»Wenn du ihn kennen lernst, wirst du ihn auch achten lernen und doch auch vielen Spaß über ihn haben.« »Wieso?«
»Er hat die Eigenart, seinen jetzigen Glauben mit seinem früheren zu verquicken, Bibel und Kuran zu verwechseln und dabei allerlei Lächerlichkeiten an den Tag zu fördern. Das größte Meisterstück von ihm aber ist sein Deutsch. Da du der deutschen Sprache mächtig bist, wirst du die helle Freude an ihm erleben. Er hat nur den allernotdürftigsten Schulunterricht genossen und als Brandenburger schon als Kind mit dem
Mir und Mich im Streite gestanden. In Frankreich eignete er sich einen kleinen Vorrat von Französisch an, und in Algier und Tunesien lernte er mit der Zeit arabisch sprechen. Da aber sein Sprachtalent bei weitem nicht ausreicht, die drei Sprachen auseinander zu halten und er besonders die Verschiedenheiten des Satzbaues nicht zu begreifen vermag, so leistet er im Syntax geradezu Unglaubliches. Arabisch hört er täglich sprechen und spricht es selber täglich; dies ist der Grund, daß er in dieser Sprache nicht nur die wenigsten Böcke schießt, sondern sich sogar eine außerordentlich bilderreiche, orientalische Ausdrucksweise angewöhnt hat. Deutsch hat er nur in der Jugend, und da auch nur im Dialekte und fehlerhaft gesprochen, später gar nicht mehr; daher ist diese seine Muttersprache am schlechtesten weggekommen. Das giebt ungeheuern Spaß, kann aber unter Umständen, gerade wenn es gilt, kurz und klar zu sprechen, zum Beispiel in der Nähe einer Gefahr, von großem Nachteile sein.«
»Diesen Krüger-Bei oder - hm, wie nanntest du ihn?«
»Herr der Heerscharen. So nennt er sich nämlich auch selbst, arabisch Raijis el Dschijusch. Sobald wir uns an die Behörde zu wenden haben, was höchst wahrscheinlich der Fall sein wird, werde ich mir seine Hilfe erbitten. Ich habe sogar die Absicht, ihn schon vorher aufzusuchen, und bin Ueberzeugt, daß er sich darüber freuen wird.«
»Willst du ihm vielleicht gleich den vermeintlichen Hunter übergeben?« »Das wird wohl nicht nötig sein.«
»Vielleicht doch. Wenn dieser Mensch unsere Absichten durchschaut, wird er uns zu entkommen trachten. In diesem Falle müssen wir ihn in das Gefängnis stecken lassen, und zwar so lange, bis wir auch seinen Vater haben.«
»Wir dürfen uns eben nicht durchschauen lassen.«
»Nun, mir traut er keine Feindschaft zu; wie aber, wenn er zufällig errät, wer ihr seid? Man weiß ja, welche Rolle die Zufälle spielen.«
»Es wäre ein wirklich unbegreiflicher Zufall, der ihm verriete, daß wir Winnetou und Old Shatterhand sind!«
»So müßt ihr euch andere Namen geben. Es ist besser, wir wissen das schon jetzt. je eher wir euch damit nennen, desto sicherer sind wir, uns nicht etwa zu versprechen.«
»Das ist richtig. Was mich betrifft, so möchte ich mich nicht für einen Deutschen ausgeben, denn er weiß gewiß, daß Old Shatterhand ein Deutscher ist.«
»Ja. Willst du vielleicht ein Landsmann von mir sein?«
»Ja, wenn du es erlaubst.«
»Gut! So sei ein Verwandter von mir, ein gewisser Mr. Jones, den ich zufälligerweise hier getroffen habe und der in Tunis Geschäfte hat. Und Winnetou? Für wen geben wir ihn aus?«
»Er wird es sich gefallen lassen müssen, einmal ein Afrikaner zu sein. Geben wir ihn für einen mohammedanischen Somali aus, Ben Asra.«
»Schön! Nur fragt es Sich, ob er nichts dagegen einzuwenden hat.«
Als der Apatsche diese Worte hörte, sagte er:
»Nennt Winnetou wie ihr wollt; er bleibt doch der Häuptling der Apatschen.«
»Das ist richtig,« antwortete ich; »aber es ist keineswegs gleichgültig, für wen wir dich ausgeben, da du dafür zu sorgen hast, daß man dich auch wirklich für denselben hält. Ich werde dich also unterwegs darüber unterrichten, wer und was ein Somali ist und wie du dich als ein solcher zu benehmen hast. Wir geben an, daß du das Arabische nicht verstehst, was ja auch die Wahrheit ist, aber von Sansibar aus einige Jahre in Indien gewesen bist und dort Englisch gelernt hast. Wann reisen wir von hier ab?«
»Morgen früh,« antwortete Emery. »Dann kommen wir gerade kurz vor der Zeit an, in welcher mein Mr. Hunter ein Schiff nach Tunis erwartet.«
»Was für eins?«
»Einen französischen Handelsdampfer.«
»Also nicht Messagerie? Das fällt mir auf. Er muß also von Tunis aus sehr wahrscheinlich über diesen Dampfer verständigt worden sein.«
»Das denke ich auch. Vielleicht gelingt es uns, etwas darüber zu erfahren.«
»Aber Winnetou und ich werden uns beim Kapitän desselben zu legitimieren haben!«
»Das überlaß nur mir! Ihr seid unterwegs um eure Papiere gekommen, und ich denke, daß es genügen wird, wenn ich meinen Paß vorzeige und für euch gutsage.«
»Sodann bin ich neugierig, wie Hunter sich legitimieren wird. Der wirkliche und berechtigte Träger dieses Namens hat doch, wenn wir uns überhaupt nicht verrechnet haben, seine Legitimationen jedenfalls mit nach Tunis genommen.«
»Werden sehen. Die Hauptsache ist, daß er keinen Verdacht schöpft. Du bist in Indien gewesen und hast dort Winnetou, also den reichen Somali Ben Asra getroffen. Jetzt geht ihr nach London, wo er Geschäftsbeziehungen anknüpfen will, und verweilt unterwegs kurze Zeit in Tunis, wo du irgend etwas zu thun hast. So ist die Sache. Alles weitere aber müssen wir abwarten.«
Man sieht, daß Emery sich unserer Angelegenheit ganz so annahm, als ob es die seinige sei. Wir saßen noch einige Zeit, und dann trennten wir uns, um uns am nächsten Morgen zur Abreise wieder zu vereinigen.
Viertes Kapitel.
In Tunis.
Ueber unsere Fahrt nach Alexandrien ist nichts zu sagen. Wir kehrten dort im Hotel ein, und dann ging Bothwell, um Hunter aufzusuchen. Wir hatten angenommen, daß es ihm gar nicht lieb sein werde, weitere Reisegesellschaft zu bekommen, waren aber mit dieser Voraussetzung irre gegangen, denn er kam bald darauf mit Emery zu uns, um uns zu sagen, daß es ihm angenehm sei, mit uns fahren zu können.
Wenn ich einmal nach reiflicher Ueberlegung eine Meinung gefaßt habe, so pflege ich dieselbe, selbst wenn es scheint, daß ich unrecht habe, wenigstens im stillen so lange festzuhalten, bis ich vollständig vom Gegenteile überzeugt worden bin. Besäße ich einen wankelmütigeren Charakter, so hätte ich beim Anblicke dieses jungen Mannes den Verdacht, den ich gegen denselben hegte, sehr wahrscheinlich fallen lassen. Er machte nämlich einen geradezu vortrefflichen Eindruck, und ich wunderte mich nun gar nicht mehr darüber, daß Emery ihn einen anständigen Mann genannt hatte. Es war weder in seinem Gesichte noch in seiner ganzen Erscheinung oder seinem Benehmen das Geringste zu entdecken, was unsern Ver- Verdacht hätte bestätigen können. Er zeigte sich frei, offen und ohne alle Spur irgend einer Unsicherheit oder gar Bangigkeit, wie man sie bei einem Menschen, welcher auf unsicherem Boden steht, zu erwarten pflegt. Wir hatten uns entweder in ihm geirrt, oder er war trotz seiner Jugend schon ein vollständig klargeriebener Gauner.
Der Dampfer, den wir bestiegen, kam von den Palästinahäfen und wollte von Alexandrien aus über Tunis und Algier nach Marseille zurück. Als wir vier Personen an Bord kamen, trat uns der Kapitän sogleich mit der Bemerkung entgegen:
»Das Schiff ist kein Passagierschiff, Messieurs. Sie müssen sich also wieder zurückbemühen.«
Jetzt mußte es sich zeigen, ob der Kapitän benachrichtigt worden war, und es zeigte sich auch, denn Hunter antwortete:
»Nehmen Sie auch keinen Passagier mit, der Hunter heißt?«
»Hunter? Sind Sie dieser Herr?«
»Ja.«
»Dann dürfen Sie allerdings mitfahren, denn ich bin von Kalaf Ben Urik avisiert worden. Aber ich weiß nur von Ihnen, nicht aber auch von andern Passagieren.«
»Diese drei Herren sind Freunde von mir, von denen Kalaf Ben Urik nicht gewußt hat, daß sie sich mir anschließen würden. Wir würden Ihnen dankbar sein, wenn Sie auch für sie noch Plätze ermöglichten.«
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