»Begeistert - die Leute waren einfach begeistert, Daniel. Aber ich habe mich an diesem Abend auch wirklich selbst übertroffen. Schade übrigens, dass du nicht da warst.«
»Ja, schade. Das nächste Mal komme ich - spätestens, wenn ich deine neue Geige fertig habe, versprochen.«
Aurora zieht die Nase kraus, was sehr interessant aussieht. »Hm, da habe ich doch glatt das Gefühl, dass du nur wegen der Geige kommst und nicht wegen mir.«
»Also bitte, das ist doch Unsinn, Aurora. Du weißt genau, wie gerne ich dich spielen höre. Ich bin in letzter Zeit einfach zu beschäftigt.«
»Und zwar damit, deine Kollegin zu pflegen, oder?«
»Mit Verlaub, das geht dich überhaupt nichts an.«
Daniel klingt jetzt fast ein bisschen böse. Gut so!
»Aber Recht habe ich schon! Seitdem Carolin diesen Thomas los ist, geht es bei euch drunter und drüber. Man kriegt dich kaum noch an die Strippe, Termine zu vereinbaren ist so gut wie unmöglich ... nichts gegen Liebeskummer, aber ihr habt eine Werkstatt, kein Reha-Zentrum für gebrochene Herzen.«
»Aurora, wir kennen uns jetzt fünf Jahre. Habe ich jemals schlechte Arbeit bei dir abgeliefert?« »Nein, so meinte ich das ...«
»Na also. Und hat Carolin jemals schlechte Arbeit abgeliefert?«
»Du willst mich einfach nicht verstehen - was ich sagen wollte, ist nur ...«
»Dass du dich vernachlässigt fühlst. Ja, das habe ich schon verstanden.«
»Daniel!« Auroras Stimme bekommt einen weinerlichen Unterton. »Sei doch nicht gleich sauer. Ich bin nur etwas enttäuscht, dass wir momentan so wenig Kontakt haben, das ist alles. Ich dachte, du interessierst dich für meine Kunst.«
Oh, ich wünschte, ich könnte mit den Augen rollen! Selbst ohne die professionelle Einschätzung von Herrn Beck ist mir klar, dass Aurora keinesfalls Daniels Interesse für ihre Kunst vermisst. Aber Daniel scheint diese Bemerkung ignorieren zu wollen, jedenfalls schwenkt er mit einem Mal Richtung versöhnlich.
»Lass uns nicht streiten. Ich verspreche hoch und heilig, zu deinem nächsten Konzert zu kommen. Ob mit oder ohne neuer Geige.«
Sofort strahlt Aurora ihn an und sieht dabei aus wie ein Kind. Hm, ob das bei Menschenmännern gut ankommt? Als Dackel finde ich es reichlich albern.
»Oh, danke, Daniel! Das bedeutet mir so viel! Und falls das wieder nicht klappen sollte: Zum Herbst suche ich noch jemanden, der mich auf meiner nächsten Konzertreise begleiten kann. Es geht nach Italien, und ich möchte mir gleichzeitig ein paar Geigen anschauen, die mir dort angeboten werden. Was meinst du?«
»Na ja, jetzt hast du gerade erst ein Meisterstück gekauft.
Außerdem kann ich die Werkstatt nicht so lange allein lassen.«
»Ich sehe schon, du willst nicht gleich zusagen. Aber eine Absage akzeptiere ich jetzt auch noch nicht. Da warte ich lieber noch ein bisschen.« Sie tätschelt seinen Arm. »Dann muss ich auch mal wieder los. Ich habe echt viel auf dem Zettel.«
Sie dreht sich um - und tritt mir einfach auf die Schwanzspitze. Gut, wahrscheinlich nicht in böser Absicht. Und richtig weh tut es auch nicht, dafür hat sie mich nicht genug erwischt. Aber diese Gelegenheit kommt wahrscheinlich nicht so schnell wieder, und deshalb jaule ich sofort erbärmlich und schnappe dann kurz, aber herzhaft zu. Zack. Grrr. Herrlich!
Aurora stößt einen spitzen Schrei aus und springt in die Luft. »Aua! Verdammt - spinnst du?!«
Sie starrt mich an, und ich versuche, möglichst unschuldig zu schauen und jaule prophylaktisch noch ein bisschen. Aurora reibt sich die Wade - man kann den Abdruck meiner Zähne ziemlich gut sehen.
Daniel guckt ungerührt. »Tja, da bist du dem armen Herkules wohl mächtig auf den Schwanz gestiegen. Sonst ist er ganz lieb.«
Aurora schnappt nach Luft, will anscheinend etwas Böses sagen, lässt es dann aber.
»Ein ganz Lieber, bestimmt. Grüß Carolin, bis bald.«
Dann rauscht sie raus. Daniel guckt mich an. Dann bückt er sich und streichelt mir über den Kopf.
»Gut gemacht, Dicker.«
»Wie sehe ich aus, Herkules?«
Carolin hat ein knielanges Blümchenkleid an und dreht sich vor mir hin und her. Sehr hübsch, das muss ich schon sagen. Außerdem freue ich mich natürlich, dass sie für den gemeinsamen Kochabend mit Daniel ein Blumenmuster wählt. Wenn ich Herrn Beck richtig verstanden habe, ist das doch ein klares Frauenmuster. Ich kombiniere: Carolin will eindeutig wie eine Frau aussehen. Ein gutes Zeichen! Ich setze mich vor sie und wedele mit meiner Rute.
»Aha, das gefällt dir also? Sehr schön, dann lasse ich es an. Und Haare offen lassen oder hochstecken?«
Mit einer geschickten Handbewegung dreht sie ihre langen Haare schnell nach oben und hält sie auf dem Kopf zu einem Knoten. Ich knurre kurz. Offen ist viel schöner - da sieht man die Haare doch viel besser, und kein Hund käme jemals auf die Idee, sein schönes Fell zu verstecken. Erst recht nicht, wenn es so seidig glänzt wie das Haar von Carolin. Da kann ein Rauhaardackel-Spross wie ich doch nur neidisch sein. In dieser Beziehung ist Carolin ein echter Setter, oder mehr noch: ein Golden Retriever. Sie lässt die Haare wieder nach unten fallen.
»Verstehe, offen. Tja, das sieht vielleicht besser aus, ist aber zum Kochen ein bisschen unpraktisch.«
Ich lege den Kopf schief. Ne, offen ist viel schöner!
»Okay, wie wäre denn ein Kompromiss: Beim Kochen stecke ich sie hoch, dann mache ich sie wieder auf. Genau. Gute Idee. Danke, Herkules!«
Bitte, gerne. Ich freue mich, wenn ich helfen kann.
Gut gelaunt läuft Carolin durch die Wohnung und räumt Sachen hin und her. Sie deckt den Tisch, öffnet wieder eine dieser grässlichen Flaschen und gießt den Inhalt mit Schwung in eine andere, größere und rundlichere Flasche. Ein Schwung roter Flüssigkeit landet in dem Gefäß. Sieht ganz hübsch aus, aber was das soll, ist mir schleierhaft. Ich habe es allerdings auch schon das ein oder andere Mal beim alten Eschersbach beobachtet. Vielleicht ein Ritual? Ein Zauber? Für einen gelungenen Abend? Als Dackel bin ich nicht besonders abergläubisch, aber wenn es heute hilft, soll es mir recht sein. Es wäre zu schön, Becks dummen Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ich ihm erzählen könnte, dass Carolin und Daniel doch ein Paar geworden sind.
Es klingelt an der Tür. Das ist bestimmt Daniel. Mann, bin ich aufgeregt! Carolin anscheinend auch, denn sie stürzt zur Tür, legt aber dann eine Vollbremsung vor dem Spiegel rechts daneben hin und mustert sich noch einmal kritisch, bevor sie aufmacht. Erwartungsvoll hefte ich mich an ihre Fersen und gebe das unterstützende Empfangskomitee. Carolin reißt die Tür auf, ich mache Männchen - es ist Nina. Och nö! Was will die denn hier?
»Was willst du denn hier?«
»Das nenn ich mal einen herzlichen Empfang! Danke, mir geht es auch gut, und ich komme gerne rein.«
»Du, das passt mir eigentlich gerade nicht so gut.«
»Hm, ich sehe schon. Du bist für deine Verhältnisse ja regelrecht aufgebrezelt. Wer kommt denn?«
»Daniel. Wir wollen etwas kochen.«
»Ach so, Daniel. Dann kann ich doch wohl einen Moment bleiben. Ich dachte, du hättest ein Date.«
Carolin seufzt, dann tritt sie einen Schritt zur Seite. »Was gibt's denn so Dringendes?«
»Ich glaube, Marc Wagner ist doch nicht so mein Fall.«
»Aha. Wie kommt es denn zu diesem plötzlichen Sinneswandel?«
»Hm, erklär ich dir gleich. Kann ich ein Glas haben?« Sie deutet auf die bauchige Glasflasche, in die Carolin eben die andere Flasche gegossen hat. »Ich muss erst mal was trinken. Mein gestriger Abend war eine echte Pleite.«
»Ja, aber eigentlich wollte ich wirklich ...«
»Danke, das kann ich jetzt gut gebrauchen.« Nina holt sich ein Glas aus dem Schrank, schenkt sich ein und schnuppert kurz an dem roten Zeug. »Hm, lecker, das ist ja ein edler Tropfen. Gibt's irgendetwas Besonderes zu feiern? Wieder irgendeine Hunderttausend-Euro-Geige für Aurora ersteigert?«
Читать дальше