—Wer an mich glaubt soll das ewige Leben haben.
Die damit verbundenen Risiken werden mich nicht von meinen Träumen abbringen. Mit diesem Gedanken glaubte ich mehr denn je. Die Stimme wird immer stärker und stärker. Ich glaube, dass ich an meinem Ziel ankomme. Direkt vor mir sehe ich eine Hütte. Die Stimme sagt mir dorthin zu gehen.
Die Hütte und ihr erleuchtendes Lagerfeuer sind in einem geräumigen, flachen Platz. Ein junges, großes, dünnes Mädchen mit dunklen Haaren grillt einen Snack über dem Feuer.
—Du bist also angekommen. Ich wusste, dass du meinen Ruf beantworten würdest.
—Wer bist du? Was willst du von mir?
—Ich bin eine weitere Träumerin die die Höhle betreten will.
—Was für eine Macht hast du um mich mit deinen Gedanken zu rufen?
—Es ist Telepathie, Dummerchen. Bist du vertraut damit?
—Ich habe davon gehört. Könntest du es mir beibringen?
—Du wirst es eines Tages erlernen, aber nicht von mir. Verrate mir welcher Traum dich hierher führt.
—Vor allem anderen, mein Name ist Aldivan. Ich erkletterte den Berg mit der Hoffnung meine Gegenkräfte zu finden. Sie sollen mein Schicksal definieren. Wenn jemand seine Gegenkräfte kontrollieren kann, kann man auch Wunder bewirken. Das brauche ich um meinen Traum, in dem Bereich zu arbeiten, den ich liebe und in dem ich viele Seelen zum Träumen bringen werde, zu verwirklichen. Ich will nicht wegen mir in die Höhle, sondern für das ganze Universum, das mir diese Geschenke verlieh. Ich will meinen Platz in der Welt und das ist wie ich glücklich werde.
—Ich heiße Nadja. Ich bin Bewohnerin der Pernambucan Küste. In meinem Land habe ich Leute über diesen übernatürlichen Berg und die Höhle sprechen gehört. Ich war sofort daran interessiert, daran diese Reise hierher zu machen, obwohl ich dachte, dass das bloß eine Legende sei. Ich sammelte meine Sachen zusammen, ging los, kam in Mimoso an und ging den Berg rauf. Ich habe den Hauptgewinn. Jetzt wo ich hier bin will ich in die Höhle und meine Träume erfüllen. Ich werde eine große Göttin sein, geziert mit Macht und Reichtümer. Jeder wird mit dienen. Dein Traum ist dumm. Warum frägst du für ein kleines bisschen, wenn du die Welt haben kannst?
—Du liegst Falsch. Die Höhle erfüllt keine belanglosen Wünsche. Du wirst verlieren. Die Beschützerin wird dich nicht eintreten lassen. Um eintreten zu dürfen musst du drei Aufgaben lösen. Ich habe schon zwei Stufen erledigt. Wie viele hast du schon gewonnen?
—Wie idiotisch, Aufgaben und Beschützerin. Die Höhle respektiert nur die stärksten und Selbstbewusstesten. Ich werde meine Ziele morgen erfüllen und niemand wird mich daran hindern, verstehst du das?
—Du weißt es am besten. Wenn du es bereust wird es zu spät sein. Gut, ich schätze ich gehe. Ich brauche Schlaf, denn es ist schon spät. In deinem Fall, ich kann dir nicht viel Glück wünschen weil du größer als Gott selbst sein willst. Wenn Menschen diesen Punkt erreichen, zerstören sie sich selbst.
—Unsinn, all deine Worte. Nichts wird mich von meiner Entscheidung abbringen.
Zu sehen, dass sie so hartnäckig war, brachte mich dazu aufzugeben und sie zu bedauern. Wie können Menschen manchmal so kleinlich sein? Der Mensch ist nur würdig wenn er für Recht und Gleichheit kämpft. Den Weg entlang laufend erinnerte ich mich an all die Zeiten in denen mir geschadet wurde, ob durch schlechte Benotungen bei Prüfungen oder sogar durch Vernachlässigung anderer. Es macht mich unglücklich. Dazu kommt, dass meine Familie komplett gegen meinen Traum ist. Es tut weh. Eines Tages werden sie vernünftig werden und einsehen, dass Träume möglich sind. An diesem Tag, nachdem alles gesagt und getan war, werde ich meinen Triumpf besingen und den Erschaffer ehren. Er gab mir alles und verlangte nur, dass ich meine Gaben teile, denn, wie in der Bibel steht, erleuchte keine Lampe und stelle sie unters Bett. Vielmehr, stell sie nach oben, sodass sie von jedem applaudiert und erleuchtet werden kann. Der Weg unterbricht sich und ich sehe die Hütte die mich so viel Schweiß gekostet hat. Ich muss schlafen gehen, denn morgen ist auch noch ein Tag und ich habe Pläne für mich und die Welt. Gute Nacht, Leser. Bis zu nächstem Kapitel…
Ein neuer Tag bricht an. Licht taucht auf, die Briese des Morgens streichelt mein Haar, Vögel und Insekten feiern und die Pflanzenwelt scheint wiedergeboren zu sein. Es passiert jeden Tag. Ich reibe meine Augen, wasche mein Gesicht, bürste meine Zähne und nehme ein Bad. Das ist meine Routine vor dem Frühstück. Der Wald bietet weder Vorteile noch Optionen an. Ich bin das nicht gewohnt. Meine Mutter verwöhnte mich bis zum Kaffeeservieren. Ich esse schweigend mein Frühstück, aber irgendetwas wuchtet auf meinem Verstand. Was wird die dritte und letzte Aufgabe sein? Was wird in der Höhle mit mir Geschehen? Es gibt so viele Fragen ohne Antwort, dass es mich schwindelig macht. Der Morgen schreitet weiter und mit ihm mein Herzklopfen, meine Angst und meine Entmutigung. Wer bin ich jetzt? Sicherlich nicht derselbe. Ich kletterte auf einen heiligen Berg, nach meiner Bestimmung Ausschau haltend über die ich nicht mal Bescheid wusste. Ich fand die Beschützerin und entdeckte neue Werte und eine Welt, die größer war als ich sie mir je vorstellen konnte. Ich gewann zwei Aufgaben und musste nur noch die dritte bezwingen. Eine kühle dritte Aufgabe die distanziert und unbekannt war. Die Blätter um die Hütte bewegten sich ein kleinwenig. Ich habe gelernt die Natur und ihre Signale zu verstehen. Jemand nähert sich.
—Hallo! Bist du da?
Ich sprang, änderte die Richtung meines Blickes und betrachtete die mystische Figur der Beschützerin. Sie schien glücklicher und rosarot, trotz ihres anscheinenden Alters.
—Ich bin hier, wie du siehst. Was für Neuigkeiten hast du für mich?
—Wie du weißt bin ich heute hier, um die dritte und letzte Aufgabe anzukündigen. Sie wird an deinem siebten Tag hier in den Bergen abgehalten, weil das die maximale Zeit ist, die ein Sterblicher hier verweilen kann. Sie ist einfach und enthält das folgende: Töte den ersten Mensch oder Tier dem du begegnest wenn du die die Hütte an diesem Tag verlässt. Wenn nicht, wirst du nicht dazu berechtigt die Höhle zu betreten, die dir deine tiefsten Wünsche bewilligt. Was sagst du? Ist das nicht einfach?
—Wie das? Töten? Schaue ich wie ein Assassine aus?
—Es ist der einzige Weg für dich in die Höhle zu kommen. Bereite dich vor, denn es sind nur noch zwei Tage und…
Ein Erdbeben mit einer Stärke von 3,7 auf der Richterskala schüttelt die gesamte Spitze des Berges. Das Beben lässt mich schwindelig zurück und ich glaube, dass ich schwach werde. Immer mehr und mehr Gedanken kommen in meinen Kopf. Ich merke wie meine Kraft weniger wird und spüre Handschellen die zwingend meine Hände und meine Füße sichern. In einem Aufblitzen sehe ich mich selbst als Sklave auf einem Feld arbeiten und von Herren dominiert. Ich sehe die Fesseln, das Blut und höre das Weinen meiner Kollegen. Ich sehe die Besitztümer, den Stolz und die Heimtückigkeit des Obersts. Ich sehe auch den Schrei nach Freiheit und Gerechtigkeit der Unterdrückten. Oh, wie unfair die Welt ist! Während die einen Gewinnen werden die anderen zurückgelassen um zu verrotten und vergessen zu werden. Die Handschellen zerbrechen. Ich bin fast frei. Ich werde immer noch diskriminiert, gehasst und geschädigt. Ich sehe noch immer das böse der weißen Männer die mich Nigger nennen. Ich fühle mich noch immer minderwertig. Noch einmal höre ich die tobenden Schreie, nur ist die Stimme nun klar, scharf und bekannt. Das Beben verschwand und Schritt für Schritt kommt mein Bewusstsein zurück. Jemand hebt mich auf. Noch immer duselig frage ich:
—Was passierte?
Die Beschützerin, in Tränen, scheint keine Antwort finden zu können.
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