Auch Erika schwieg meistens an diesen eintönigen Abenden. Sie fühlte es, dass sich gegen die graue Stimmung, die sich wie dicke drohende Wetterwolken über diese Stunden legte, nicht ankämpfen lasse. Und dann war sie zu müde dazu. Die quälende Tagesarbeit, die sie von Stunde zu Stunde hetzte und sie zwang, Disharmonien, tastende Akkorde, unmusikalische Brutalitäten mit rastloser Sanftmut zu ertragen, löste in ihr ein dumpfes Ruhebedürfnis aus, ein wortloses Verströmen aller Empfindungen, die die Gewalt des Tages überwuchert hatte. Sie liebte es, in diesen wachen Träumen sich selbst anzuvertrauen, weil ihr eine fast überreizte Schamhaftigkeit nie gestattete, anderen nur eine Andeutung ihrer seelischen Erlebnisse zu geben, ob auch ihre Seele unter dem Drucke ihrer ungesprochenen Worte bebte, wie ein überreifer Obstbaumzweig unter der Last seiner Früchte schwankt. Und nur ein leichter, ganz unmerklich feiner Zug um die schmalen blassen Lippen verriet, dass Kampf und Ringen in ihr war und eine unbändige Sehnsucht, die sich nicht von Worten tragen lassen wollte und nur manchmal ein wildes Beben [46] Beben nur Sg ; – der Zustand, in dem etwas bebt
um den festgeschlossenen Mund legte wie von jähem Schluchzen.
Das Abendessen war bald zu Ende. Der Vater erhob sich, sagte kurz einen Gutenachtgruß und ging in sein Zimmer, um sich die Pfeife anzuzünden. Das war so jeden Tag in diesem Hause, wo auch die gleichgültigste Tätigkeit zu starrer Gewohnheit versteinerte. Und auch Jeanette, ihre Schwester holte sich wie immer ihr Nähzeug her und begann beim Lampenlicht, stark vorgebeugt wegen ihrer Kurzsichtigkeit, mechanisch zu sticken.
Erika ging in ihr Zimmer und begann sich langsam zu entkleiden. Es war diesmal noch sehr früh. Sonst pflegte sie bis tief in die Nacht hinein zu lesen, oder sie lehnte in einem süßen Gefühle am Fenster und blickte hoch von oben über die hellen mondscheinbeleuchteten Dächer, die sich in lichter Silberflut badeten. Sie hatte da nie klare, zielstrebende Gedanken, nur das unbestimmte Gefühl einer Liebe für das Schimmernde, Blitzende und doch so sanft Verströmende des Mondlichtes, das die Tausende von Scheiben blank spiegelte, hinter denen sich die Geheimnisse des Lebens bargen. Aber heute empfand sie eine sanfte Mattigkeit, eine selige Schwere, die sich sehnt, von milden, warm anschmiegenden Decken getragen zu werden. Eine. Schläfrigkeit, die nichts anderes ist als Sehnsucht nach süßen, seligen Träumen, rann durch alle Glieder wie ein sacht erkaltendes, betäubendes Gift. Sie raffte sich auf, warf beinahe mit Hast die letzten Kleidungsstücke von sich, verlöschte die Kerze. Einen Augenblick noch – und dann dehnte sie sich im Bette…
Wie ein hurtiges Schattenspiel tanzten noch einmal die seligen Erinnerungen des Tages vorbei. Sie war heute bei ihm gewesen…. Gemeinsam hatten sie wieder geprobt zu ihrem Konzert, wo ihr Spiel seine Geige begleiten sollte. Und dann spielte er ihr vor – Chopin, die Ballade ohne Worte. Und dann die sanften lieben Worte, die er ihr sagte, die vielen lieben Worte!
Die Bilder eilten immer rascher vorbei, sie führten sie wieder nach Hause zu sich selbst, um rasch wieder hinwegzuirren in die Vergangenheit, zu dem Tag, da sie ihn zuerst kennengelernt hatte. Und bald stürmten sie heraus über die Enge der Zeit und des Erlebens und wurden immer wilder und bunter. Noch hörte Erika, wie ihre Schwester nebenan zu Bette ging. Und ein toller merkwürdiger Gedanke kam ihr, ob er sie wohl auch zu sich gebeten hätte. Ein frohes übermütiges Lächeln wollte sich noch matt auf ihre Lippen schleichen, aber sie war schon zu schlaftrunken. Und einige Minuten später trug sie ein sicherer Schlaf zu seligen Träumen.
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lapidar( oft überraschend ) – kurz und präzise formuliert = prägnant
Guillotine die ; -, - n ; – eine Maschine, mit der (besonders zur Zeit der Französischen Revolution) durch ein herabfallendes Beil Menschen der Kopf abgeschlagen wurde
Dekret das ; -( e ) s , - e ; veraltend – eine offizielle Verordnung von einer Behörde
lethargisch– teilnahmlos
Riegel der ; - s , -; – ein Stab aus Metall oder Holz, den man vor etwas schiebt, um es so zu sichern
Magisterbeamte der ; -( e ) s , - e ; – der Beamte einer Behörde, der eine Stadt oder eine Gemeinde verwaltet
Denunziation die – eine Anzeige in der Polizei, dass jemand eine Straftat begangen hat (besonders in einem totalitären Staat aus politischen Gründen)
Kruzifix das ; - es , - e ; – eine Darstellung oder Nachbildung des Kreuzes, an dem Jesus Christus gestorben ist
Gatte der ; - n , - n ; – der Ehemann
Françoisfr. [frã́sua:] – der männliche Name
Garçonfr. [gársõ:] – der Kellner, der Ober
Pinie die; - n; – ein Fichtenbaum
Ersparnisse die pl – Spargelder
Kurve die ; -, - n ; – eine Biegung an der Straße
Serpentine die ; -, - n ; – eine steile Straße oder ein steiler Weg mit vielen engen Kurven
Coupe(fr.) das; - s ; - s; – ein Zugabteil
Palisade die ; -, - n ; – ein starker Holzpfahl
Zypresse die; -, - n ; – ein hoher schmaler (Nadel)Baum (besonders in den Mittelmeerländern), dessen Nadeln wie Schuppen übereinander liegen
azurn– leuchtend blau
Schurke der; - n , - n ; – jemand, der böse Dinge tut = Schuft
speien (spie, hat gespien) – sich erbrechen
Gerümtel das ; - s ; nur Sg , – alte Dinge, die kaputt oder nutzlos sind (und irgendwo aufbewahrt werden)
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