwas schicken können, und überhaupt können wir uns jetzt sogar einer besonderen Gunst des Glückes rühmen, und davon beeile ich mich Dir Mitteilung zu machen. Erstens nun denke Dir einmal, lieber Rodja, daß Deine Schwester schon seit anderthalb Monaten bei mir wohnt und wir uns auch künftig nicht voneinander trennen werden. Gott sei dank, ihre Martern sind jetzt zu Ende; aber ich will Dir alles der Reihe nach erzählen, damit Du erfährst, wie alles zugegangen ist und was wir Dir bisher verheimlicht haben. Als Du mir vor zwei Monaten schriebst, du hättest von jemand gehört, daß Dunja in dem Swidrigailowschen Hause sehr unter grober Behandlung zu leiden habe, und mich um genauere Aufklärung darüber ersuchtest, was hätte ich Dir damals als Antwort schreiben können? Hätte ich Dir die ganze Wahrheit geschrieben, so hättest Du wohl gar alles im Stich gelassen und wärest, wenn's nicht anders gegangen wäre, selbst zu Fuß zu uns gekommen (denn ich kenne Deinen Charakter und Deine Gefühle) und hättest keine Beleidigung Deiner Schwester geduldet. Ich selbst war in Verzweiflung; aber was war zu tun? Auch ich selbst wußte damals noch nicht die volle Wahrheit. Die Hauptschwierigkeit lag darin, daß unsere Dunjetschka, als sie im vorigen Jahre als Gouvernante in dieses Haus gekommen war, sich einen Vorschuß von hundert Rubeln hatte geben lassen. der durch monatliche Abzüge vom Gehalte zurückgezahlt werden sollte, und somit vor Tilgung der Schuld die Stelle nicht verlassen konnte. Diese Summe aber (jetzt kann ich Dir alles offen mitteilen, mein lieber Rodja) hatte sie sich hauptsächlich dazu geben lassen, um Dir die sechzig Rubel zu schicken, die Du damals so notwendig brauchtest und denn auch von uns im vorigen Jahre erhieltest. Wir haben Dich damals getäuscht; wir schrieben Dir, dieses Geld stamme aus Ersparnissen, die Dunjetschka früher gemacht habe; aber dem war nicht so. Jetzt nun teile ich Dir die ganze Wahrheit mit, da sich jetzt nach Gottes Willen auf einmal alles zum Besseren gewendet hat, und damit Du siehst, wie Dunja Dich liebt und was für ein goldenes Herz sie hat. Es ist richtig, daß Herr Swidrigailow sie in der ersten Zeit sehr grob behandelte und sich bei Tische mancherlei Unhöflichkeiten und Spöttereien ihr gegenüber herausnahm … Aber ich will nicht auf all diese betrübenden Einzelheiten eingehen, um Dich nicht unnötigerweise aufzuregen, da all dies jetzt hinter uns liegt. Kurz, obwohl Marfa Petrowna, Herrn Swidrigailows Gattin, und alle übrigen Hausgenossen sich gegen Dunja sehr gut und freundlich benahmen, hatte diese es doch recht schwer, besonders wenn Herr Swidrigailow zufolge einer alten Gewohnheit, die er beim Regimente angenommen hat, sich unter der Einwirkung des Bacchus befand. Aber was stellte sich dann heraus? Denke Dir nur: dieser verrückte Mensch hatte schon lange eine Leidenschaft für Dunja gehegt, dies aber immer unter der Maske der Grobheit und Geringschätzung verborgen. Vielleicht hatte er sich auch selbst geschämt und einen Schreck darüber bekommen, daß er als schon älterer Mann und Familienvater sich mit solchen leichtfertigen Gedanken abgab, und hatte deswegen unwillkürlich einen Ingrimm gegen Dunja gehabt. Aber vielleicht hatte er auch durch die Grobheit seines Benehmens und durch seine Spöttereien lediglich anderen die Wahrheit verbergen wollen. Endlich jedoch konnte er sich nicht mehr beherrschen und wagte es, unserer Dunja unverblümt einen schändlichen Antrag zu machen, wobei er ihr alle möglichen Belohnungen versprach; ja, er erklärte sich sogar bereit, alles im Stiche zu lassen und mit ihr nach einem anderen Orte auf dem Lande oder, wenn sie das wolle, auch ins Ausland zu fahren. Du kannst Dir vorstellen, wie sie dabei litt! Daß sie sofort ihre Stelle aufgab, ging nicht an, nicht nur wegen der Geldsumme, die sie noch schuldig war, sondern auch aus schonender Rücksicht auf Marfa Petrowna, die daraus sogleich hätte Verdacht schöpfen können; so wäre dann arger Unfrieden in der Familie entstanden. Und auch für Dunja wäre es dabei zu einem großen Skandal gekommen; ohne das wäre es sicherlich nicht abgegangen. Es sprachen auch noch manche anderen Gründe mit, so daß Dunja nicht darauf rechnen konnte, aus diesem schrecklichen Hause früher als in sechs Wochen wegzukommen. Du kennst ja doch Dunja und weißt, wie klug und charakterfest sie ist. Dunjetschka kann vieles ertragen und besitzt selbst in der schlimmsten Lage eine solche Seelengröße, daß sie nicht haltlos wird. Sie hat nicht einmal mir von allem Mitteilung gemacht, um mich nicht aufzuregen, und wir standen doch in häufigem Briefwechsel. Die Sache fand jedoch eine unerwartete Lösung. Marfa Petrowna überraschte einmal zufällig ihren Mann, als dieser im Garten Dunjetschka anflehte, und da sie die Lage völlig verkehrt auffaßte, schrieb sie ihr die Schuld an allem zu, in der Meinung, sie habe das alles herbeigeführt. Es kam zwischen ihnen gleich dort im Garten zu einer furchtbaren Szene: Marfa Petrowna schlug Dunja sogar, wollte kein Wort der Erwiderung hören, vollführte aber selbst eine ganze Stunde lang ein großes Geschrei und schickte mir schließlich Dunja sofort nach der Stadt zurück, auf einem gewöhnlichen Bauernwagen, auf den alle ihre Sachen, Wäsche, Kleider, bunt durcheinander, lose und uneingepackt heraufgeworfen wurden. Und nun brach noch ein heftiger Platzregen los, und Dunja, beleidigt und beschimpft, mußte mit einem Knechte die ganzen siebzehn Werst in dem offenen Wagen fahren. Nun sage selbst; was hätte ich Dir als Antwort auf Deinen Brief, den ich vor zwei Monaten erhielt, hierüber schreiben können, und worüber hätte ich sonst schreiben können? Ich selbst war ganz verzweifelt; Dir die Wahrheit zu schreiben, das wagte ich nicht; denn es hätte Dich unglücklich gemacht und Dich in Erbitterung und Empörung versetzt; und was hättest Du auch dabei tun können? Du hättest am Ende noch Dich selbst ins Verderben gestürzt. Übrigens hatte mir auch Dunjetschka verboten, davon zu schreiben. Und andrerseits: einen Brief mit allerlei gleichgültigem Zeuge vollschreiben, wo ich doch solchen Kummer im Herzen hatte, das konnte ich auch wieder nicht. Einen vollen Monat lang waren bei uns in der ganzen Stadt Klatschereien über diese Geschichte im Umlauf, und es war schon so weit gekommen, daß ich mit Dunja nicht einmal mehr in die Kirche gehen konnte vor den verächtlichen Blicken und dem Getuschel; ja, es wurde sogar in unsrer Gegenwart laut darüber gesprochen. Alle unsre Bekannten zogen sich von uns zurück; sie grüßten uns nicht einmal mehr, und ich erfuhr zuverlässig, daß einige Kommis und Kanzlisten vorhatten, uns durch Beschmieren unsrer Haustür mit Teer eine nichtswürdige Beleidigung zuzufügen, so daß unsre Wirtsleute schon verlangten, wir sollten ausziehen. An alledem war Marfa Petrowna schuld, die in allen Häusern gegen Dunja ehrenrührige Anklagen vorgebracht hatte. Sie ist hier mit allen Menschen bekannt und kam in diesem Monat alle Augenblicke in die Stadt gefahren, und da sie etwas schwatzlustig ist und gern von ihren Familienangelegenheiten redet, besonders gern aber bei allen und jedem über ihren Mann Klage führt (was doch etwas sehr Häßliches ist), so hatte sie in kurzer Zeit die Geschichte nicht nur in der Stadt, sondern auch im ganzen Kreise herumgebracht. Ich wurde ganz krank davon; aber Dunja war stärker als ich; Du hättest nur sehen sollen, wie sie alles ertrug und mich noch tröstete und ermutigte! Sie ist ein Engel! Aber Gottes Barmherzigkeit verkürzte unsre Qualen: Herr Swidrigailow kam auf bessere Gedanken und bereute sein früheres Verhalten, und wohl weil ihm Dunja leid tat, legte er seiner Frau einen unwiderleglichen, klaren Beweis für Dunjas völlige Schuldlosigkeit vor, nämlich einen Brief, den diese, noch bevor Marfa Petrowna sie beide im Garten überraschte, zu schreiben und ihm einzuhändigen sich genötigt gesehen hatte und in dem sie persönliche Aussprachen und geheime Zusammenkünfte, um die er dringend gebeten hatte, ablehnte; dieser Brief war nach Dunjas Abreise in Herrn Swidrigailows Händen geblieben. In dem Briefe hatte sie in der energischsten Weise und in höchster Entrüstung ihm namentlich wegen seines unwürdigen Benehmens seiner Frau gegenüber Vorwürfe gemacht, ihm vorgehalten, daß er Gatte und Vater sei, und schließlich, wie abscheulich es von ihm sei, ein so schon unglückliches, schutzloses Mädchen zu quälen und noch unglücklicher zu machen. Mit einem Worte, lieber Rodja, dieser Brief war so edel und rührend geschrieben, daß ich nur so geschluchzt habe, als ich ihn las, und ihn noch jetzt nicht ohne zu weinen lesen kann. Außerdem wurden zu Dunjas Rechtfertigung schließlich auch noch die Zeugenaussagen der Dienstboten bekannt, die von der Sache weit mehr gesehen und erfahren hatten, als Herr Swidrigailow selbst ahnte, wie das ja immer so geht. Marfa Petrowna war völlig perplex und, wie sie uns selbst gestand, ›zum zweiten Male tödlich überrascht‹; aber sie war nun von Dunjas Schuldlosigkeit völlig überzeugt, und gleich am andern Tage, es war ein Sonntag, fuhr sie geradeswegs nach dem Dom und flehte auf den Knien unter Tränen die Muttergottes an, sie möchte ihr Kraft verleihen, diese neue Prüfung zu ertragen und ihre Pflicht zu erfüllen. Darauf kam sie direkt aus der Kirche, ohne vorher sonst jemand besucht zu haben, zu uns gefahren, erzählte uns alles, weinte bitterlich, umarmte Dunja in aufrichtiger Reue und bat sie herzlich, ihr zu verzeihen. Noch an demselben Morgen ging sie, ohne zu zögern, gleich von uns in allen Häusern der Stadt umher und bezeugte überall in Ausdrücken, die für Dunjetschka höchst schmeichelhaft waren, unter Tränen deren Schuldlosigkeit, edle Gesinnung und anständiges Benehmen. Und damit noch nicht zufrieden, zeigte sie allen Dunjas eigenhändigen Brief an Herrn Swidrigailow, las ihn ihnen vor und gestattete sogar, Abschriften davon zu machen (was meines Erachtens denn doch des Guten zuviel war). Auf diese Art hatte sie mehrere Tage hintereinander bei allen Leuten in der Stadt Besuche zu machen, da manche sich gekränkt fühlten, weil sie hinter andern zurückgesetzt würden; es wurde daher eine bestimmte Reihenfolge festgesetzt, so daß sie in jedem Hause schon im voraus erwartet wurde und alle vorher wußten, daß an dem und dem Tage Marfa Petrowna in dem und dem Hause diesen Brief vorlesen werde, und zu jeder solchen Vorlesung sogar auch diejenigen wieder mit zusammenkamen, die den Brief bereits einige Male teils bei sich zu Hause, teils bei andern Bekannten, die an der Reihe gewesen waren, gehört hatten. Nach meiner Ansicht war hierbei vieles, sehr vieles überflüssig; aber das liegt nun einmal so in Marfa Petrownas Wesen. Jedenfalls hat sie Dunjetschkas Ehre vollständig wiederhergestellt, und die ganze abscheuliche Sache blieb nun als unauslöschlicher Schandfleck auf ihrem Manne als dem einzig Schuldigen haften, so daß er mir sogar leid tat; man ging mit diesem verdrehten Menschen gar zu streng ins Gericht. Dunja erhielt sofort aus mehreren Häusern die Aufforderung, dort Privatstunden zu geben; aber sie lehnte es ab. Überhaupt benahmen sich nun auf einmal alle Leute gegen sie außerordentlich respektvoll. Durch alle diese Vorgänge wurde auch das unerwartete Ereignis ganz wesentlich mit herbeigeführt, das jetzt, man kann wohl sagen, einen Umschwung in unserm ganzen Schicksal hervorruft. Wisse also, lieber Rodja, daß Dunja einen Heiratsantrag erhalten hat und daß sie bereits ihr Jawort gegeben hat, was ich mich beeile Dir mitzuteilen. Und obwohl die Sache ohne Deinen Beirat abgeschlossen ist, so wirst Du, wie ich hoffe, dies doch weder mir noch Deiner Schwester übelnehmen, da Du selbst aus dem Hergange ersehen wirst, daß es uns unmöglich war, zu warten und die Entscheidung bis zum Eintreffen eines Briefes von Dir hinauszuschieben. Auch hättest Du ohne persönliche Anwesenheit in der ganzen Angelegenheit kein sicheres Urteil haben können. Die Sache hat sich also folgendermaßen zugetragen. Er ist schon Hofrat, heißt Pjotr Petrowitsch Lushin und ist ein entfernter Verwandter von Marfa Petrowna, die bei seinem Entschlusse stark mitgewirkt hat. Er begann damit, daß er uns durch ihre Vermittlung seinen Wunsch ausdrückte, mit uns bekannt zu werden; er wurde empfangen, wie es sich schickt, trank bei uns Kaffee und schickte uns gleich am nächsten Tage einen Brief, in dem er in höflichster Form um Dunjas Hand anhielt und um eine baldige und bestimmte Antwort bat. Er ist ein sehr erfahrener, vielbeschäftigter Mann und hat es jetzt eilig, nach Petersburg zu reisen, da ihm jede Minute kostbar ist. Natürlich waren wir zuerst sehr überrascht, da dies alles so schnell und unerwartet gekommen war, und haben einen ganzen Tag lang überlegt und erwogen. Er ist ein solider Mann mit sicherem Auskommen, bekleidet zwei amtliche Stellungen und besitzt bereits eigenes Vermögen. Freilich ist er schon fünfundvierzig Jahre alt; aber er hat ein ganz angenehmes Äußeres und kann einer Frau noch recht wohl gefallen. Und überhaupt ist er ein sehr gesetzter, anständiger Mann, nur etwas mürrisch und, ich möchte fast meinen, hochmütig. Aber vielleicht scheint das auch nur so beim ersten Anblicke. Und so möchte ich denn auch Dich, lieber Rodja, im voraus bitten: wenn Du in Petersburg seine Bekanntschaft machst, was sehr bald der Fall wird, dann urteile nicht zu schnell und hitzig, wie das Deine Art ist, falls Dir auf den ersten Blick etwas an ihm nicht zusagen sollte. Ich sage das nur für den möglichen Fall, wiewohl ich überzeugt bin, daß er auf Dich einen angenehmen Eindruck machen wird. Überhaupt muß man, um irgendwen zutreffend zu beurteilen, ihm allmählich und vorsichtig nähertreten, um nicht in Irrtümer und vorgefaßte Meinungen zu verfallen, die sich später nur schwer berichtigen und ablegen lassen. Pjotr Petrowitsch ist, wenigstens nach vielen Anzeichen, ein sehr achtungswerter Mann. Gleich bei seinem ersten Besuche erklärte er uns, daß er auf dem Boden der Tatsachen stehe, in manchen Punkten aber, wie er sich selbst ausdrückte, ›die Anschauungen unsrer jüngeren Generation‹ teile, und daß er ein Feind aller Vorurteile sei. Er sprach auch sonst noch vielerlei; denn er scheint ein bißchen selbstgefällig zu sein und hat es sehr gern, wenn man ihm zuhört; aber das ist ja schließlich nichts Schlimmes. Ich habe selbstverständlich von alledem nur wenig begriffen; aber Dunja erklärte mir, er sei zwar kein hochgebildeter, wohl aber ein kluger und, wie es scheine, ein guter Mensch. Du kennst den Charakter Deiner Schwester, lieber Rodja. Sie besitzt viel Festigkeit, einen guten Verstand, ist geduldig und hochgesinnt; allerdings hat sie ein heißes Herz, das ich zur Genüge an ihr kennengelernt habe. Natürlich ist weder auf seiner noch auf ihrer Seite eine besondere Liebe vorhanden; aber Dunja ist nicht nur ein verständiges Mädchen, sondern zugleich auch ein Wesen von engelhafter Güte und wird es als ihre Pflicht und Aufgabe betrachten, einen Mann glücklich zu machen, wenn dieser auch seinerseits auf ihr Glück bedacht ist; und daß das letztere der Fall sein wird, daran haben wir vorläufig keinen eigentlichen Grund zu zweifeln, wiewohl, offen gestanden, die Sache ein bißchen schnell zum Abschluß gekommen ist. Außerdem ist er ein Mann, der wohl zu rechnen versteht und sich gewiß selbst sagen wird, daß sein eigenes Glück als Ehemann um so fester begründet sein wird, je glücklicher sich Dunjetschka durch ihn fühlt. Was aber einige Unebenheiten im Charakter, einige alte Gewohnheiten und sogar eine gewisse Disharmonie in den Anschauungen anlangt (wie dergleichen auch in den glücklichsten Ehen unvermeidlich ist), so hat mir in dieser Hinsicht Dunjetschka gesagt, sie könne sich auf sich selbst verlassen; es sei kein Grund vorhanden, sich darüber zu beunruhigen, und sie könne vieles ertragen, unter der Voraussetzung, daß in ihren wechselseitigen Beziehungen immer Ehrlichkeit und Gerechtigkeit herrsche. Er schien mir anfangs auch etwas schroff; aber das kann ja auch gerade daher kommen, weil er ein freimütiger, redlicher Mensch ist, und so wird es gewiß sein. Zum Beispiel bei seinem zweiten Besuche, als er schon das Jawort erhalten hatte, bemerkte er im Gespräche, er habe schon früher, noch ehe er Dunja gekannt habe, sich vorgenommen, ein ehrenhaftes Mädchen, aber ohne Mitgift, zu nehmen, und unbedingt eine solche, die schon die Armut aus eigener Erfahrung kenne; denn, wie er uns auseinandersetzte, der Mann müsse seiner Frau nichts zu verdanken haben; weit besser sei es, wenn die Frau den Mann als ihren Wohltäter betrachte. Ich muß hinzufügen, daß er sich etwas milder und freundlicher ausdrückte, als ich es hier geschrieben habe; denn ich habe den eigentlichen Wortlaut vergessen und erinnere mich nur noch an den Sinn, und überdies sagte er das ganz und gar nicht nach vorheriger Überlegung, sondern weil er beim Reden so in Zug gekommen war, im Eifer des Gespräches, so daß er sich sogar nachher bemühte, es zu korrigieren und abzuschwächen. Aber mir kam das doch ein wenig schroff vor, und ich äußerte nachher diese meine Empfindung Dunja gegenüber. Aber Dunja antwortete mir sogar ärgerlich: ›Worte sind noch keine Taten‹, und das ist gewiß richtig. Dunja hat die ganze Nacht, bevor sie sich dazu entschloß, schlaflos zugebracht; in dem Glauben, daß ich schon schliefe, stand sie vom Bette auf und ging die ganze Nacht über im Zimmer hin und her; zuletzt kniete sie vor dem Heiligenbilde nieder und betete lange und mit heißer Inbrunst; am Morgen erklärte sie mir dann, sie habe sich dazu entschlossen.
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