„Ich habe eine Lösung dafür“, sagte Lucious und gestikulierte in Richtung Tür.
Hereingeführt wurde ein Mann in Handschellen und von über zwei Meter zehn Größe. Sein Haar war so schwarz wie Ebenholz und Muskeln zeichneten sich über seinem kurzen Kilt ab. Seine Haut war von Tattoos bedeckt; der Sklavenhalter, von dem er diesem Kampfherrn gekauft hatte, hatte Lucious erzählt, dass jedes einen im Einzelkampf besiegten Feind symbolisierte, den er innerhalb des Reiches und den Landen im Süden, von denen er stammte, abgeschlachtet hatte.
Für Lucious war jedoch weder seine Größe noch Stärke das Furchteinflößendste an ihm. Es waren seine Augen. Es gab in ihnen etwas, dass weder Mitgefühl und Gnade noch Schmerz und Angst zu verstehen schien. Dass ihn freudig ein Bein nach dem anderen ausreißen ließ, ohne auch nur irgendetwas zu fühlen. Schwertnarben überzogen den Oberkörper des Kriegers. Doch Lucious konnte sich nicht vorstellen, dass er selbst in jenen Momenten etwas gefühlt hatte.
Lucious genoss es, die Reaktionen der anderen zu beobachten, als sie den Kämpfer erblickten, der angekettet wie ein wildes Tier sich durch sie hindurchbewegte. Einige der Frauen stießen kleine Angstschreie aus während die Männer bereitwillig den Weg räumten, weil sie instinktiv spürten, welche Gefahr von diesem Mann ausging. Die Angst schien ihm den Weg zu bahnen und Lucious aalte sich in der Stimmung, die sein Kampfherr versprühte. Er sah, wie Stephania aus dem Weg huschte und Lucious grinste.
„Sie nennen ihn das Letzte Biest“, sagte Lucious. „Er hat noch nie eine Runde verloren und hat noch nie einen Feind am Leben gelassen“, grinste er böse, „auf Ceres’ nächsten - und letzten – Gegner.“
Es war dunkel um Ceres. Durch die Fensterläden des Raumes fiel spärliches Mondlicht und eine Kerze flackerte irgendwo. Sie hatte Mühe, voll zu Bewusstsein zu kommen und sich zu erinnern. Sie erinnerte sich an die Klauen des Biestes, die ihr den Rücken zerfetzt hatten und diese Erinnerung genügte, um den Schmerz wieder aufflammen zu lassen. Er brannte so heiß und plötzlich in ihrem Rücken auf, als sie sich halb zur Seite drehte, dass sie aufschrie. Der Schmerz verzehrte alles.
„Oh“, sagte eine Stimme, „tut es weh?“
Eine Gestalt trat vor sie. Ceres konnte erst nur Umrisse erkennen, doch langsam fügten sie sich klarer zusammen. Stephania stand über ihr Bett gebeugt, so blass wie der Mond, der sie umgab, mimte sie die perfekte und unschuldige Adlige, die die Kranken und Verletzten besuchen wollte. Ceres war sich sicher, dass sie es mit Absicht tat.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Stephania. Ceres hatte das Gefühl, dass die Worte noch immer von weit entfernt kamen und sich ihren Weg zu ihr wie durch einen Schleier aus Nebel bahnen mussten. „Die Heiler hier haben dir etwas gegeben, so dass du für eine Weile schlafen konntest, während sie deinen Rücken wieder zusammengenäht haben. Sie wirkten ziemlich beeindruckt, dass du überhaupt noch am Leben warst und sie wollten dir den Schmerz nehmen.“
Ceres sah, wie sie ein Fläschchen nach oben hielt. Es war von einem Grün, das im Kontrast zu der Blässe von Stephanias Hand recht stumpf wirkte, auf dem Fläschchen thronte ein Korken und der scharfe Rand glitzerte. Ceres sah, wie das adlige Mädchen lächelte und ihr Lachen fühlte sich an als wäre es aus scharfen Kanten.
„Ich bin nicht beeindruckt, dass du es geschafft hast zu überleben“, sagte Stephania. „So war es ganz und gar nicht gedacht.“
Ceres versuchte nach ihr zu greifen. Das wäre theoretisch der Moment gewesen zu fliehen. Wenn sie stärker gewesen wäre, hätte sie an Stephania vorbei zur Tür stürmen können. Sie hätte vielleicht kämpfen können, wenn es ihr gelungen wäre durch diesen Nebel zu dringen, der ihren Kopf zum Zerreißpunkt füllte. Sie hätte Stephania greifen und sie dazu zwingen können, ihr bei der Flucht zu helfen.
Doch ihr Körper schien ihr nur widerwillig zu gehorchen und reagierte erst lange nach dem sie es wollte. Alles, was Ceres vermochte, war, sich mit den um sie geschlungenen Decken aufzusetzen und selbst das verursachte Höllenqualen.
Sie sah, wie Stephania einen Finger an dem Fläschchen, das sie hielt, hinuntergleiten ließ. „Oh, keine Sorge, Ceres. Es gibt einen Grund, warum du dich so hilflos fühlst. Die Heiler haben mich darum gebeten, dir deine Medikamentendosis zu geben, und das habe ich getan. Zumindest einen Teil davon. Genug, um dich gefügig zu machen. Doch nicht genug, um dir allen Schmerz zu nehmen.
„Was habe ich dir getan, dass Sie mich so sehr hassen?“ fragte Ceres, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Sie war Thanos näher gekommen und er hatte Stephania zurückgewiesen. „Ist es dir wirklich so wichtig, Thanos zum Mann zu haben?“
„Ich kann dich kaum verstehen, Ceres“, sagte Stephania mit einem Lächeln, dessen Kälte Ceres auffiel. „Und ich hasse dich nicht. Hass würde bedeuten, dass du auf eine Weise als Feind von Nutzen wärest. Sag mir, weißt du irgendetwas über Gift?“
Das war genug um Ceres’ Herzschlag zu beschleunigen, Angst keimte in ihrer Brust.
„Gift ist solch eine elegante Waffe“, sagte Stephania, als wäre Ceres gar nicht anwesend. „Viel besser als Messer oder Speere. Du glaubst, du seiest so stark, weil du den ganzen Tag mit Waffen und echten Kampfherren spielst? Ich hätte dich jedoch ganz einfach vergiften können, während du schliefest. Ich hätte deinem Schlaftrunk etwas beimischen können. Ich hätte dir einfach ein bisschen zu viel davon geben können und du wärest nie wieder aufgewacht.“
„Das wäre rausgekommen“, gelang es Ceres herauszubringen.
Stephania zuckte die Schultern. „Wenn kümmert’s? Es wäre ein Unfall gewesen. Die arme Stephania, hat nur versucht zu helfen, doch wusste nicht genau, was sie tat und hat unserem neusten Kampfherrn zu viel Medizin gegeben.“
Sie legte eine Hand an den Mund um ein gespieltes Lachen zu kaschieren. Es war ein perfekt gemimtes Entsetzen, sogar eine Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel. Als sie wieder sprach, klang sie verändert. Ihre Stimme war voller Bedauern und Unglauben. Sie hielt sogar kurz inne, so als würde sie kämpfen, ein Schluchzen zu unterdrücken.
„Oh nein. Was habe ich getan? Das wollte ich nicht. Ich dachte... Ich dachte, ich hätte alles so gemacht, wie mir gesagt worden war.“
Dann lachte sie und in diesem Moment erkannte Ceres, wer sie wirklich war. Sie durchschaute das Spiel, das Stephania die ganze Zeit so sorgsam gespielt hatte. Wie konnte das niemandem auffallen, fragte sich Ceres. Wie konnten sie nicht sehen, was hinter diesem wunderhübschen Lächeln und dem feinen Gelächter lag?
„Alle denken, ich sei dumm, weißt du“, sagte Stephania. Sie stand nun aufrechter und sah sehr viel gefährlicher für Ceres aus. „Ich sorge dafür sicherzustellen, dass sie glauben ich sei dumm. Oh, warum schaust du so überrascht? Ich werde dich nicht vergiften.“
„Warum nicht?“ fragte Ceres. Sie wusste, dass es einen Grund geben musste.
Sie sah im Schein der Kerze, wie sich Stephanias Züge verhärteten und sich Falten auf der sonst so glatten Haut zwischen ihren Brauen bildeten.
„Weil das zu einfach wäre“, sagte Stephania. „So wie Thanos und du mich gedemütigt haben, will ich dich leiden sehen. Ihr beide verdient es.“
„Es gibt nichts, was du mir noch antun könntest“, sagte Ceres, obwohl es sich in diesem Moment nicht so anfühlte. Stephania hätte zu ihr hinüberkommen können und sie in hundert verschiedenen Weisen quälen können und Ceres wusste, dass sie wehrlos gewesen wäre. Ceres war sich bewusst, dass die Adlige nicht kämpfen konnte, doch sie hätte Ceres ohne Weiteres übel zusetzen können.
„Natürlich gibt es etwas“, sagte Stephania. „Es gibt Waffen in der Welt, die sind noch viel besser als Gift. Die richtigen Worte zum Beispiel. Mal sehen. Welche davon tun am meisten weh? Dein geliebter Rexus ist tot, natürlich. Das ist doch ein Anfang.“
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