»Ich nehme an, es wurde mit Whisky verabreicht, nicht wahr, Doktor?« fragte der Inspektor abwesend.
»Darüber gibt es keinen Zweifel«, gab der Toxikologe zurück. »Der Magen beinhaltete eine große Menge an Whisky. Zweifellos wird es so für den Mörder recht problemlos gewesen sein, das Zeug seinem Opfer zu verabreichen. Wo der Whisky heutzutage sowieso meist nach Äther riecht. Und außerdem hatte Field das Gift wahrscheinlich schon heruntergeschluckt, bevor er bemerkte, daß etwas nicht stimmte – wenn ihm das überhaupt aufgefallen ist.«
»Hätte er das Zeug nicht herausschmecken können?« fragte Ellery müde.
»Ich habe es noch nicht probiert, junger Mann, deshalb kann ich es nicht mit Sicherheit sagen«, antwortete Dr. Jones schon etwas gereizt. »Aber ich möchte es bezweifeln; auf jeden Fall nicht so sehr, daß es ihn beunruhigt hätte. Wenn er es einmal geschluckt hatte, hätte es auch keinen Unterschied mehr gemacht.«
Queen wandte sich an Prouty, der seine Zigarre hatte ausgehen lassen. Er hatte ein gesundes Nickerchen eingelegt. »Hören Sie, Doc!«
Prouty öffnete verschlafen die Augen. »Wo sind meine Pantoffeln – immer sind meine Pantoffeln weg – verdammt!«
Trotz der leicht gespannten Atmosphäre brachen alle auf Kosten des Polizeiarztes in schallendes Gelächter aus. Als er so weit zu sich gekommen war, daß ihm bewußt wurde, was er gesagt hatte, stimmte er in ihr Gelächter ein und sagte: »Das zeigt nur, daß ich besser nach Hause gehe, Queen. Was wollten Sie wissen?«
»Erzählen Sie mir«, sagte Queen, sich immer noch vor Lachen schüttelnd, »Was haben Sie bei der Analyse des Whiskys herausgefunden?«
»Oh!« Prouty war sofort wieder bei der Sache. »Der Whisky in der kleinen Flasche war so gut, wie ein Whisky nur sein kann – und ich mache ja seit Jahren nichts anderes mehr als Alkoholproben. Es war das Gift in dem Alkoholgeruch, den er ausdünstete, durch den ich zunächst auf die Idee kam, daß er schlechten Fusel getrunken hatte. Auch der Whisky, den Sie mir aus Fields Wohnung rübergeschickt hatten, war von bester Qualität. Wahrscheinlich waren alle Flaschen gleicher Herkunft. Ich würde sogar behaupten, daß alles importierte Ware war. Ich bin seit dem Krieg auf keinen einheimischen Whisky von diesem Format mehr gestoßen – das heißt, außer diesem Vorkriegszeug, das auf Lager gelegt worden war … Ich nehme an, Velie hat Ihnen berichtet, daß das Ginger Ale auch in Ordnung war.«
Queen nickte. »Nun, damit ist das Thema wohl abgeschlossen«, sagte er betrübt. »Es sieht so aus, als würden wir, was das Tetrableiäthyl angeht, vollkommen im dunklen tappen. Um ganz sicherzugehen, Doc – arbeiten Sie weiter mit dem Professor zusammen, und versuchen Sie, eine mögliche undichte Stelle bei der Verteilung des Giftes zu finden. Ihr Spezialisten wißt mehr darüber als irgendein anderer, den ich auf den Fall ansetzen könnte. Es ist natürlich nur ein Schuß ins Dunkle und wahrscheinlich kommt nichts dabei heraus.«
»Das ist zweifellos richtig«, murmelte Ellery. »Ein Schriftsteller sollte sich eben um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Ich glaube«, bemerkte Ellery eifrig, nachdem die beiden Doktoren gegangen waren, »ich schlendere mal hinunter zu meinem Buchhändler wegen der Falconer-Ausgabe.« Er stand auf und begann, hastig nach seinem Mantel zu suchen.
»Hiergeblieben!« schnauzte der Inspektor und zog ihn auf einen der Stühle zurück. »Nichts zu machen. Dein verdammtes Buch läuft dir nicht weg. Ich will, daß du hier sitzen bleibst und dir mit mir den Kopf zerbrichst.«
Ellery machte es sich mit einem Seufzer in den Lederpolstern bequem. »Immer wenn ich gerade zu der Erkenntnis komme, daß alle Nachforschungen im Bereich des menschlichen Fehlverhaltens sinnlos und reine Zeitverschwendung sind, legt mein werter Herr wieder die Last des Denkens auf meine Schultern. Nun gut! Was steht auf dem Programm?«
»Ich lege dir überhaupt keine Last auf«, knurrte Queen. »Und hör auf, solche Sprüche zu klopfen. Ich bin durcheinander genug. Du sollst mir nur helfen, dieses verflixte Durcheinander von einem Fall durchzugehen und zu sehen – nun, was wir sehen können.«
»Ich hätte es mir denken können«, sagte Ellery. »Wo fange ich an?«
»Du fängst überhaupt nicht an«, brummte der Vater. »Das Reden übernehme ich heute abend, und du hörst zu. Und vielleicht kannst du ab und zu ein paar Notizen machen.
Laß uns mit Field anfangen. Ich glaube, wir können zunächst einmal davon ausgehen, daß unser Freund am Montag abend nicht zu seinem Vergnügen, sondern aus geschäftlichen Gründen ins Römische Theater gegangen ist. Richtig?«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, sagte Ellery. »Was hat
Velie über Fields sonstige Aktivitäten am Montag berichtet?« »Wie gewöhnlich kam Field um halb zehn in sein Büro. Er arbeitete bis mittags. Um zwölf Uhr aß er alleine im Webster Club zu Mittag, und um halb zwei kehrte er in sein Büro zurück. Er arbeitete bis vier Uhr durch – und scheint danach direkt nach Hause gegangen zu sein, da sowohl der Portier als auch der Liftjunge bezeugen, daß er um halb fünf bei seiner Wohnung ankam. Mehr konnte Velie nicht herausfinden – außer daß Michaels um fünf Uhr kam und um sechs Uhr wieder ging. Field verließ seine Wohnung abends um halb acht in der Kleidung, in der wir ihn gefunden haben. Ich habe eine Liste der Klienten, die er den Tag über traf, aber die ist nicht sehr aufschlußreich.«
»Und was ist nun der Grund für seinen niedrigen Kontostand?« fragte Ellery.
»Genau das, was ich mir gedacht habe«, gab Queen zurück. »Field hat mit schöner Regelmäßigkeit an der Börse verloren – und nicht gerade Pfennigbeträge. Velie hat einen Wink bekommen, daß Field ständiger Gast an der Rennbahn war, wo er ebenfalls beträchtliche Verluste hatte. Er war anscheinend eine leichte Beute für einige Neunmalkluge, obwohl er selbst so gerissen war. Auf jeden Fall erklärt das, warum er so wenig Bares auf seinem Privatkonto hatte. Und mehr noch – es erklärt wahrscheinlich auch sehr viel schlüssiger den Eintrag ›50.000‹ auf dem Programm, das wir gefunden haben. Er bedeutete Bargeld, und das Geld, auf das er sich bezog, steht in irgendeiner Weise in Verbindung mit der Person, die er im Theater treffen wollte, da bin ich mir sicher. Außerdem können wir, glaube ich, ohne weiteres die Schlußfolgerung ziehen, daß Field seinen Mörder gut gekannt haben muß. Zum einen hat er einen Drink akzeptiert – anscheinend ohne Verdacht; zum anderen muß das Treffen zum Zwecke der Geheimhaltung vorher genau vereinbart worden sein – warum sonst, wenn nicht aus diesem Grund, wurde überhaupt das Theater dafür ausgesucht?«
»In Ordnung. Ich will dir dieselbe Frage stellen«, warf Ellery ein und schürzte die Lippen. »Warum sollte überhaupt ein Theater als Treffpunkt für eine geheime und zweifelsohne schändliche Transaktion ausgewählt werden? Wäre ein Park nicht sehr viel sicherer gewesen? Hätte eine Hotellobby nicht ihre Vorteile gehabt? Erklär mir das!«
»Unglücklicherweise, mein Sohn«, sagte der Inspektor mit sanfter Stimme, »konnte Mr. Field nicht vorher wissen, daß er ermordet werden sollte. Was ihn betraf, hatte er nur die Absicht, sich um seinen Teil der Transaktion zu kümmern. Tatsächlich könnte Field selbst das Theater als Treffpunkt ausgesucht haben. Vielleicht wollte er für irgend etwas ein Alibi haben. Wir können einfach nicht wissen, was er wirklich vorhatte. Was die Hotellobby betrifft – er wäre dabei sicherlich das Risiko eingegangen, erkannt zu werden. Er wollte wahrscheinlich auch nicht riskieren, sich an einen so einsamen Ort wie einen Park zu begeben. Und schließlich hatte er vielleicht einen besonderen Grund, nicht in Gesellschaft dessen, den er traf, gesehen zu werden. Denk daran – die Kontrollabschnitte, die wir gefunden haben, zeigen, daß die andere Person nicht zusammen mit Field das Theater betreten hat. Aber das sind alles sinnlose Spekulationen –«
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