Die Männer hatten das Achterdeck verlassen und waren unterwegs zum Kontrollraum.
»Hat er den Meteoriten an sich gebracht?«, wollte Cabrillo wissen.
»Er war verschwunden«, erklärte Hanley, während er die Tür zum Kontrollraum offen hielt. »Wir empfangen zwar Peilsignale von den Minisendern, die du auf den Meteoriten gestreut hast, doch sie setzen zeitweise aus.«
Die Männer betraten den Kontrollraum.
»Woher kommen die Signale?«, fragte Cabrillo.
Hanley deutete auf einen Monitor. »Sieh es dir an«, sagte er. »Zuerst waren die Signale nach Norden unterwegs, aber jetzt sind sie nach Osten umgeschwenkt und haben das Meer um Island als Ziel.«
»Der Meteorit hat offensichtlich das Schiff gewechselt«, murmelte Cabrillo nachdenklich, »aber warum?«
»Genau das ist die Frage«, pflichtete ihm Hanley bei.
»Wie weit sind wir von der Akbar entfernt?«
Ohne eine Antwort darauf zu geben, tippte Eric Stone einige Befehle in den Computer, und auf einem Monitor an der Wand erschien ein Bild. Es stammte von einer Videokamera, die zusammen mit einigen Scheinwerfern am Bug der Oregon installiert war und das aktuelle Geschehen festhielt.
Die Akbar befand sich dicht vor ihnen.
Die Free Enterprise stampfte mit voller Kraft durch die schwere See.
»Laufen Sie die Faröer an«, sagte der Mann über eine abhörsichere Verbindung. »Ich schicke jemanden zum örtlichen Flughafen, um das Paket zu übernehmen.«
»Welchen Kurs sollen wir danach nehmen?«, fragte der Kapitän.
»Calais«, erwiderte der Mann, »das restliche Team wartet dort.«
»In Ordnung, Sir«, sagte der Kapitän.
Doch der Mann war noch nicht fertig. »Eine Sache …«
»Ja, Sir.«
»Bestellen Sie dem Team, dass jeder mit einem Fünfzigtausend-Dollar-Bonus rechnen kann«, sagte er, »und sorgen Sie dafür, dass sie darüber informiert werden, dass Hughes’ Hinterbliebene für ihren Verlust angemessen entschädigt werden.«
»Sie können sich auf mich verlassen, Sir«, versprach der Kapitän.
Der Mann unterbrach die Verbindung, dann nahm er einen Dokumentenordner von seinem Schreibtisch und holte den Kaufvertrag für die englische Textilfirma sowie die Zahlungsanweisung für den Kaufpreis heraus. Er unterschrieb beides, ließ die Schriftstücke durch ein Faxgerät laufen und wartete darauf, dass ihm der Versand der Dokumente quittiert wurde.
Sobald er die Bestätigung erhalten hatte, entspannte er sich und atmete tief durch.
Der erste Teil seines Plans war nun abgeschlossen. Nicht mehr lange, und es wurde Zeit zum Kassieren.
Zur gleichen Zeit, als das Fax über die Telefonleitung nach England unterwegs war, umrundete der Frachter Larissa das Kap Finisterre. Danach ging der Kapitän auf Kurs nach Brest, das an der westlichen Spitze Frankreichs lag, wo der Ärmelkanal begann. Die Nacht war kalt und klar, am Himmel funkelten Myriaden von Sternen.
Er beobachtete, wie eine Sternschnuppe übers Firmament schoss.
Mit einem zufriedenen Kopfnicken zündete er sich eine Zigarette an, trank einen Schluck Ouzo aus einer silbernen Taschenflasche und kratzte sich dann am Arm. Die gerötete Stelle juckte heftig, und ein Blutstropfen quoll aus einem kleinen Hautriss. Mit einem schmuddeligen Lappen wischte er ihn weg.
In zwei Tagen träfen sie in London ein, dann würde er den Ausschlag behandeln lassen.
Unter Einsatz der computergesteuerten Korrekturdüsen näherte sich Hanley mit der Oregon der Akbar längsseits.
Cabrillo war der Erste, der umstieg. Ihm folgten Eddie Seng, Pete Jones, Bob Meadows und Linda Ross. Mark Murphy wartete an Deck. Fetzen seiner Latexmaske klebten immer noch an seinem Haaransatz. Sobald Cabrillo an Deck erschien, deutete Murphy auf die offene Tür.
»Erzähl mal, was du gehört hast und was danach geschah«, sagte Cabrillo, während er Murphy in den Hauptsalon folgte.
Mark Murphy beschrieb die halblauten Knalllaute und berichtete dann von dem maskierten Mann, der plötzlich in seiner Kabine stand.
»Es war nach fünf Minuten vorbei«, sagte er, während sich das restliche Team im Salon einfand. »Ich habe dann noch zehn Minuten gewartet, ehe ich mich raustraute.«
»Durchsucht jeden Winkel, jede Nische«, befahl Cabrillo, »ich will endlich ein paar Antworten.«
Das Team teilte sich auf und schwärmte im Schiff aus. Gewehre und Pistolen waren in allen Kabinen verstreut, desgleichen Kleider, persönliche Gegenstände, Koffer und Reisetaschen. Die Betten waren zerwühlt, und bei einigen waren die Tagesdecken zurückgeschlagen. In jeder Kabine befand sich mindestens ein Exemplar des Koran — und noch immer standen unter vielen Betten Schuhe.
Es war, als wäre ein UFO gelandet und hätte die Männer einkassiert und in den Weltraum entführt.
Auf der Oregon vergewisserte sich Hanley, dass die Antriebsdüsen einwandfrei arbeiteten, dann wandte er sich zu Eric Stone um. »Übernimm das Ruder«, sagte er, »ich gehe rüber.«
Stone nahm Max Hanleys Platz ein und veränderte die Position der Kameras an Deck, um das Geschehen lückenlos verfolgen zu können.
Hanley stieg auf die Akbar um und begab sich sofort zum Hauptsalon. Bob Meadows wanderte mit einem Geigerzähler um den langen Esstisch herum.
»Der Stein war hier«, meinte er, während Hanley den Raum durchquerte.
Am Ende des Aufgangs ließ sich Linda Ross, die für die Sicherheit und bestimmte Überwachungsaufgaben zuständig war, bei ihrer augenblicklichen Tätigkeit nicht stören. Sie hatte eine Sprayflasche mit einer blauen Flüssigkeit in der Hand und benetzte damit die Wände. Dann, während Hanley an ihr vorbeiging, setzte sie so etwas wie eine Schneebrille auf. Hanley ließ sich ebenso wenig von seinem augenblicklichen Vorhaben ablenken und setzte seinen Weg unbeirrt fort.
»Wenn sie auf ein anderes Schiff umgestiegen sind«, sagte Cabrillo zu Murphy genau in dem Moment, als Hanley die Kabinentür öffnete, »warum haben sie dann ihre persönlichen Sachen nicht mitgenommen?«
»Vielleicht wollten sie nichts bei sich haben, das sie mit diesem Ort hier hätte in Verbindung bringen können«, erwähnte Hanley als einen möglichen Grund.
»Das ergibt überhaupt keinen Sinn«, sagte Cabrillo. »Sie machen sich die Mühe, jemanden zu entführen, den sie für den Emir von Katar halten, und dann lassen sie ihn mitsamt einer mehrere Millionen teuren Jacht völlig unbewacht zurück?«
»Vielleicht haben sie die Absicht, irgendwann wieder hierher zurückzukehren«, bot Mark Murphy eine Erklärung an.
In diesem Augenblick schob Eddie Seng den Kopf zur Kabinentür herein. »Max, Linda möchte dir was zeigen«, sagte er.
Die vier Männer drängten sich in den engen Gang, in dem Linda Ross arbeitete. Auf einer Wand waren bestimmte Bereiche durch Schaumspray voneinander abgegrenzt. Innerhalb der Schaumstreifen schimmerten die Wandbereiche bläulich. Linda Ross nahm ihre Spezialbrille ab und reichte sie Cabrillo. Sie enthielt sich jeden Kommentars.
Cabrillo setzte die Brille auf und betrachtete die Wand. Das fluoreszierende Leuchten von Blutspritzern erinnerte an ein Gemälde von Jackson Pollock. Cabrillo streifte die Brille ab und reichte sie an Max Hanley weiter.
»Sie haben versucht, alles zu reinigen«, sagte Linda Ross, »aber es war ein eiliger und schmutziger Job.«
In diesem Moment drang Stones Stimme aus dem Walkie-Talkie, das an Cabrillos Gürtel befestigt war.
»Juan, Max«, sagte er, »hier ist etwas, das müsst ihr euch ansehen.«
Die beiden Männer eilten durch den Korridor und den Hauptsalon hinaus aufs Achterdeck und zurück auf die Oregon. Kurz darauf marschierten sie durch den Korridor, an dessen Ende sich der Kontrollraum befand.
Cabrillo öffnete die Tür. Eric Stone deutete auf einen Monitor an der Wand.
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