Es kann einfach nichts Produktives, Schönes und Wertvolles aus einem Mangel- beziehungsweise negativen Gefühlszustand heraus entstehen. Weil die großen Dinge nur entstehen aus den Emotionen der Fülle, des Wachstums, der Zuneigung, der Liebe, der Hilfsbereitschaft und des Wohlwollens anderen gegenüber. Wenn du in diese Energie eintauchst, ändert es komplett den Ausgang jeder Situation. Dass du damit ein »Pionier der Menschlichkeit« werden könntest, weil diese Art von Gefühlen in unserer Gesellschaft mit Geringschätzung belegt sind, hast du ja schon in Kapitel 1.3erfahren. Wichtig ist zu wissen, dass du allein entscheidest, welche Gefühle du spüren und deinem Handeln zugrunde legen möchtest. Wenn du das verstanden hast, weißt du erst, wie viel Kraft und Macht du über deinen eigenen Lebenserfolg hast.
Unsere Gesellschaft ist aber abgestumpft. Schon als Kinder wurden wir sozialisiert mit Glaubenssätzen in der Art von »Wenn du brav bist, bekommst du ein Geschenk«, »Schau auf dich, sonst tut es keiner« oder »Den Letzten beißen die Hunde«. Die Behauptungen wurden – und werden noch immer – von Erziehungspersonen in gutem Glauben ausgesprochen. Sie dienen aber nur dem Ziel, den anderen zu lenken; sicher nicht, um ihn in seinen Lebenszielen zu fördern. Wenig verwunderlich sind die meisten Erwachsenen daher gewohnt zu fordern anstatt zu fördern, zu geizen anstatt zu gönnen und zu re -agieren anstatt zu agieren. Ohne äußere Anreize wie Belohnungen, Boni, Prämien, Rabatte, Gutschriften, eine Gehaltserhöhung, Beförderung, Sonderurlaub und andere Nützlichkeitserwägungen mag heute kaum mehr jemand einen Finger rühren. Daher nimmt auch die Bereitschaft zu geben ohne Gegenwert immer mehr ab. Dieser Punkt ist so zentral, dass ich ihm unter 2.4 ein eigenes Kapitel gewidmet habe.
Die »Was-bringt-mir-das?«-Mentalität ist eine Sackgasse. Aber welche Alternative ist die richtige? Die Frage: »Was kriege ich, wenn ich das tue?« müsste umgekehrt lauten: »Wofür würde ich alles tun, ohne auch nur einen Cent zu bekommen?« Wenn du deine Lebenszeit nicht genau damit füllst, bist du auf dem Holzweg. Versteh mich bitte nicht falsch, ich sage nicht, dass wir ab sofort alle nur mehr ehrenamtlich arbeiten sollen. Es geht aber darum, dass uns unser Tun dermaßen viel Freude machen sollte, dass wir es auch machen würden, wenn es nichts dafür gäbe. Sonst ist es doch nur eine Art »Entschädigung«, eine Gegenleistung, ohne die du in der Früh nicht einmal aufstehen würdest. Wenn du sagen kannst, »Ich mache es, weil es mir Spaß macht, egal, was folgt«, wenn du dir so eine Haltung zutraust, bist du richtig. Denn auch wenn du am Ende nicht das ultimative Erfolgserlebnis hast, so hast du damit zumindest Freude in dein Leben geholt.
Um besser zu veranschaulichen, was ich meine, greife ich auf mein Lieblingsbeispiel zurück: Kinder. Muss man sie zum Spiel motivieren? Brauchen sie einen Anreiz oder eine Belohnung, damit sie spielen? Zwei Mal: Nein. Na ja, »das ist ja spielen«, wirst du dir jetzt sicher denken, »das kann man doch mit Arbeit nicht vergleichen«. Oh doch, das kann man. »Das Spiel ist die höchste Form der Forschung«, soll Albert Einstein angeblich gesagt haben. 3 Es ist jedenfalls extrem anstrengend für Kinder, weil sie beim Spielen ununterbrochen Neues lernen. Spielen ist lernen. Warum spielen denn Kinder, etwa weil sie »Erfolg« haben wollen? Kinder wollen keinen Erfolg, sie wissen nicht einmal, was das ist. Sie wollen Lust und Freude erleben. Sie spielen nicht wegen einer Gegenleistung, sondern aus Spaß am Spiel und am Leben an sich. Spielen ist leben. Und das ist der größte Erfolg, weil man dabei am meisten lernt. Das können wir von ihnen lernen.
1.7 Profitmaximierung war gestern
In meinen Anfangsjahren als Trainer feilte ich immer wieder an der Ausrichtung meines eigenen Unternehmens. Damals hielt ich die wirtschaftlichen Ziele wie Umsatzzahlen und Gewinne der Firmen, deren Beschäftigte ich trainierte, für meine wichtigsten Orientierungspunkte. So wurde es mir kommuniziert und ich nahm es für bare Münze, unerfahren wie ich damals war. In den Leitbildern vieler Unternehmen stand ohnehin der »Mensch im Mittelpunkt« – gemeint waren sowohl Kunden wie Mitarbeiter und sonstige Stakeholder. Was es jedoch konkret bedeutete, die Menschen in den Mittelpunkt unternehmerischer Tätigkeiten zu stellen, darüber wurde kaum gesprochen. Heute weiß ich, warum nicht.
Mit den Jahren musste ich feststellen, dass nichts die Unternehmen härter traf als schlechte Stimmung und Konflikte am Arbeitsplatz, viele Krankenstände, eine allgemeine Job-Verdrossenheit oder hohe Mitarbeiterfluktuation. Dagegen halfen auch keine noch so genialen Incentive-Events zur Weihnachtszeit oder zum Jahresauftakt. Unterm Strich waren das alles Symptome für unternehmerischen Misserfolg. Denn wenn der »menschliche Erfolg« ausbleibt, ist es letztlich egal, was auf dem Papier oder in der Bilanz steht.
Erfreulicherweise wandeln sich die Zeiten und Anschauungen gerade. Immer öfter wird schon abgerückt von den hochtrabenden Umsatz- und Unternehmenszielen, die, meist zu Beginn eines Geschäftsjahres, den Mitarbeitern gemeinsam mit opulenten Büffets als »Motivations-Booster« präsentiert wurden. Führungskräfte und Schlüsselpersonen in den Unternehmen wissen heute, dass dieses Vorgehen außer Druck nicht wirklich viel bringt. Die angepeilten Zahlen werden womöglich erreicht, aber um welchen Preis? Und: Geht es nicht besser?
Es geht! Erfolg darf eben nicht (allein) von außen beziehungsweise oben vorgegeben und gesteuert werden. Das funktioniert ausnahmslos von innen heraus. Durch Begeisterung, Beziehungsaufbau, Kommunikation und Kooperation mit den Menschen. Wer an diesen Parametern arbeitet, kann einmal definierte Ziele oft nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen. Ich spreche in dem Zusammenhang von Potenzial. Ziele halte ich persönlich für Unsinn, wie du in meinem ersten Buch nachlesen kannst. Sie legen sich wie ein Deckel auf das vorhandene Potenzial, das derart im Verborgenen bleibt und nie zur Entfaltung kommen wird. Ganz ehrlich? Dem Inhaber einer Firma muss es heute gleichgültig sein, ob er die definierten Monats-, Quartals- oder Jahresziele erreicht oder nicht. Wer langfristig erfolgreich werden und auch bleiben möchte, wirft dieses jahrelang von Unternehmensberatern »gehypte« Konzept bitte endlich über Bord und ersetzt es durch Visionen, Werte und Potenziale.
Nicht immer ist es aber nur der Druck »von oben«, der den Erfolg verhindert. Im Seminarraum wird mir meist innerhalb der ersten Stunde schon klar, worum es den Leuten geht und was ihnen zu schaffen macht. Tatsächlich sind ein »Der Chef hat gesagt, ich muss …« oder »Die Vorgabe ist, dass wir …« selten das Hauptproblem dafür, dass gewisse Dinge nicht gelingen, für die ich dann in die Firma geholt werde. Beschäftigte stehen sehr oft unter Druck, keine Frage, aber relativ häufig ist es ein selbstauferlegter Druck. Ausgelöst von oder im Zusammenspiel mit Existenzängsten, der Furcht vor Auseinandersetzungen und Konflikten und einer generellen »Kultur der Unsicherheit«.
Es wäre die Aufgabe von Führungskräften, diese Art von Druck und Sorge von den Menschen zu nehmen. Das scheitert aber meist daran, dass sie selbst es nicht besser wissen und können sowie ebenso gestresst und »unter-drückt« sind wie ihre Mitarbeiter. Ich werde mich in Kapitel 8noch eingehender damit befassen. Um das aufzulösen, müsste sich jeder erst einmal allein in sein Zimmer sperren und sein Innerstes nach außen kehren, um es mit Eigenverantwortung und Selbstachtung neu aufzufüllen. Die Frage ist, wer bringt schon den Mut dafür? Den Stellenwert einer gepflegten Selbstsicherheit in unserer Gesellschaft kennst du ja bereits aus Kapitel 1.4. Vielleicht gelingt es mir ja hiermit, dass die Sehnsucht danach größer wird als jegliche Ängste vor den Folgen.
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