Michael Slave - Hall of Pain

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Sechs Kurzgeschichten
Instant Domina
Was es mittlerweile alles gibt. Ein Automat beim Bahnhof bietet jetzt Mini-Dominas an.
Es steckt jedoch viel mehr in dieser kleinen Figur.
Die Schneekönigin
In den dunkelsten Tagen des Jahres baue ich mir die perfekte Frau aus Schnee.
Sie wird meine Herrin und ich ihr Sklave.
Das Sklavenschiff
Im tosenden Sturm zerschellt das Schiff am Riff und die Sklaven werden an einen Strand gespült.
Sie landen auf der Insel ihrer Träume.
Der Sklavenmarkt
Ein Kleinkunstfestival, das als Gag gedacht ist.
Das sich jedoch anders entwickelt als erwartet.
Schatten des Grauens
Für Fußballfreund Hannes sollte es ein schöner Abend werden.
Als Martha mit einem Buch auftaucht, beginnt das Drama.
Die Buxe der Pandora
Bei einer Erotik-Hotline können Männer ihre Phantasie auszuleben und Frauen beim Bügeln etwas dazuverdienen.
Unschön wird es, wenn sich beide aus dem realen Leben kennen.

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Michael Slave

Hall of Pain

6 Kurzgeschichten

Impressum

© 2019 Michael Slave

Buchcover: Michael Slave

Auf Facebook:

http://facebook.de/MikeSlave

Instant Domina

Die Straßenschlucht war dunkel und schmutzig, ätzender Geruch brannte in meiner Nase, räudige Hunde hatten ihr Revier ebenso markiert wie Graffitischmierer die schäbigen Fassaden. Der Krieg um Ideologien wurde in diesem Viertel mit Farbe ausgefochten, linksradikales und rechtsextremes Gedankengut war verewigt wie die spontanen Gedanken, die selbsternannte Künstler der Welt mitteilen wollten. Die Hauswände glichen Grabsteinen, auf denen jeder seine Inschrift verewigt hatte und alle Straßenlaternen waren kaputtgeschlagen. Die Stadt hatte dieses Viertel aufgegeben und den düsteren Gestalten überlassen. Diese taten harmlos, als wollten sie nur vorbeigehen, doch im nächsten Moment fühlte man ein Messer am Hals.

Das Bahnhofsviertel konnte man kaum schön nennen. In der Nacht traute sich kein Polizist in das Viertel. Wer jetzt noch unterwegs war, der war auf sich allein gestellt. Das hatte seinen Reiz.

An einem Auto hatte jemand seine Wut ausgelassen. Außenspiegel waren abgerissen und die zertrümmerte Windschutzscheibe wies drei Risse auf, was auf Axthiebe deutete. Ich sann darüber nach, was denjenigen so in Rage versetzt hatte. War seine Sozialhilfe gestrichen worden? Hatte er eine Auseinandersetzung mit seiner Frau? Kannte er den Besitzer des Autos und der war ihm etwas schuldig? Der Streit um Geld löst häufig Aggressionen aus. Derjenige, der dieses Auto so zugerichtet hatte, könnte einfach nur sturzbetrunken gewesen sein oder war mit seinem Leben unzufrieden.

Ich querte den Bahnhofsvorplatz und ging auf den Automaten zu. Hier wurde etwas für den einsamen Nachtschwärmer geboten. Es gab alles von der Gleitcreme über die Taschenvagina bis zur Instant Domina. Ich stutzte. Alles andere kannte ich, doch so etwas hatte ich bisher nie gesehen. Eine Puppe. Einsam, in schwarzes Leder gekleidet, lag sie hinter der Scheibe wie Schneewittchen in ihrem Glassarg. Langes schwarzes Haar wallte über ihren Leib. Ich wusste nicht, warum, ich wollte sie haben. Ich warf eine Handvoll Münzen in den Automaten, zog die Schublade heraus und sie lag in meinen Händen. Sie war wunderschön.

Daheim legte ich sie sanft aus den Händen und betrachtete sie. War sie wirklich nur eine Puppe? Sie wurde umso schöner, je länger ich sie betrachtete. Das Haar reichte bis zu ihrer Hüfte. Die Lederkleidung war außergewöhnlich fein gearbeitet. An einer realen Person hätte mich dies nicht überrascht, doch sie war nun mal eine Puppe. Falls sie es überhaupt war. An ihrem Ledergewand hing ein Zettel, »Verwendung der Instant Domina«, begann der Text und beschrieb, wie man sie zum Leben erwecken könnte. Man sollte sie in die Mikrowelle legen, bei mittlerer Stufe einige Minuten warten und dann wäre sie sofort einsatzbereit. Unschlüssig, jedoch neugierig darauf, was passieren würde, folgte ich der Anweisung. Die Zeit überbrückte ich mit Dingen, die man in kurzer Zeit tun konnte und kehrte wieder in die Küche zurück. Was ich sah, ließ meinen Herzschlag kurz aussetzen.

»Wie ist dein Name?« Wie eine Engelsgestalt stand sie vor mir. Ich betrachtete ihr helles Gesicht, das pechschwarze Haar, mein Blick wanderte das enge Korsett herab, Verschnürung um Verschnürung bis zum Lederkostüm und zu ihren Stiefeln. Sie trug goldene Absätze. Göttlich. »Starre mich nicht an! Sag deinen Namen!«

»Marcel. Ich heiße Marcel.«

»Nimm deinen Blick von mir, Marcel, ich ertrage es nicht! Knie vor mir und zeige den Respekt, den du einer Dame schuldest.«

Ich folgte ihrer Aufforderung und fragte mich, wie sie in meine Küche gekommen war? Es war doch nur eine Puppe …

»Deine Stirn soll den Boden berühren. Sonst bist du meiner nicht würdig.«

Ich senkte meinen Kopf ganz hinab. Um meine Demut zu beweisen, legte ich mich flach auf den Boden, so wie es ein Ministrant bei seiner Priesterweihe tat.

»Nun erhebe dich und füge dich meinen Befehlen. Stehe auf, tue dies mit gesenktem Haupt und starre mich nicht an!«

Mein Blick wanderte zur Mikrowelle. Das Türchen war geöffnet, ich fragte mich, wie sie dort ausgestiegen war. Die Puppe. Wie sie zur Menschengestalt werden konnte, war mir ein Rätsel.

»Marcel! Du bist nun mein Sklave!« Die Stimme meiner Herrscherin konnte mir nun alles befehlen, ich würde folgen. »Hörst du, mein Sklave? Wirst du fortan alles tun, was ich von dir fordere?«

»Ja, Herrin«, antwortete ich kurz.

Sie streckte ihren Arm aus und umklammerte mein Kinn, scharfe Nägel gruben sich in meine Haut. »Niemals verzeiht eine Herrin einem Sklaven Müßiggang. Folgsamkeit bei Fuße ist unabdingbar, dem Sklaven ist Eitelkeit nicht gestattet und er wird für jede Tat, die seiner Herrin nicht gefällt, mit aller Härte bestraft. Es gefällt seiner Herrin gar nicht, wie er vor ihr steht.«

»Vergebt mir, Herrin und straft mich nach Belieben. Was soll ich für euch tun?« Ich war nicht sicher, ob ich sie ansehen durfte und senkte meinen Blick.

»Eile fort und bringe ein Seil, damit ich dich fesseln und deiner ersten Bestrafung zuführen kann.«

Ich verließ die Küche und war unschlüssig. Fesseln besaß ich nicht. Panzerband oder Kabelbinder würden sie kaum ersetzen. Einbrecher würden sich damit zwar begnügen, eine Dame jedoch nicht. Ich erinnerte mich an ein Erlebnis, das ich beim Klettern verspürt hatte, als ich einst im Seil hing, die Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte und meinem Partner auf Leben und Tod ausgeliefert war. Hilflos zu sein und dem Tod direkt ins Auge zu blicken war ein unbeschreibliches Gefühl. Dies würde es tun. Mit den Seilen meiner Kletterausrüstung kehrte ich zurück, legte sie meiner Herrin zu Füßen und fiel auf meine Knie.

»Okay.« Ihre Stimme war wunderbar. »Armseliger, widerlicher Nichtsnutz! Wir müssen nun etwas vereinbaren, bevor die Spiele beginnen.«

»Ja, Herrin?«

»Dein Safeword!« Ich wünschte, ich könnte ihre Stimme bis ans Ende meines Lebens hören und sie würde mich nach meinem Tod ins Jenseits begleiten. »Sprichst du das Wort, es mögen auch zwei sein, werde ich sofort von dir ablassen.«

»Töte mich!«

»Dies ist dein Safeword?« Ich nickte zur Bestätigung und berührte mit meiner Stirn den Boden, um meine Ergebenheit zu beweisen. »So sei es. Sprichst du Töte mich, dann bist du sofort frei.«

Es ging los. Den Engel in Schwarz wagte ich noch kurz anzublicken, da wurde mein Blick verhüllt und ich fühlte nur noch. Sie befahl mir, mich aufzurichten und die Hände zu erheben. Ein Seil wickelte sich um meine Arme. Das zog mich etwas in die Höhe, meine Füße verließen den Boden und ich fühlte, als schwebte ich. Nun schlang sich etwas um meine Beine, um meinen Leib, es nahm mich in den Würgegriff wie eine Schlange. War diese Instant Domina gar eine Anaconda, die mich umschlang und würgte? Würde sie mich mit Haut und Haar verschlingen? Dieser Gedanke kam spät, viel zu spät. Da hörte ich ihre Engelsstimme.

»Sklave!«

»Ja, Herrin?«

»Jetzt folgt deine Bestrafung. Bist du bereit dafür?«

»Ja! Bestrafe mich, Herrin, ich bin deiner nicht würdig.«

Eine Schlinge legte sich um meinen Hals, schnürte meine Kehle zu. Etwas zerrte an meinen Füßen und ich fühle eine Kraft, die meine Hände nach oben zog, ich verspürte Atemnot und solchen Schmerz, als wollte mich etwas auseinanderreißen. Ich war in einem Spinnennetz gefangen, wie ein Insekt, das in seinen letzten Zuckungen lag, das sich zu befreien versuchte und sich mit seinen Bewegungen nur umso mehr verfing. Das Netz, in dem ich gefangen war, es war zu stark, die Spinne zu groß, die Schlange zu mächtig und mein Körper zu schwach. Ich tat meinen letzten Atemzug. Dies war mein Ende. Das Wesen, engelsgleich und wunderschön, und doch übermächtig stark, ich war sein Opfer. Das letzte Korn in der Sanduhr meines Lebens verrann, gleich würde sie meinen Leib verspeisen. Ich genoss es. Ich wollte es. Ich war bereit dafür.

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