»Aber das ist doch gerade der Punkt! Carolins Männergeschmack! Der ist nicht nur schlecht, der ist katastrophal! Wenn wir warten, bis sie sich wieder selbst einen aussucht, dann haben wir womöglich bald den nächsten Thomas im Haus. Sie weiß einfach nicht, was gut für sie wäre.«
»Ach, aber du weißt das, oder wie?«
»Genau. Ich weiß das. Wir suchen einfach einen Mann, mit dem ich bedenkenlos zur Jagd gehen würde. Einen standesgemäßen natürlich, Carolin ist schließlich nicht irgendwer. Aber auch einen, der treu zu seinem Hund halten würde. Ihn gut behandeln, regelmäßig füttern und viel mit ihm spazieren gehen würde. Denn wer seinen Hund so behandelt, der wird doch erst recht seine Frau so behandeln. Aber auf diese grundlegenden Dinge achtet Carolin einfach nicht.«
Herr Beck seufzt. »Natürlich achtet sie nicht auf so etwas. Sie ist ein Mensch, kein Dackel. Schon vergessen? Außerdem mögen Frauen keine netten Männer.«
»Hä?«
Der arme Beck, das muss die Alterstüdeligkeit sein.
»Ganz recht: Sie mögen keine netten Männer. Denn wenn es anders wäre, wäre Carolin doch längst mit Daniel zusammen. Der ist nämlich ziemlich verliebt in Carolin, jede Wette. Und sie mag ihn auch gerne. Aber er ist einfach zu nett zu ihr. Viel zu nett. So wird das nichts. Thomas hingegen hat im Grunde genommen alles richtig gemacht. Na ja, fast alles. Merk dir mal eins: Wenn du zu nett bist, nehmen dich die anderen Menschen nicht für voll. Und erst recht nicht die Frauen. Meine jahrzehntelangen Studien sagen mir: Nette Männer kommen bei Frauen nicht sonderlich gut an.«
»Du meinst, die Frauen suchen sich absichtlich so ätzende Typen wie diesen Thomas aus?«
»Exakt.«
»Aber das ist ja furchtbar.«
»Tatsache ist: Wenn Daniel oder sonst ein Mann bei Carolin landen will, dann muss er sie schlechter behandeln.«
Ich bin fassungslos - und verwirrt. Das kann doch nicht wahr sein! Es würde im Endeffekt bedeuten, dass Frauen gerne schlecht behandelt werden. Herr Beck muss sich einfach irren, sonst ist meine Prognose für Carolins künftiges Liebesleben mehr als düster. Andererseits: In einem Punkt hat Beck Recht. Daniel ist wirklich sehr nett, und ich habe auch das Gefühl, dass er Carolin unglaublich gerne mag. Es passt eigentlich alles. Es muss also einen Grund geben, warum Carolin sich in Thomas und nicht in Daniel verliebt hat.
Eine Weile sitzen Beck und ich schweigend nebeneinander. Ich muss erst einmal verdauen, was ich gerade gehört habe. Mein schöner Plan - traurig lege ich meinen Kopf auf die Vorderläufe.
»Allerdings«, meint Beck dann, »wenn ich es mir recht überlege: Möglicherweise ist deine Idee doch nicht so blöd. Es ist nun mal eine Tatsache, dass wir Tiere eine sehr viel bessere Menschenkenntnis besitzen als die Menschen selbst. Vielleicht können wir Carolin also doch vor der nächsten Pleite bewahren. Wir müssen sie nur vor ihrem eigenen Geschmack bewahren.«
»Und wie kriegen wir das hin? Du hast doch gerade selbst gesagt, dass das wohl nicht funktionieren wird.«
»Tja«, sagt Beck und legt dabei den Kopf schief, »das wird das Interessante an unserer neuen Aufgabe.«
ELF
»Also los! Hier ist das ideale Revier!« Beck guckt mich zweifelnd an. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Nina hat gesagt, dass es hier vor Prinzen nur so wimmelt.«
»Hat sie das?«
»Na ja, nicht so direkt. Aber so ähnlich. Also vielleicht hat sie nicht >wimmeln< gesagt, aber auf alle Fälle laufen hier einige rum.«
Wir stehen im Park und sehen uns nach Männern um. Was genau wir machen wollen, wenn wir einen gefunden haben, wissen wir noch nicht so recht, aber wir haben beschlossen, uns von der Situation inspirieren zu lassen und dann zu improvisieren. Allerdings nervt mich Becks pessimistische Haltung heute ganz gewaltig. Er findet, ein verregneter Tag sei kein guter Moment, um im Park einen Mann zu finden.
Aber langsam müssen wir damit mal anfangen, denn Carolin ist seit drei Tagen wieder zu Hause. Richtig glücklich sieht sie zwar immer noch nicht aus, aber immerhin arbeitet sie wieder jeden Tag in der Werkstatt. Ich werte das mal als Zeichen, dass es allmählich wieder bergauf geht.
»Da! Ich sehe einen! Da hinten!«
Aufgeregt renne ich in die Richtung, in der ich eben ein Paar Menschenbeine unter einem Regenschirm gesehen habe. Nach zwei Metern merke ich, dass Beck offensichtlich nicht vor hat, hinter mir her zu kommen. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um.
»He, was soll das? Wo bleibst du denn?«
»Herkules, du verrückter Dackel! Das ist doch eindeutig eine Frau!«
»Woher willst du das wissen? Man sieht doch nur die Beine. Und bei dem Regen kann ich nicht riechen, ob Mann oder Frau. Da müssen wir schon nachschauen. Los, gib dir doch wenigstens mal ein bisschen Mühe!«
Es ist heute wirklich furchtbar mit dem Kater. Der wirkt nicht im Geringsten schuldbewusst, sondern grient mich breit an.
»Du musst noch viel lernen, mein Lieber. Unter dem Schirm steckt eine Frau, garantiert. Da muss ich gar nicht erst durch den halben Park hechten.«
»Ach, und woher willst ausgerechnet du das wissen? Für jemanden, der einen Plastikkameraden nicht von einem echten Piepmatz unterscheiden kann, machst du dich ganz schön wichtig.«
Beck ignoriert meinen Seitenhieb komplett, stattdessen macht er mit seiner Pfote eine Bewegung Richtung Zielperson.
»Schau mal genau hin. Der Schirm hat ein ganz auffälliges Blumenmuster.«
Hm, stimmt, große und kleine Blumen bilden aparte Kreise.
»So, und hier wieder eine Lektion in Verstehe den Menschen: Blumen sind ein Frauenmuster. Da brauchst du gar nicht erst hinterher. Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der mit einem Blümchen-Schirm losgezogen wäre. Sparen wir also unsere Energien für den Ernstfall.«
Interessantes Konzept, Muster für Frauen und Muster für Männer. Ich frage mich, wofür das gut sein soll. Ob sich Männer und Frauen sonst nicht gleich erkennen? Immerhin sind ihre Nasen so gut wie taub, da muss man vielleicht auf Hilfskriterien zurückgreifen.
Wir lungern weitere ereignislose zehn Minuten im Park herum. Er ist zwar sehr groß, aber auch ziemlich rund, so dass man von der Mitte aus einen sehr guten Überblick hat. Man sieht: nichts. Kein einziger Mensch ist unterwegs. Langsam beginne ich trotz meines dichten Fells durchzuweichen. Vielleicht hat Herr Beck Recht, und wir sollten wieder nach Hause traben. Gerade will ich Beck meine Niederlage eingestehen, als sich doch noch ein unerschrockener Zweibeiner blicken lässt. Und diesmal ist es eindeutig ein Mann - er hat keinen Schirm in der Hand, sondern joggt ziemlich locker von der rechten Ecke des Parks direkt auf uns zu.
»Nanu, will der zu uns?«, wundere ich mich.
»Scheint so zu sein. Wahrscheinlich will er abkürzen. Ist ja kein Vergnügen, bei dem Wetter durch die Gegend zu rennen«, stichelt Beck. »So, gleich ist er da. Du wolltest doch improvisieren. Dazu hast du jetzt reichlich Gelegenheit, ich habe nämlich überhaupt keinen Plan, wie wir uns den Kerl genauer anschauen können. Und wir wollen doch nicht einfach irgendwen für Carolin aufgabeln, oder?«
Also echt, der nervt. Warum ist er dann überhaupt mitgekommen, wenn er sowieso alles doof findet? Als Jagdhund wäre Beck wahrscheinlich schon längst wegen Defätismus von seinem Herrchen erschossen worden. Andererseits ist der Jogger wirklich gleich da. Und ja, ich habe noch keinen tollen Plan. Fieberhaft grüble ich nach.
Der Jogger hat uns schon fast passiert, da schmeiße ich mich kurzentschlossen und mit einem herzzerreißenden Jaulen direkt vor seine Füße. Es sieht mit Sicherheit so aus, als hätte ich furchtbare Schmerzen und brauchte dringend Hilfe. Wolln doch mal sehen, ob der Herr Tierfreund ist und sich um mich kümmert. Das mit dem Prinzen können wir dann immer noch herausfinden.
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