Willi streicht Beck mit einer Hand über den Kopf und schaut ihn nachdenklich an. Auch wenn er kein Prinz ist - ein lieber Mensch ist er allemal. Ob das vielleicht auch reicht? Beck legt eine Pfote auf Willis Arm und zieht ein bisschen an ihm.
»Autsch!«
Offenbar benutzt er dazu seine Krallen, jedenfalls zieht Willi erschrocken seinen Arm zurück. Beck hüpft wieder von der Bank und langt jetzt nach einem Bein von Willi. So gut es mit einer Pfote eben möglich ist, zieht er an dem Hosenbein und maunzt dabei immer wieder.
»Jetzt müsste man mit Tieren sprechen können. Ich wüsste zu gerne, was du von mir willst. Soll ich etwa mitkommen?«
Begeistert schlecke ich Willi sofort die Hände ab. Sie schmecken - nun ja - gewöhnungsbedürftig.
Er lacht. »He, mein Freundchen, du wirst ja ganz wild. War das die Antwort auf meine Frage? Ich soll wirklich mitkommen?«
Irre, wie einfach es ist, mit Menschen zu reden. Das hatte ich mir viel schwerer vorgestellt. Oder aber Willi ist besonders sensibel. Ist im Ergebnis aber egal. Ich springe von seinem Schoß herunter zu Herrn Beck, der Willi erwartungsvoll anschaut und dabei aufgeregt mit seinem Schwanz hin und her wedelt. Willi steht auf und schwankt dabei ein bisschen von links nach rechts. Als er sicher steht, rennt Beck zweimal um ihn herum, dann läuft er Richtung Carolins Haus. Weil mir nichts Besseres einfällt, mache ich es genauso.
»So, und da soll ich wohl hinterher? Ein Dackel und ein Kater wollen mit mir spazieren gehen. Wenn ich das der Dame von der Heilsarmee erzähle, wird sie es gleich wieder auf den Chantre schieben. Dann man los!«
Auf dieses Kommando traben Herr Beck und ich zu dem Parkausgang, der direkt vor unserem Garten liegt. Zwischendurch werfe ich immer wieder einen kurzen Blick über die Schulter - Willi folgt uns brav. Erst als wir am Gartentürchen ankommen, zögert er kurz.
»Also hier? Ist ja'n schönes Haus. Nicht, dass die mich hier für einen Einbrecher halten.«
Ha ha! Ein lustiger Gedanke! Ein Wachhund, der den Einbrecher selbst mitbringt! Ich frage mich, wie Willi darauf kommt. Einen Moment später stehen wir vor der Terrassentür der Werkstatt. Ich kratze an der Scheibe, Willi steht direkt hinter mir und linst neugierig durch das Fenster, dann klopft er schließlich. Daniel kommt und öffnet die Tür. Allerdings nur einen Spalt. »Ja bitte?«
Willi räuspert sich. »Ähm, ja, wie soll ich sagen - diese beiden hier unten haben mich quasi zu Ihnen gebracht.«
Daniel schaut runter, erst jetzt scheint er uns zu sehen.
»Oh, Herkules und Herr Beck - was macht ihr denn da?«
»Also, der kleine Dackel schien eben ziemliche Krämpfe zu haben, jedenfalls ist er vor der Parkbank, auf der ich saß, zusammengebrochen. Und dann kam sein Freund hier und wollte, dass ich mitkomme.«
Daniel schaut durch den Türspalt und hebt eine Augenbraue, was ziemlich lustig aussieht.
»Ah, ja. Der Kater wollte, dass Sie mitkommen. Verstehe.«
»Gut, ich weiß, das klingt seltsam. Vor allem aus dem Mund von so jemandem wie mir. Aber so war es, können Sie mir ruhig glauben. Und dann haben mich die beiden hierhin gebracht.«
In diesem Moment taucht Carolin hinter Daniel auf. »Was ist denn hier los?«
»Der ... äh ... Herr hier behauptet, Herkules und der Kater hätten ihn zu uns gebracht, nachdem Herkules im Park einen Schwächeanfall hatte.«
Carolin tritt neben Daniel und macht die Terrassentür jetzt weit auf.
»Na ihr beiden? Was habt ihr gemacht? Friedliche Parkbesucher angefallen?«
Sie lächelt Willi aufmunternd zu. Hm, vielleicht gefällt er ihr doch? Daniel hingegen rollt genervt die Augen, aber das kann Carolin ja nicht sehen. Willi allerdings schon. Unsicher streicht er sich durch die wirren Haare.
»Ja, also, wie ich Ihrem Mann schon sagte - die beiden haben mich tatsächlich hierhin geführt. Also, ich meine, erst sind sie auf meine Bank gesprungen, und dann hat der Kater mich am Hosenbein gezogen und dann ...«, Willi zögert, die ganze Angelegenheit scheint ihm auf einmal peinlich zu sein. »Ich will dann auch gar nicht weiter stören. Dem Hund scheint es wieder gutzugehen, ich werd dann mal.«
Er will sich gerade umdrehen, als Carolin einen Schritt auf ihn zu Richtung Garten macht.
»Vielen Dank, dass Sie die beiden gebracht haben. Irgendwas scheinen sie ja von Ihnen gewollt zu haben, leider können sie nicht sprechen. Vielleicht fahre ich nachher mal mit Herkules zum Tierarzt. Sicher ist sicher.«
»Ja, sicher ist sicher«, echot Willi. »Ist bestimmt eine gute Idee. Ihnen noch einen schönen Tag.« Dann geht er.
O nein! Was für ein Eigentor! Zum Tierarzt. Ich hätte wissen müssen, dass mich die ganze Nummer wieder zu Doktor Wagner bringt. Unglücklich lasse ich die Nase hängen, Beck steht feixend neben mir.
»So, Herkules, komm rein«, sagt Daniel schließlich und winkt mich durch die Tür. »Und du gehst schön außen herum, Beck. Mir scheint, dass ihr heute schon genug zusammen erlebt habt.«
Daniel scheint sauer zu sein. Ich sehe schnell zu, dass ich mich in meine Kiste verziehe.
»Glaubst du die Geschichte?«, will Carolin wissen. »Ich meine, haben die beiden den wirklich hier angeschleppt? Oder wollte der sich nur mal unseren Hintereingang genauer anschauen, um hier einzubrechen?«
»Der sah mir eigentlich nicht so aus, als ob Wohnhäuser für ihn interessant wären. Eher wie jemand, der im nächsten Kiosk einbricht, um sich seinen Fusel zu besorgen.«
»Aber warum sollte er sich dann so eine Geschichte ausdenken? Oder kannst du dir ernsthaft vorstellen, dass Herkules und Beck ihn hier angeschleppt haben? Und wenn ja, warum?«
Daniel hebt die Hände. »Ganz ehrlich? Keine Ahnung! Krank sieht mir Herkules jedenfalls nicht aus. Vielleicht hat der Alte auch halluziniert. Hat man ja mal, nach einer Flasche Cognac. Ist ja nicht gut für die Gesundheit, nicht wahr?«
Daniel grinst, Carolin wird rot. Sie dreht sich abrupt um und geht ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer. Daniel zögert einen Moment, dann läuft er ihr hinterher.
»Hey, tut mir leid, das war blöd von mir.«
Carolin antwortet nicht. Sie ist richtig böse auf ihn, das merkt selbst ein kurzsichtiger Vierbeiner wie ich. Warum, habe ich zwar nicht ganz verstanden. Aber Daniel hat es wohl sofort kapiert. Er steht jetzt ganz dicht neben ihr und scheint zu überlegen, was er machen soll. Schließlich entscheidet er sich für die Variante, die ich als Hund in so einer Situation auch gewählt hätte: Körperkontakt. Er nimmt Carolin in den Arm und drückt sie ganz fest an sich.
Und in der Luft liegt auf einmal eine Spannung, als hätte der alte von Eschersbach den Trafo am Zaun der Pferdekoppel richtig auf Anschlag gedreht.
ZWÖLF
»Er ist so süß! Ehrlich! Ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr so einen tollen Mann kennengelernt.«
Ninas Augen strahlen, und wenn sie erzählt, reden ihre Hände gleich mit. Mag auch unsere Aktion »Ein Prinz für Carolin« noch nicht von Erfolg gekrönt sein - zumindest ihre beste Freundin scheint endlich fündig geworden zu sein. Jedenfalls sitzt Nina seit einer geschlagenen Stunde auf unserer Couch und schwärmt von Dr. Wagner. Brrr, allein die Vorstellung, dass Nina ihre Zeit freiwillig mit diesem Hundeschinder verbringt, ist abenteuerlich. Ein Mann, an dessen Händen mit Sicherheit Blut klebt! Wenn nicht sogar mein eigenes! Andererseits kann es mir auch egal sein, wichtig ist für mich schließlich nur Carolins Wohlergehen.
Während Ninas Stimme im Hintergrund weiterplappert, schweifen meine Gedanken ab. Wenn das Wetter besser wird, wollen Herr Beck und ich gleich wieder loslegen. Immerhin kann man die Sache mit Willi nicht als totalen Flop bezeichnen. Beck hatte Recht - es war eine schöne Übung, und wir sind ziemlich weit gekommen. Gut, warum Carolin dachte, dass Willi ein Einbrecher sein könnte, ist mir nicht klar. Hatte es vielleicht mit seinem seltsamen Geruch zu tun? Aber den hat Carolin doch bestimmt nicht bemerkt. Dafür ist ihre Nase viel zu schlecht, und Willi stand nie direkt neben ihr. Irgendwas müssen Beck und ich da noch verbessern. Ich werde gleich mal im Garten nach ihm suchen. Vorausgesetzt, Nina kommt irgendwann zu einem Ende, und ich kann wieder mit Carolin in die Werkstatt. Danach sieht es momentan aber leider nicht aus; Nina sprudelt wie ein Wasserfall.
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