„Wurde irgendetwas entwendet?“, fragte Chloe.
„Wir haben den Ehemann alles überprüfen und sich umsehen lassen, er hat jedoch nichts gefunden. Er sagte, er könne nicht sehen, dass etwas fehlt. Natürlich war er bestürzt darüber, dass seine Frau ermordet worden war, wer weiß also, wie gründlich seine Suche war…“
„Sie sagten, Sie dachten es habe eine Art Strangulieren stattgefunden“, sagte Rhodes. „Wissen Sie, womit sie gewürgt wurde?“
„Wir wissen es nicht genau, aber wir denken, es war eine Fuchsstola – so eine Art Pelzschal. Wir fanden sie unter dem Bett versteckt. Die Forensik ist sich ziemlich sicher, dass sie kürzlich stramm festgehalten und gezogen wurde. Der Ehemann sagte auch, dass er sich nicht daran erinnern könne, wann er das letzte Mal gesehen habe, dass sie sie trug.“
„Was können Sie uns über die Fairchilds erzählen?“, fragte Chloe. Sie ging zum Bett und betrachtete die getrockneten Blutflecken auf dem oberen Laken.
„Sie waren neu in der Stadt. Sind vor etwa fünf Wochen hierhergezogen. Es befinden sich immer noch einige Kartons in der Garage, die sie noch nicht einmal ausgepackt hatten. Der Ehemann, Mark, ist so eine Art hohes Tier im Bankwesen… hat etwas mit Finanzen und Aktien zu tun. Jessie Fairchild beschäftigte sich mit Social-Media… eine Art Influencer für die Prominenten der C–Liste. Instagram, Facebook, so etwas eben. Sie zogen aus Boston her… der Mann sagte, dass ihnen das Großstadtgetümmel zu viel geworden war.“
„Wo hält sich der Ehemann jetzt auf?“, fragte Chloe.
„Er ist mit seinem Bruder zu einer Hütte in den Bergen gereist. Sie reisten heute Morgen ab. Er ist… nun… er ist ein Wrack. Ich meine, Menschen gehen mit Tod unterschiedlich um, das weiß ich. Aber dieser Mann… ich habe zugesehen, wie er quasi in sich zusammenbrach und verkümmerte, wissen Sie? Es war das Schlimmste, was ich je gesehen habe.“
„Ich nehme an, es gibt keine Fingerabdrücke am Tatort?“, fragte Chloe.
„Keine. Wir haben ein einziges, loses Haar auf der Fuchsstola gefunden. Es war blond und Jessie Fairchild war eine Brünette. Es wird gerade untersucht… wir sollten sehr bald mehr wissen.“
Chloe nahm sich einen Moment Zeit, um alles aufzunehmen. Da es zumindest ein starkes Indiz dafür gab, dass es sich um Mord durch Strangulieren gehandelt hatte, konnte sie eine Verbindung zu den Morden vor einem Jahr nicht ausschließen. Aber der Schnitt mit dem Diamantring sagte ihr, dass es sich um etwas Neues handelte… etwas anderes.
Sie nahm den Ordner und wollte ihn am liebsten sofort öffnen, um tiefer nachzuforschen.
„Sie sagten, dass Sie für die Nachbearbeitung verantwortlich sind?“
„Ja.“
„Können wir Ihnen zu Ihrem Revier folgen? Ich möchte einen Arbeitsbereich einrichten.“
„Sie denken also, dass es mit den Todesfällen durch Erwürgen im letzten Jahr in Verbindung steht?“, fragte Nolan. Es war klar, dass er dies nicht erwartet hatte.
„Ich weiß es nicht genau“, sagte Chloe. „Aber ich weiß, dass eine Frau tot ist – dass sie in ihrem eigenen Haus ermordet wurde – und derzeit befindet sich niemand in Gewahrsam. Also… lassen Sie uns mit der Arbeit beginnen.“
Nolan lächelte über ihre Lassen-Sie-uns-ihn-schnappen Einstellung. Er nickte und machte sich wieder auf den Weg zur Schlafzimmertür zurück zum Flur. „Dann lassen Sie uns anfangen.“
Chloe öffnete die Akte zum Mord an Jessie Fairchild, sobald sie sich auf dem Revier niedergelassen hatte. Nolan hatte ihnen ein Büro überlassen, welches einst einem stellvertretenden Deputy gehört hatte, der aufgrund von Kürzungen entlassen worden war. Einige Habseligkeiten des ehemaligen stellvertretenden Deputy waren zurückgelassen worden, wodurch Chloe sich fehl am Platz fühlte.
Trotzdem begann sie ihre Arbeit und überflog die Informationen in der Akte. Sie war beeindruckt, wie gut alles zusammengefügt worden war. Anscheinend hatte Deputy Nolan ein Händchen für Organisation und Details.
Abgesehen von dem einfachen Polizeibericht, der alles enthielt, was Nolan ihnen in der Fairchild-Residenz bereits berichtet hatte, gab es mehrere Bilder von Jessie Fairchilds Leiche. Sie lag vollständig angezogen auf dem Bett. Ihr Kopf war zur linken Seite geneigt, ihre geöffneten Augen starrten in die Richtung der Blutlache, die sich um ihren Kopf ausgebreitet hatte. Das auffälligste Merkmal an ihrem Körper war jedoch die unregelmäßige Wunde in der Mitte ihrer Kehle.
Die Bilder mussten innerhalb weniger Stunden nach dem Mord aufgenommen worden sein, da das meiste Blut noch feucht war. Sie konnte sehen, wo es begann, hart zu werden, es war jedoch überwiegend frisch. Der Schnitt selbst war ziemlich brutal. Er war gezackt und grauenvoll, eine gerade Linie, die fast so aussah, als sei sie in das Fleisch gesägt worden. Chloe konnte außerdem leichte Anzeichen dafür erkennen, dass etwas um ihren Hals gewickelt worden war, obwohl dies auf den Fotos schwer zu sehen war. Ohne die Leiche begutachten zu können, würde sie dem Forensik Team Glauben schenken müssen. Aber wenn das, was sie sah, tatsächlich die Stelle war, an der etwas um ihren Hals gewickelt worden war, dann würde es perfekt mit der Fuchsstola zusammenpassen, die sie auf den anderen Bildern sah. Sie sah außerdem ein Foto des Diamantrings, welcher benutzt worden war, um den Schnitt zuzufügen. Er lag auf dem Nachttisch; der Mörder hatte keinen Versuch unternommen, ihn zu säubern oder zu verstecken. Für Chloe war deutlich, dass der Mörder eine Botschaft zu senden schien.
Aber welche Botschaft?
„Der Ring verwirrt mich“, sagte Rhodes. „Wieso legt man ihn genau dort auf den Nachttisch? Gibt er an? Vielleicht versucht er, uns etwas zu sagen?“
„Ich habe mich gerade genau das Gleiche gefragt. Ich frage mich, ob der Ring eine besondere Bedeutung hat. Wieso dieser Ring? Er sieht wie einer dieser Verlobungs-/Ehering Zwei-in-eins-Angebote aus.“
„Er sieht außerdem verdammt teuer aus“, fügte Rhodes hinzu.
„Er muss auf irgendeine Weise symbolisch sein. Man legt nicht einfach einen blutbeschmierten Diamantring auf den Nachttisch, nachdem man ihn benutzt hat, um jemanden zu ermorden.“
„Sie glauben also, dass es der Mörder ist, der uns etwas mitteilen möchte?“
„Das könnte es sein. Es könnte auch …“
Sie wurde durch das Klingeln ihres Telefons unterbrochen. Sie zog es hervor, wobei sie davon ausging, dass es Johnson war, der sicherstellte, dass sie angekommen waren. Als sie jedoch DAD auf dem Bildschirm las, zuckte sie leicht zusammen. Eine Welle der Wut schoss durch sie hindurch und hinterließ eine Spur von Angst.
Sie ignorierte den Anruf und legte ihr Handy verdeckt auf den Schreibtisch. Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Akte zuwandte, fiel es ihr schwer, zur Arbeit zurückzukehren.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Rhodes.
„Ja, wieso?“
„Nun, Sie schauen auf Ihr Handy, als habe es sie eine Schlampe oder so etwas in der Art genannt.“
Chloe zuckte mit den Schultern und hasste, wie passiv sich das anfühlte. „Nur persönliches Zeug.“
Rhodes nickte und machte deutlich, dass sie nicht tiefer darauf eingehen wollte. „Ja, persönliches Zeug kann definitiv scheiße sein.“
Als Chloe versuchte, sich wieder auf die Akte zu konzentrieren, klopfte es an der Tür. Die Tür öffnete sich und sie sah Deputy Nolans Gesicht hineinblicken. Als er die Tür weiter öffnete, sah sie einen weiteren Mann hinter ihm. Er sah deutlich älter aus und hatte einen dieser dichten, grauen Schnurrbärte, die Chloe immer an ein Walross erinnerten.
„Agenten“, sagte Nolan, „das ist Chief Clifton“.
Clifton betrat das Büro und schaute sie beide an, wobei er ihnen anerkennend zunickte. Er schaute zu der Akte, die geöffnet auf dem Schreibtisch lag und welche die Fotos des blutigen Schnitts an Jessie Fairchilds Kehle preisgab und wandte schnell seinen Blick ab.
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