Dann erzitterte die Hintertür unter schweren Axthieben.
Hawkwood trat von der Tür zurück und kam hinter den Tisch zu den anderen. »Wie schwer ist er verletzt?«
Die Hintertür erbebte unter dem Ansturm.
»Die Kugel hat seine Schulter durchschlagen«, sagte Jess Flynn.
Lasseur drehte die Pistole in seiner Hand um. »Ich habe kein Pulver mehr.«
Hawkwood sah auf die Pulverflasche, die er beim Spülstein liegen gelassen hatte. Vielleicht konnte er sie noch holen.
Das Holz um das Türschloss splitterte. Plötzlich erschien die Axtklinge in der Öffnung, wurde wieder zurückgezogen und nahm ein großes Stück der Tür mit.
Vielleicht doch nicht.
»Ich auch nicht«, sagte Hawkwood, »aber das wissen die ja nicht.«
Lasseur musste lächeln.
»Kopf runter, Jess«, sagte Hawkwood.
Dann, plötzlich, schien die Zeit stillzustehen. Es wurde still. Die Axthiebe an der Tür hörten auf. An der Vordertür war auch nichts zu hören, außer einem leisen Knistern.
»Hier scheint etwas zu brennen«, sagte Lasseur.
Mit lautem Krachen wurde die Hintertür aufgestoßen.
Die Strohbündel brannten lichterloh. In schneller Folge wurden drei davon durch die Tür geworfen und landeten in einem Funkenregen auf dem Boden. Eins brach auseinander, wobei die brennenden Halme in alle Richtungen flogen. Das Prasseln im Wohnraum wurde lauter, als noch mehr brennendes Stroh durch die kaputten Fenster geworfen wurde. Die Flammen erfassten Vorhänge und Möbel und leckten bereits hinauf bis zu den Deckenbalken. Rauchschwaden wälzten sich über den Fußboden.
»Raus!«, schrie Hawkwood. Er rannte zur Tür und eine Kugel pfiff an ihm vorbei und drang in die Wand ein. Ein zweiter Schuss fiel. Jetzt wusste er, dass Pepper ihnen nicht erlauben würde, das brennende Haus zu verlassen.
Ein weiterer Teller fiel vom Küchenschrank und zerbrach hinter ihm. In der anderen Hälfte des Hauses brannte der Wohnraum schon lichterloh, die Flammen hatten bereits die Decke erreicht. Von den Wänden platzte der Putz. Der Rauch wurde immer dicker und beißender.
»In den Keller!« rief Hawkwood.
Lasseur schob den Tisch zur Seite. Jess Flynn riss die Falltür auf. Sofort kam der Hund herausgeschossen wie eine zottelige braune Kanonenkugel, doch sie hatte ihn schon mit beiden Händen am Fell gepackt und hielt ihn mit aller Kraft fest. Der Hund jaulte laut auf und versuchte zu entkommen, aber sie hielt ihn mit grimmiger Entschlossenheit fest und bugsierte das laut protestierende Tier, dessen Krallen hilflos auf dem Steinboden abrutschten, wieder in den Keller zurück, wohin sie ihm folgte. Lasseur beugte sich zu Tom Gadd hinab und hob ihn auf. Der verwundete Mann stöhnte, als Lasseur ihn hinunter in die Dunkelheit trug.
Hawkwood wollte Lasseur gerade folgen, als er unter dem Spülstein einen Eimer sah. Er vermutete, dass Jess damit Wasser aus dem Bach holte, aber er wusste nicht, ob er jetzt voll war. Er zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde, als er Lasseur rufen hörte. Dann riskierte er es und holte den Eimer. Er war halbvoll. Hawkwood ergriff ihn und ging in die Vorratskammer. Er glaubte, einen Schuss hinter sich zu hören. Pepper oder einer seiner Männer musste gesehen haben, dass sich im Rauch noch etwas bewegte. Mit tränenden Augen, die Flammen dicht hinter sich, stieg er die Kellertreppe hinunter und schloss die Falltür.
»Wir dachten schon, Pepper hat dich erwischt«, sagte Lasseur. Er klang ungehalten. »Was hast du denn noch gemacht? Was hast du da?« Sein Ton wurde jedoch ruhiger, als er sah, was in dem Eimer war.
Jess Flynn hatte eine Kerze angezündet. Sie gab sie Lasseur, der sie über Gadds Wunde hielt. »Halt sie still«, sagte sie.
Vorsichtig zog sie das blutgetränkte Hemd von der Wunde und untersuchte die Einschussstelle, die die Pistolenkugel in dem Stoff hinterlassen hatte. Sie schob die zerrissenen Ränder zusammen. Hawkwood wusste, dass sie prüfte, ob von dem Stoff etwas in die Wunde eingedrungen war. Wenn das der Fall war, dann war die Gefahr einer tödlichen Infektion durch den schmutzigen Stoff größer als durch die eigentliche Verletzung und den Blutverlust. Die blutigen Ränder des Risses passten genau aneinander. Sie atmete erleichtert auf. Die Wunde sah sauber aus.
Hawkwood zog sein Messer heraus und schnitt einen Streifen Stoff von Gadds Hemd ab. Jess nahm es, machte es im Eimer nass und fing an, das Blut von Gadds Schulter abzuwaschen. Gadd stöhnte und öffnete kurz die Augen. »Es war Jed Cooper, der auf mich geschossen hat.« Er blinzelte Lasseur an. »Hoffe, Sie kriegen den Bastard.«
»Ganz ruhig, Tom«, sagte Hawkwood. »Nicht reden.«
Gadd verstummte und zuckte nur kurz zusammen, als der nasse Lappen seine Wunde streifte.
Hawkwood sah sich um. Der Keller war nicht groß, er hatte etwa die Größe der Küche darüber. Körbe mit Obst und Gemüse standen auf Regalen ringsum an den Wänden.
»Ich weiß nicht, ob wir hier besonders sicher vor dem Feuer sind. Der Keller ist aus Stein, also wird er nicht brennen, aber wenn zu viel Rauch hier eindringt, sind wir verloren. Uns wird die Luft ausgehen, und dann wäre es besser gewesen, wenn Pepper uns erschossen hätte. Wenn du unter deinem Rock noch ein paar Unterröcke anhast, Jess, dann könnten wir die in Streifen schneiden und nass machen und uns ums Gesicht binden.« Er lächelte. »Ich glaube, so machen Heldinnen das immer.«
Sie tupfte das letzte Blut von Gadds Schulter, machte den Lappen wieder nass und drückte ihn aus. Dann streckte sie die Hand aus. »Das Messer.«
Sie schnitt vier Streifen von ihrem Unterrock ab und ließ sie in den Eimer fallen.
Hawkwood stand auf und untersuchte die Unterseite der Falltür. Sie war aus schwerem Holz und mit Eisenbändern verstärkt. Wenn sie auch sehr gut eingepasst war, einem wirklich schweren Brand würde sie nicht standhalten. Wenn die Temperatur hoch genug war, würde das Metall sich verziehen und das Holz verbrennen. Der Rauch würde in den Keller eindringen und sie alle töten. Bis jetzt gab es allerdings noch keine Anzeichen dafür, aber der Rauch war über ihnen und würde sie finden.
Von oben kam ein lautes Krachen. Hawkwood vermutete, dass ein Teil der Decke heruntergekommen war. Er ging wieder zu den anderen. Der Hund lief winselnd hin und her und stieß ab und zu ein ängstliches, leises Jaulen aus. Er sah Hawkwood an und probierte ein zaghaftes Wedeln, ehe er sich, den Kopf auf den Vorderpfoten, neben Jess Flynn niederlegte. Doch er blieb nicht still liegen, immer wieder hob er den Kopf und sah trübsinnig zur Kellerdecke hoch.
Aus dem brennenden Haus kamen weitere Geräusche. Der Hund spitzte die Ohren.
Sie löschten die Kerze, um keinen Sauerstoff zu verbrauchen und um ihre einzige Lichtquelle zu schonen. Und so saßen sie da, in Dunkelheit und Stille, und warteten.
Hawkwood wusste nicht genau, ob er geschlafen hatte oder nicht. Er war sich nicht bewusst, dass er die Augen zugemacht hatte, und im Dunkel des Kellers hätte es sowieso keinen Unterschied gemacht, aber er fühlte sich merkwürdig entspannt und ausgeruht. Er wusste, dass die Einbildung einem im Dunkeln merkwürdige Streiche spielen kann, besonders was das Zeitgefühl betraf. Nachdem die Kerze gelöscht war, war sein Kopf voll von merkwürdigen, unzusammenhängenden Bildern gewesen, aber ohne Ausnahme hatten alle mit Gewalt, Blut und Schrecken zu tun. Aber nach einiger Zeit hatte die Dunkelheit beruhigend gewirkt. Sein Körper fühlte sich schwer und müde an, aber er hatte keine Schmerzen. Lag es daran, dass er die Unvermeidlichkeit des Todes akzeptiert hatte? Sein Schicksal war besiegelt, also warum sollte er noch kämpfen?
Doch solange er noch denken konnte, war er auch Herr seines Schicksals und nichts war unvermeidlich.
Er merkte, dass sich neben ihm etwas bewegte, und hörte ein Hecheln. Es war der Hund, der plötzlich auf die Füße gesprungen war und leise jaulte. Dann bellte er laut. Hawkwood hörte, wie ein Feuerstein angeschlagen wurde, es gab einen Funken und die Kerze brannte. Jess Flynns Gesicht erschien aus dem Schatten.
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