Die milden, verwässerten Weine, die aus Frankreich und Spanien importiert wurden, waren nicht nur zu teuer, oft wurden sie auch auf der langen und heißen Überfahrt schal oder sauer. Ein ganz anderes Kaliber war da ein guter Krug Rum aus Westindien, der umgehend für Euphorie sorgte, ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen war, wenn man sich mit voller Absicht betrinken wollte.
Der Rum hatte sich daher zum unangefochtenen König aller westindischen Schenken aufgeschwungen. So kehrte die Wirtin trotz ihrer Proteste und Flüche denn auch bald mit zwei riesigen Krügen des stärksten »Teufelstöters« zurück, setzte sie so hart auf den Tisch, daß reichlich Rum überschwappte, und fragte geradezu aggressiv:
»Noch etwas?«
Der Portugiese nickte:
»Wir brauchen Männer.«
»Männer? Was für Männer?«
»Schwindelfreie Toppsgaste mit Mumm in den Knochen und erfahrene Kanoniere, die gutes Geld verdienen wollen.«
»Wenn es in diesem Drecksnest noch mutige Männer gäbe, hätten sie schon vor langer Zeit das verfluchte Port-Royal in Brand gesteckt«, murmelte das häßliche Weib und zog geräuschvoll den Rotz hoch. »Wie hoch ist mein Anteil?«
»Eine Dublone pro Kopf.«
Die zottelige Hexe nickte zustimmend.
»Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
Tiradentes richtete drohend den Finger auf sie.
»Aber bring mir keinen Abschaum. Ich will erfahrene Leute.«
Die Frau lachte nur und zeigte dabei ihr lückenhaftes Gebiß.
»Auf Tortuga haben sie alle Erfahrung. Aber Abschaum sind sie auch alle.«
In der gleichen Nacht zeigte sie, daß sie sehr gut wußte, wovon sie sprach. Von den hundert Vagabunden, die sich in der Schenke beim Kapitän der Botafumeiro vorstellten, hatten die meisten mehr als genug Erfahrung, aber sie waren auch echter Abschaum.
Rum, Hunger, Skorbut, Syphilis und einige berauschende Pilze, die einen halb verrückt machten, hatte diese herrenlose Bande in ein Panoptikum menschlichen Abfalls verwandelt, der aber allen Enthusiasmus zeigte, die geringste Gelegenheit beim Schopf zu packen und einen kahlen Felsen zu verlassen, von dem sie sich nichts mehr erhoffen konnten.
»Die Bezahlung ist gut«, ermahnte der Portugiese einen nach dem anderen, der vor ihm Platz nahm. »Aber wenn du dich entschließt, bei mir anzuheuern, mußt du folgendes wissen: Alkohol, Pilze, Glücksspiel und Frauen sind an Bord verboten. Und bei mir gibt es nur eine einzige Strafe: Dem Missetäter reiße ich einen Zahn aus. Je schwerer das Vergehen, desto mehr Zähne. Und wenn keine Zähne mehr da sind, hänge ich ihn auf. Geh, und denk darüber nach. Wenn du mit der Arbeit und dem Reglement einverstanden bist, dann komm morgen an Bord.«
Sebastián Heredia nahm wieder die nicht uneigennützig -aber offensichtlich enthusiastisch – gewährten Dienste der roten Astrid in Anspruch. Nachdem sie sich lange Zeit im riesigen Bett der Hütte geliebt, gestreichelt und gewälzt hatten, ließen sie sich im Sand des Strands nieder, um eine der riesigen stinkenden Zigarren zu teilen, die das Mädchen so gern rauchte.
»Hast du dir meinen Vorschlag von gestern nacht noch einmal durch den Kopf gehen lassen?« wollte die Hure wissen, während sie die Millionen Sterne betrachtete, die über ihren Köpfen funkelten. »Die Sache mit Mombars?«
»Hör mal, meine Liebe…«, entgegnete der Margariteno, als wolle er sich in Geduld üben, um sich den angenehmen Augenblick nicht verderben zu lassen. »Ich habe dir schon gesagt, daß ich eine gute Arbeit an Bord eines guten Schiffs habe. Warum soll ich mir das Leben komplizieren?«
»Was ist das denn für ein Schiff?«
»Die Jacare.«
»Die Jacare?« fragte Astrid überrascht und stützte sich auf einen Ellenbogen, um ihn besser betrachten zu können. »Dieser armselige Kahn da draußen in der Bucht? Das nennst du ein >gutes Schiff