In meinem Leben habe ich nie den Gesichtsausdruck eines Menschen so plötzlich wechseln sehen wie jetzt Georgs.
»Was?« rief er, in die Höhe springend, »du Einfaltspinsel! Was zum Teufel hast du dich nicht draußen am Ufer ankleiden können? Du gehörst nicht in ein Boot, du Dummkopf, gib mir den Boothaken!«
Ich versuchte, ihm den Spaß der Geschichte klar zu machen, aber es fehlte ihm an Verständnis. Georg ist manchmal zu vernagelt, um die Komik der Lage zu verstehen.
Jetzt schlug uns Harris Rührei zum Frühstück vor. Er sagte, er wolle es bereiten. Nach seinen Worten zu schließen, mußte er die Bereitung von Rührei sehr wohl verstehen. Er habe es bei Landpartien und Bootfahrten schon oft gemacht. Er sei in diesem Stück schon ganz berühmt geworden; Leute, die einmal von seinem Rührei gegessen, gab er uns zu verstehen, hätten nachher absolut nichts anderes mehr essen wollen oder können. Sie hätten sich fast zu Tode gegrämt, wenn sie es sich nicht verschaffen konnten.
Er machte uns mit diesen Berichten wirklich den Mund wässerig; so händigten wir ihm denn das Herdchen, die Bratpfanne und alle Eier, die noch nicht flöten gegangen waren, ein und baten ihn, ans Werk zu gehen.
Mit dem Aufschlagen der Eier haperte es etwas, d. h. das Aufschlagen brachte er schon fertig; aber sie richtig in die Pfanne zu bringen, wenn sie offen waren, sie nicht an seine Hosen zu schmieren, und sie nicht an den Ärmeln hinauflaufen zu lassen, das war die Schwierigkeit. Zuletzt brachte er doch ungefähr ein halbes Dutzend in die Pfanne hinein; nun hockte er neben dem Herde nieder und stupste dann mit einer Gabel darin herum.
Es schien ein schwieriges Geschäft zu sein, soviel Georg und ich die Sache beurteilen konnten. So oft er der Pfanne nahe kam, brannte er sich; dann ließ er alles fallen, was er in der Hand hatte, tanzte um den Ofen herum schnippte mit den Fingern und schimpfte weidlich auf das verwünschte Gerät. In der Tat, so oft Georg und ich nach ihm hinsahen, passierte ihm etwas Derartiges. Wir glaubten zuerst, das gehöre als etwas Wesentliches zu seiner kulinarischen Kunstentwicklung. Wir wußten damals noch nicht, was Rührei eigentlich ist, und dachten, es sei entweder irgendein von den Rothäuten oder den Sandwichinsulanern stammendes Gericht, bei dessen richtiger Zubereitung Tänze und Zaubersprüche unerläßlich seien. Montmorency war auch neugierig und steckte seine Nase darüber; da spritzte das Fett in die Höhe und verbrannte ihn, und nun begann der auch zu tanzen und zu schimpfen. Alles in allem war diese Eierbereitung einer der interessantesten Vorgänge, deren ich jemals Zeuge gewesen. Georg und ich bedauerten es lebhaft, als sie zu Ende war. Das Resultat entsprach indessen Harris' Erwartungen nicht ganz. »Viel Geschrei und wenig Wolle,« konnte man da sagen. Sechs Eier waren in die Pfanne gelangt, was herauskam, war ein Teelöffel voll verbrannten, unappetitlich aussehenden Gerichts. Harris sagte, die Bratpfanne sei schuld daran; die Sache wäre viel besser geworden, wenn wir einen Fischkessel und ein Gasherdchen gehabt hätten; da beschlossen wir denn, dies Gericht nicht wieder zu bereiten, ehe wir uns diese Haushaltungsgegenstände angeschafft hätten.
Die Sonne war inzwischen mächtiger geworden, auch der Wind hatte nachgelassen, als wir unser Frühstück beendigt hatten; der Morgen war so lieblich, als er nur sein konnte. Nur wenig war in Sicht, was uns an das neunzehnte Jahrhundert erinnern konnte; und als wir auf den Fluß hinausschauten, der so ruhig dahinfloß, konnten wir uns beinahe einbilden, daß die Jahrhunderte, die zwischen uns und jenem ewig denkwürdigen Junimorgen des Jahres 1215 liegen, versunken seien, und daß wir, die Söhne englischer Freisassen, in selbstgesponnener Kleidung, den Dolch im Gürtel, hier warteten, um zuzusehen, wie jene merkwürdige Seite der Geschichte geschrieben wurde, deren Sinn dem gemeinen Volk vier Jahrhunderte später durch einen gewissen Oliver Cromwell verständlich gemacht werden sollte. Es ist ein schöner Sommermorgen, sonnig, sanft und ruhig. Aber durch die Luft geht ein Hauch kommender Bewegung. Der König Johann hat in Duncroft-Hall übernachtet, und den ganzen Tag zuvor hat die kleine Stadt Staines widergehallt von dem Waffenklang der Ritterschaft, dem Hufschlag der schweren Rosse auf dem rauhen Pflaster, den Befehlen der Hauptleute, den grimmen Flüchen und rohen Scherzen der bärtigen Bogenschützen, Streitaxtbewaffneten, Lanzenreiter und seltsam sprechenden fremden Spießträger. Abteilungen buntgekleideter Ritter und Schildknappen sind hereingeritten, ganz bestaubt von der Reise.
Den ganzen Abend mußten die furchtsamen Einwohner ihre Wohnungen schleunigst öffnen, um immer noch weitere Haufen roher Söldnerscharen aufzunehmen, welchen sie Nahrung und Nachtquartier geben mußten, beides, so gut sie es irgend vermochten, oder wehe den Häusern und allem, was darin war! Denn in diesen stürmischen Zeiten ist das Schwert Richter, Kläger und Gerichtsvollzieher zugleich und bezahlt für das, was es nimmt, nur damit, daß es die am Leben läßt, welche es zuvor nach Belieben beraubt hat.
Um das Lagerfeuer auf dem Marktplatz lagern noch weitere Knappen der Barone, essen und trinken viel, brüllen dazu ihre rauhen Trinklieder und spielen und streiten bis tief in die Nacht hinein.
Das flackernde Wachtfeuer wirft sonderbare Lichter auf die aufgestellten Waffen und auf ihre ungeschlachten Gestalten. Und die Kinder der Stadt stellen sich herzu und staunen sie an; stattliche Landdirnen nähern sich lachend den Bierschenken, um ihren Scherz zu treiben mit den prahlenden Kriegern, die so ganz anders sind als ihre Liebhaber vom Dorfe, die jetzt verachtet beiseite stehen und nur ohnmächtigen Grimm auf ihren breiten Gesichtern zur Schau tragen.
Und draußen im Felde ringsum leuchten die Lichter der entfernteren Lagerfeuer, um die sich die Truppen einiger mächtiger Herren gelagert haben, und dort drücken sich des falschen Johann französische Söldner gleich schleichenden Wölfen um die Stadt herum.
Wachen stehen an allen dunklen Straßenecken, während ringsumher auf jeder Anhöhe die Wachtfeuer glimmen; so geht die Nacht hin; und über dieses schöne Tal der alten Themse ist der Morgen des großen Tages hereingebrochen, der mit dem Schicksal noch ungeborener Jahrhunderte geschwängert enden sollte.
Seit Tagesgrauen ertönt auf der unteren der beiden Inseln – gerade oberhalb unseres jetzigen Standorts – großer Lärm von den Werkzeugen der Zimmerleute. Das große Zelt, das gestern hereingebracht wurde, soll heute morgen aufgeschlagen werden; die Zimmerleute bringen ringsumher Sitzreihen an, während Londoner Ladenburschen mit vielfarbigen Stoffen, mit Seide und golddurchwirktem Tuch ankommen. Und jetzt, siehe, dort auf der Straße, die sich von Staines her längs des Flusses hinzieht, kommt ein Fähnlein stahlgepanzerter Hellebardiere, lachend und in tiefen Baßtönen miteinander scherzend, auf uns zu. Es sind die Leute einiger Barone; sie halten ein paar hundert Schritte oberhalb unseres Standorts am andern Ufer, lehnen sich auf ihre Waffen und warten.
Und so, von Stunde zu Stunde, marschieren immer weitere Truppen und Horden gewappneter Männer auf – ihre Helme und Stahlpanzer glänzen im Morgenlicht – bis, soweit das Auge reicht, der Weg dicht mit schimmernden Waffen und stolzen Rossen besetzt ist. Daher sprengen Reiter und geben von Gruppe zu Gruppe ihre Befehle; die kleinen Banner bewegen sich leicht im Winde, hie und da ist eine lebhaftere Bewegung in den Reihen zu bemerken, wenn sie Platz machen müssen, um irgendeinen großen Baron auf seinem Schlachtrosse, von einem Haufen seiner Knappen umgeben, seinen Stand in der Mitte seiner Diener und Vasallen einnehmen zu lassen. Und oben auf dem Coopersberge, uns gerade gegenüber, hat sich das staunende Land- und neugierige Stadtvolk versammelt, das von Staines herausrannte, wenn auch keiner weiß, was all das Getriebe bedeuten soll; aber jeder hat eine andere Erklärung für die Dinge, die da kommen sollen, und einige sagen, daß der heutige Tag dem Volke viel Gutes bringen werde, aber die alten Leute schütteln die Köpfe, denn sie haben solche Redensarten schon mehr gehört!
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