„Was um Himmels Willen hast du gesehen? War sie da?“
„An dieser Stelle muss ich etwas ausholen. Solange ich denken kann, hatte Adam schon immer eine Schwäche für die Jagd und für tote Tiere. Früher konnte ich mit dieser Leidenschaft nicht so recht etwas anfangen. Zumindest wollte ich es mir nicht eingestehen. Ich wollte nichts davon wissen, wenn er Tiere gefangen und gequält hat. Zuerst nur Insekten, später immer größere Tiere. Vögel, Kaninchen, Katzen, Hunde. Einmal hat er die Katze unserer Nachbarin mit einer Drahtschlinge gefangen und am Apfelbaum in ihrem Garten aufgehängt. Die Alte wäre fast gestorben, als sie ihre Miezekatze am nächsten Morgen vor dem Küchenfenster baumeln sah.“
„Das ist ja grauenvoll“, murmelte Sandy.
Kid ging gar nicht darauf ein. „Stundenlang stand er auf dem Weihnachtsmarkt vor dieser Insektenbude. Weißt du was ich meine? Die haben dort Tiere aus der ganzen Welt. Riesige Schmetterlinge und Käfer. Würmer die größer sind als Blindschleichen, mit dicken, schwarzen Borsten. Monsterheuschrecken und was weiß ich, was noch alles.“
Sandy nickte. „Du meinst diese Tiere, die auf Nadeln aufgespießt sind?“
„Genau die. Und auf Adam übten sie eine unglaubliche Faszination aus.“
„Oh mein Gott.“ Sandy wurde kreidebleich. „Du willst damit doch hoffentlich nicht sagen, dass dein Bruder… ich meine, dass er dieses Mädchen…?“
„Adam war schon immer recht kräftig, aber trotzdem habe ich keine Ahnung, wie er es fertig gebracht hat. Jedenfalls hatte er Jessica irgendwie überwältigt und in diese Hütte geschafft. Später hat er mir erzählt, dass er ihr beim Joggen im Wald aufgelauert hat. So wie ich ihn verstanden habe, hat er sich den Spaß gemacht, ein kleines Arrangement für sie vorzubereiten. Er wollte mir aber nie erzählen, was genau es gewesen ist. Jedenfalls hat er sie ganz in der Nähe der Hütte überfallen und dorthin verschleppt.“
„Bitte! Was hat er mit ihr gemacht?“
„Er hat sie in diese Hütte geschleppt und sie einfach auf dem Fußboden festgenagelt. Sie sah so aus, wie einer dieser Käfer.“
„Oh mein Gott. Mit wird ganz übel.“
„Kann ich verstehen. Im ersten Moment war ich auch total geschockt. Ich habe ihn angeschrien, ihn geschüttelt und dann habe ich ihm eine geknallt. Aber er hat mich nur angesehen und gesagt:
>Ich habe dir doch gesagt, dass ich mir etwas einfallen lasse. Ich wünsche dir viel Spaß mit ihr. Ich warte draußen.<
>Himmel< , schrie ich ihn an. >Ich wollte sie lebend! Ich war verliebt in dieses Mädchen. Ich habe nicht gesagt, dass du sie umbringen sollst.<
>Ich habe sie nicht umgebracht< , sagte er nur und ging aus der Hütte.
Als er in der Tür stand, drehte er sich noch einmal um.
>Noch nicht<.
Fassungslos blieb ich zurück und starrte Jessica an. Sie war nackt und aus ihren Händen, Knöcheln, aus ihren Schultern und Knien ragten riesige Nägel hervor.“
„Bitte hör auf. Ich meine es wirklich ernst. Ich glaube, ich muss mich sonst echt übergeben.“
„Dann reiß dich gefälligst zusammen“, schrie er Sandy an und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. „Meinst du, mir macht es Spaß, diese Geschichte zu erzählen?“
Sandy bemühte sich vergeblich, die Tränen zurückzuhalten.
„Sei still und hör mir zu“, zischte Kid und zündete sich eine Zigarette an, die er von dem kleinen Tisch neben dem Sofa geangelt hatte, auf dem er zuvor seinen Revolver abgelegt hatte.
„Also, können wir weitermachen?“
Sandy nickte.
„Als ich mich einigermaßen gefangen hatte, bin ich auf Jessi zugegangen. Und weißt du, was mir als erstes aufgefallen ist?“
Sandy schüttelte den Kopf.
„Ihre Titten waren tatsächlich riesig. Vermutlich waren sie es nicht einmal, aber für ein Mädchen ihres Alters, kamen sie mir damals so vor.“ Er grinste und inhalierte den Rauch seiner Zigarette. „Ich hatte noch nie einen so perfekten Körper gesehen. Ich kniete mich neben sie und als ich vorsichtig ihren weichen Bauch streichelte, öffnete sie die Augen. Nur ein Stückchen, aber ich konnte ihr leuchtendes Blau sehen und sofort spürte ich wieder dieses Kribbeln.“
>Hilf mir. Bitte hilf mir.< Sie konnte nur noch flüstern und musste höllische Schmerzen haben, aber sie lebte.
Ich streichelte ihre Haut. Sie war weich wie Seide. Mit meiner Hand fuhr ich zwischen ihre Schenkel und hab ihre Muschi gestreichelt. Sie zuckte zusammen, als ich meinen Finger in sie reingesteckt habe.“
„Das ist ja widerlich.“ In dem Moment, in dem sie es gesagt hatte, bereute sie es.
Und bevor sie reagieren konnte, schnellte Kids Hand nach vorne und griff nach ihren Haaren. Ein höllischer Schmerz zuckte durch ihre Kopfhaut und sie schrie vor Schmerz auf.
Grinsend hielt Kid ihr ein dickes Büschle langer, rotblonder Haare vor die Nase und wedelte damit herum. Dann bewegte sich sein Mund zu ihrem Ohr.
„Halt jetzt sofort die Schnauze, oder ich bringe dich auf der Stelle um“, flüsterte er.
Der Schmerz in ihrem Ohrläppchen war unbeschreiblich und sie spürte warmes Blut ihren Hals herunterlaufen.
Kid sah sie an. Sein Mund war blutverschmiert und ohne Vorwarnung spukte er ihr etwas entgegen.
Als Sandy das kleine Stückchen knorpeliges Fleisch mit dem glitzernden Brillanten in ihrem Schoß entdeckte, übergab sie sich.
Sie hatte erwartet, dass Kid über sie herfallen und sie vielleicht sogar umbringen würde, aber nichts dergleichen geschah.
Kopfschüttelnd betrachtete er die Kotze auf dem Sofa. Dann drückte seine Zigarette auf Sandys nacktem Oberschenkel aus. Als sie erneut vor Schmerz aufheulte, stopfte er ihr einen Stofflappen in den Mund und legte seinen rechten Zeigefinger auf ihre Lippen.
„Hörst du mir jetzt wieder zu?“
Sandy schluchzte und nickte heftig.
„Es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe. Aber du darfst mich nicht immer so provozieren. Verstehst du das?“
Wieder nickte sie.
„Also gut. Dann erzähle ich die Geschichte jetzt zu Ende. In Ordnung?“
Sandy versuchte etwas zu sagen, aber mit dem Stück Stoff im Mund war es ihr unmöglich und sie hütete sich davor, es einfach auszuspucken. Ihr Oberschenkel und ihr Ohr schmerzten höllisch, aber sie bemühte sich, möglichst wenig Geräusche von sich zu geben. Sie würde einfach nur zuhören, wie Kids abartige Geschichte weiterging.
Zwar glaubte sie nicht mehr daran, aber vielleicht hatte sie ja doch noch eine letzte Chance, diesen Raum lebend zu verlassen.
KAPITEL 35
Im Schloss war es still.
Nur von draußen drang das Rauschen der Baumwipfel an ihre Ohren. Und irgendwo in der Ferne hörte sie den Ruf eines Käuzchens. Kühle Nachtluft strömte durch die zerbrochenen Fenster.
Vanessa begann zu frieren.
Wo bleibt er denn bloß so lange? So ganz allmählich könnte er durchaus wieder auftauchen.
Das leise Quietschen der Tür holte sie zurück ins Hier und Jetzt.
„Jonas?“ Sie versuchte, seinen Namen auszusprechen, aber durch den Knebel klang es selbst in ihren eigenen Ohren irgendwie seltsam.
Dann hörte sie seine Schritte.
Endlich.
Er blieb stehen. Wahrscheinlich ergötzte er sich an ihrem Anblick.
Keiner Wunder, welcher Mann würde diese Aussicht nicht wenigstens einen kurzen Moment genießen wollen, bevor er sich seiner Lust hingab?
Er setzte seinen Weg fort. Seine Schritte verursachten ein unheimliches Echo in dem fast leeren Raum.
Vanessa spürte die schwankenden Bewegungen der Matratze, als Jonas sich langsam näherte. Sie konnte seinen Atem hören.
Schnell und flach.
Er musste sich ziemlich beeilt haben, wenn er so außer Atmen war. Auf der anderen Seite war er ja auch nicht mehr der Jüngste. Sie lächelte bei der Vorstellung, ihn später damit aufzuziehen. Oder er hatte sich verlaufen und war deshalb so kurzatmig? Schließlich war es eine bekannte Tatsache, dass die meisten Männer über keinen besonders guten Orientierungssinn verfügten.
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