«Ich habe nie geglaubt, daß ich jemand umbringen kann«, sagte Tracy zu Günther,»aber Jeff Stevens würde ich mit dem größten Vergnügen abstechen wie ein Schwein.«
Günther antwortete milde:»Ach, du meine Güte. Hoffentlich nicht in diesemBüro. Er kommt nämlich gleich hierher.«
«Was?«Tracy sprang auf.
«Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß ich etwas für Sie habe. Aber Sie werden einen Partnerbrauchen. Und meiner Meinung nach ist Jeff Stevens der einzige, der…«
«Lieber sterbe ich!«fauchte Tracy.»Jeff Stevens ist ein hundsgemeiner…«
«Ach, Sie reden von mir?«Jeff stand in der Tür und strahlte.»Tracy, Sie sehen noch phantastischer aus als sonst. Günther, mein teurer Freund, wie geht es Ihnen?«
Diebeiden Männer schüttelten sich die Hand. Tracy stand daneben, von kaltem Zorn erfüllt.
Jeff schaute sie an und seufzte.»Sie sind wahrscheinlich etwas sauer auf mich.«
«Etwas! Ich…«Ihr fehlten die Worte.
«Tracy — also, wenn ich das mal sagen darf… Ich finde, daß Ihr Plan glänzend war. Ehrlich. Einfach glänzend. Sie haben nur einen kleinen Fehler gemacht. Trauen Sie nie einem Schweizer, dem der rechte Zeigefinger fehlt.«
Tracy holte tief Luft undbemühte sich, nicht zu explodieren. Sie wandte sich Günther zu.»Ich rede später mit Ihnen, Günther.«
«Tracy…«
«Nein. Was es auch ist, ich will nichts damit zu tun haben. Nicht, wenn er mitmacht.«
Günther sagte:»Wollen Sie es sich nicht wenigstens anhören?«
«Es hat keinen Sinn. Ich…«
«In drei Tagen schickt DeBeers ein Päckchen Diamanten im Wert von vier Millionen Dollar mit einem Transportflugzeug der Air France von Paris nach Amsterdam. Ich habe einen Kunden, der diese Steine unbedingt erwerben möchte.«
«Warum stauben Sie die Dinger dann nicht auf dem Weg zum Flughafen ab? Ihr Freund hier ist Fachmann für so was. «Tracy konnte es nicht verhindern, daß ihre Stimmebitter klang.
Sie ist einfach großartig, wenn sie wütend ist, dachte Jeff.
Günther sagte:»Weil die Diamanten zu gutbewacht sind. Wir stauben sie während des Flugs ab.«
Tracyblickte ihn verdutzt an.»Während des Flugs? In einem
Transportflugzeug?«
«Wirbrauchen jemand, der klein genug ist, um sich in einem der Container zu verstecken. Wenn die Maschine in der Luft ist, muß dieser Jemandbloß aus seinem Container schlüpfen, den von DeBeers öffnen, das Päckchen Diamanten an sich nehmen, ein Duplikat an dessen Stelle legen und wieder in seinen Container zurückkriechen.«
«Und ichbin klein genug für einen solchen Container.«
Günther sagte:»Es geht nicht nur darum, Tracy. Wirbrauchen jemand, der intelligent ist und gute Nerven hat.«
Tracy dachte nach.»Der Plan gefällt mir, Günther. Was mir nicht gefällt, ist, daß ich mit ihm zusammenarbeiten muß. Dieser Mann ist ein Ganove.«
Jeff grinste.»Sind wir das nicht alle, mein Herz? Güntherbietet uns eine Million Dollar, wenn wir das Ding drehen können.«
Tracy schaute Günther mit großen Augen an.»Eine Million Dollar?«
Günther nickte.»Eine halbe Million für jeden.«
«Es wird klappen«, erklärte Jeff,»weil ich einenBekannten in der Lagerhalle des Flughafens habe. Er hilft uns, die Geschichte über dieBühne zubringen. Man kann ihm voll und ganz vertrauen.«
«Im Gegensatz zu Ihnen«, erwiderte Tracy.»Auf Wiedersehen, Günther.«
Sie rauschte aus demBüro.
Günther sah ihr nach.»Sie ist Ihnen wirklichböse wegen Madrid, Jeff. Ich fürchte, sie spielt nicht mit.«
«Da sind Sie auf dem Holzweg«, sagte Jeff munter.»Ich kenne Tracy. Sie kann der Versuchungbestimmt nicht widerstehen.«
«Vor der Verladung ins Flugzeug werden die Container verplombt«, erläuterte Ramon Vauban, ein junger Franzose
mit altem Gesicht und dunklen, toten Augen. Er warbei der Air France für das Verladen der Fracht verantwortlich, und ohne ihn konnte der Plan nicht gelingen.
Vauban, Tracy, Jeff und Günther saßen an einem Tisch auf einem der Aussichtsboote, die Rundfahrten auf der Seine machen.
«Wenn die Container verplombt sind«, fragte Tracy,»wie komme ich dann rein?«
«Für das, was in letzter Minute angeliefert wird«, antwortete Vauban,»nehmen wir große Holzkisten. Sie sind an einer Seite offen und nur mit einer Segeltuchplane verhängt, die mit Stricken festgezurrt wird. Aus Sicherheitsgründen treffen wertvolle Frachtgüter wie Diamanten immer erst kurz vor dem Start ein, damit sie als letztes ein- und als erstes ausgeladen werden.«
Tracy sagte:»Und die Diamanten sind in so einer Kiste?«
«Richtig, Mademoiselle. Ich würde dafür sorgen, daß die Kiste mit Ihnen neben die Kiste mit den Diamanten gestellt wird. Dann müssen Sie nur noch die Stricke durchschneiden, wenn die Maschine in der Luft ist, die Kiste mit den Diamanten öffnen, die Kästchen austauschen, in Ihren Container zurückschlüpfen und ihn wieder dicht machen.«
Günther fügte hinzu:»Wenn die Maschine in Amsterdam gelandet ist, werden die Wachleute das falsche Kästchen abholen undbei den Diamantschleifern abliefern. Es wird einige Zeit dauern, bis der Schwindel auffliegt. Und dann sitzen Sie schon längst in einer anderen Maschine und sind außer Landes. Glauben Sie mir — es kann nichts schiefgehen.«
Bei diesen Worten lief Tracy ein Schauer über den Rücken.»Wie ist es«, fragte sie,»friere ich mich da oben nicht tot?«
Vauban lächelte.»Mademoiselle, heutzutage sind auch Transportflugzeuge geheizt. Sie haben oft Vieh und Haustiere anBord. Es ist ganz gemütlich. Einbißchen eng vielleicht, aber man kann es aushalten.«
Tracy hatte sich schließlich doch nochbreitschlagen lassen, sich den Plan wenigstens anzuhören. Eine halbe Million Dollar für ein paar Stunden Unbequemlichkeit. Sie hatte das Projekt unter allen Aspektenbetrachtet. Es kann klappen, dachte Tracy. Wennbloß Jeff Stevens nicht mit von der Partie wäre!
Ihre Gefühle für ihn waren so widersprüchlich, daß es sie verwirrte und erboste. Er hatte sie in Madrid einfach spaßeshalber reingelegt. Er hatte sie verraten undbetrogen, und jetzt kicherte er insgeheim über sie.
Die drei Männer schauten Tracy an und warteten auf ihre Antwort. DasBoot fuhr gerade unter dem Pont Neuf durch. Am Ufer der Seine umarmten sich zwei Verliebte, und Tracy sah den glückseligen Ausdruck im Gesicht der Frau. Die ist schön dumm, dachte Tracy. Und nun traf sie ihre Entscheidung.
Sieblickte Jeff starr in die Augen und sagte:»Okay. Ich mache mit. «Und sie spürte, wie sich die Spannung am Tisch löste.
«Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Vauban. Er wandte sich Tracy zu.»MeinBruder arbeitetbei einer Spedition. Er wird Sie im Lagerhaus seiner Firma in einen Container schmuggeln. Hoffentlich leiden Sie nicht an Klaustrophobie, Mademoiselle.«
«Machen Sie sich nur keine Sorgen meinetwegen… Wie lang dauert die Reise?«
«Ein paar Minuten auf der Laderampe und eine Stunde Flug nach Amsterdam.«
«Wie groß ist der Container?«
«Groß genug, daß Sie sich hinsetzen können. Es werden noch ein paar andere Sachen mit drin sein, damit Sie gut versteckt sind — für alle Fälle.«
Es kann nichts passieren, hatte Günther versprochen. Aber für alle Fälle…
«Ich habe hier eine Liste der Dinge, die Siebrauchen«, sagte
Jeff.»Ist schon alles arrangiert.«
Der Mistkerl. Er war von Anfang an sicher gewesen, daß sie mitmachen würde.
DasBoot legte am Kai an.
«Wir können die letzten Einzelheiten noch morgen frühbesprechen«, sagte Ramon Vauban.»Ich muß jetzt wieder zur Arbeit. Au revoir. «Und damit ging er.
Jeff fragte:»Wollen wir gemeinsam zu Abend essen und einbißchen feiern?«
«Tut mir leid«, entschuldigte sich Günther,»ich habe schon eine Verabredung, die ich einhalten muß.«
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