»Aber ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag: Bevor Sie nun diesen armen Dackel immer wieder zu mir schleppen - fragen Sie mich doch einfach, ob ich etwas mit Ihnen trinken gehe, wenn Sie mich noch mal sehen möchten.«
Nina schnappt nach Luft und sieht völlig entsetzt aus. Warum nur? Ich finde den Vorschlag super.
»Also wirklich, ich ... ich ...«, dann bricht Nina in Gelächter aus und kann sich kaum noch beruhigen. »Okay, Sie haben mich. Dann aber Nägel mit Köpfen: Heute Abend? Acht Uhr? Im Cavallol«
Wagner nickt. »Sehr gerne, Frau Bogner. Sehr gerne.«
Nina fährt Auto und pfeift dabei laut und gut gelaunt. Immer wieder lacht sie in sich hinein. Dann dreht sie sich kurz zu mir.
»Meine Güte, es ist wirklich unglaublich. Ich habe ihn wirklich gefragt, ob er mit mir heute Abend ins Cavallo geht. Herkules, du bringst mir Glück. Das ist eindeutig.«
Schön zu hören, aber irgendwie ist mir nicht ganz klar, was an der ganzen Angelegenheit so sensationell ist. Wagner hat doch gesagt, dass sie ihm sagen soll, wenn sie ihn mal sehen will. Und wieso hat sich Nina darüber so erschreckt? Es scheint, dass die Kommunikation zwischen Männern und Frauen komplizierter ist, als ein Hund auf den ersten Blick vermuten würde. Also nicht einfach »er sagt was, sie sagt was«. Es muss noch ein geheimes Regelwerk geben, das mir bisher verborgen ist.
Wir halten neben unserem Haus. Endlich wieder daheim! Gut, lange weg war ich nicht, aber ich brenne darauf, mich mit Herrn Beck zu beratschlagen, wie man meinen Spitzenplan in die Tat umsetzen kann. Nina und ich laufen durch den Garten zur Hintertür der Werkstatt. Sie klopft gegen die Scheibe, zwei Sekunden später öffnet Daniel.
»Na, ausgeschlafen?«, will Nina wissen.
»Ja, geht so. Ich werde heute einfach ein bisschen früher ins Bett gehen, dann wird das schon wieder.«
»Sag mal, kannst du heute Herkules mitnehmen? Ich bin heute Abend verabredet, und es ist definitiv ein Ohne-Haustiere-Termin. «
»Oh, ein Date?«
»Sozusagen.«
»Und, Details?«
»Vielleicht später mal.«
»Dann würde ich sagen Halali und Waidmannsheil!«
»Waidmannsdank !«
Ich bin wie elektrisiert! Halali! Wie oft habe ich diesen Ausspruch auf Schloss Eschersbach gehört. Und immer war er der Auftakt zu einem großen Abenteuer, für das ich noch zu klein war. Nur Mama und ihre Schwester durften mit. Opili war schon zu alt, aber er blieb mit uns zu Hause und erzählte von der großartigen Sache, die für einen Dackel das schönste Erlebnis auf der Welt ist: die Jagd. Er schmückte die Schilderungen der Jagd immer so aus, dass ich stets das Gefühl hatte, selbst dabei gewesen zu sein. Der Duft der Kaninchen, die Spur des Rotwilds, der Geruch von Aufregung und Freude - herrlich! Wie sehr freute ich mich damals auf meine erste Jagd. Ich spürte, dass das meine wahre Bestimmung sein würde: Seite an Seite mit meinem Jäger durch die Wälder zu streifen!
Durch meine Nase fährt ein feines Kribbeln - Nina und Dr. Wagner gehen also zur Jagd! Ich bin so aufgeregt, dass mir mein Gespräch mit Herrn Beck auf einmal herzlich egal ist. Dr. Wagner erscheint mir plötzlich in einem ganz anderen Licht. Ein Jäger - kein Wunder, dass Nina ihn gerne wiedersehen wollte! Aber wieso nehmen sie mich dann nicht mit? Ich lege mich direkt vor Ninas Füße und jaule. Ich will mit! Unbedingt!
»Eins steht mal fest: Herkules früherer Besitzer war Jäger. Guck mal, wie er auf das Halali reagiert - richtig aufgeregt ist das Kerlchen!« Daniel bückt sich zu mir herunter und krault mich am Bauch. »Aber das hast du leider falsch verstanden. Die Sorte Pirsch, auf die Nina heute Abend geht, ist für kleine Dackel völlig langweilig. Du verpasst überhaupt nichts, wenn du bei mir bleibst.«
Da ist es wieder, mein Kommunikationsproblem. Und es besteht ganz offensichtlich nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch zwischen Frauen und Dackeln. Genervt beschließe ich, den anderen Vierbeiner im Haus zu suchen. Wenigstens einer, der mich versteht. Und was noch wichtiger ist: den ich verstehe.
»Nu lass mal den Kopf nicht hängen! Ich glaube nicht, dass Nina wirklich zur Jagd geht. Jedenfalls jagt sie garantiert keine Hasen. Sondern eher diesen Tierarzt.« Beck grinst.
Ich stöhne innerlich. Jetzt fängt der auch schon an, in Rätseln zu sprechen! Menschen tun uns Tieren einfach nicht gut.
»Wenn Männer oder Frauen in Bezug auf das andere Geschlecht von der Jagd reden«, doziert Beck jetzt, »dann geht es nicht darum, gemeinsam in den Wald zu fahren und das nächste Wildschwein abzuknallen. Sondern dann geht es in der Regel um die Kunst der Partnersuche. Du verstehst? Männer jagen Frauen, und Frauen jagen Männer. Aber nicht wörtlich gemeint. Das sagen die Menschen einfach nur so.«
Ich schüttle ungläubig den Kopf. »Aber warum? Warum sagen sie nicht einfach, was sie meinen?«
Beck zuckt mit den Schultern »Keine Ahnung. Aus irgendeinem Grund darf derjenige, den der andere als Partner haben will, auf keinen Fall davon erfahren. Im Gegenteil - man muss sich so verhalten, als wolle man mit ihm nichts zu tun haben.«
»Aha. Das ist dann aber doch wie bei der Jagd. Langsames, lautloses Anschleichen. Die Beute bis zum Schluss in Sicherheit wiegen. So erlegt man selbst die Schlausten.«
»So gesehen hast du Recht.«
»Also, diese ganze Partnergeschichte ist demnach eher Pirsch als Treibjagd«, sinniere ich. »Dazu passt natürlich, dass es Nina unangenehm war, als der Tierarzt gleich gemerkt hat, dass sie ihn erlegen will. Um mal im Bild zu bleiben.«
»Richtig. Gerade der Mann darf anscheinend niemals merken, dass die Frau es auf ihn abgesehen hat. Sonst klappt es nicht.«
Als Beck das sagt, fällt mir sofort wieder ein, was ich ihm eigentlich erzählen wollte. »Hast du eigentlich mitgekriegt, wie schlecht es Carolin geht?«, will ich von ihm wissen.
»Tja, Liebeskummer. Das wird schon wieder.«
»Ja, aber sie ist im Krankenhaus!«
»Oh, ich wusste gar nicht, dass Menschen wegen so etwas ins Krankenhaus kommen können. Das tut mir natürlich leid.«
»Das sollte es auch - es war schließlich deine Idee!«
»Moment mal: Was soll das heißen, es war meine Idee?«
»Wenn du nicht die Sache mit Thomas eingefädelt hättest, dann wäre Thomas noch da, und Carolin wäre nicht so unglücklich.«
Beck schnaubt wütend. »Also hör mal - das haben wir doch alles nur für dich getan! Du hattest Angst, dass Thomas dich rausschmeißt, schon vergessen? Außerdem war Carolin vorher auch schon unglücklich. Sie hat es nur nicht so gemerkt.«
Na gut, ganz unrecht hat der Kater nicht, und ich will mich schließlich nicht mit ihm streiten. Also schlage ich versöhnliche Töne an.
»Beruhige dich - ich erzähle dir das nicht, um mich mit dir zu streiten. Sondern weil ich eine sensationelle Idee habe.«
Beck beäugt mich misstrauisch, sagt aber nichts. Dafür wippt seine Schwanzspitze hektisch auf und ab. Um meinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, recke ich mich und mache mich ein Stückchen größer, dann hole ich tief Luft.
»Also, hier kommt der Plan: Wir finden einen neuen Mann für Carolin. Und zwar einen Prinzen. Zumindest einen ganz tollen.«
Tata! Ich bin gespannt auf die Beck'sche Reaktion. Leider kommt keine.
»Hey, immer noch sauer?«
»Nein. Aber die Idee ist Schwachsinn.«
»Wieso? Ich finde sie großartig.«
»Ja, weil du keine Ahnung von Menschen, respektive Frauen, hast.«
Jetzt bin ich derjenige, der beleidigt guckt.
»Herkules, wie stellst du dir das denn vor, einen Mann für Carolin finden? Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Männergeschmack von jungen Frauen und kleinen Hunden so ziemlich unvereinbar ist.«
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