Inhaltsverzeichnis
Die 1. Nacht Die 1. Nacht Ich bin die Nacht. Ich sehe alles. Meine Augen leuchten im Dunkeln wie Bernstein mit winzigen Kohlestücken darin oder vielleicht wie Smaragde, ich weiß es nicht. Vor mir bleibt weder Käfer noch tief hängender Zweig verborgen, ich kann jeden Grashalm klar erkennen. Das ist das wahre Leben: die schützende, geheimnisvolle, alles bedeckende Nacht; das ungebundene Herumstreifen im finsteren Garten. Der Holzschuppen, ein Schemen in der Dunkelheit, erscheint mir größer als sonst – und verlockend. Ob es zwischen den rostigen Geräten Mäuse gibt? Ich pirsche mich heran. Der Schuppen ist versperrt! Das hatte ich nicht bedacht. Aber kaum wende ich mich um, fällt mein Blick auf den Apfelbaum und die Enttäuschung verfliegt. Eins-zwei-drei schlagen sich scharfe Krallen in den Stamm. Mein Fell streift raue Rinde, als ich gewandt nach oben klettere, auf den Königsplatz zu. Keinem anderen gebührt er, als mir. Ich sinke auf meinen Thron, strecke meine Glieder, lausche. Beobachte. Ich bin die Nacht und ich fühle alles. Jeden Windhauch, der die laue Abendluft durchstöß. Das Kitzeln der Blätter an meinem Fell, vor allem jedoch die Freiheit, das Abenteuer, die Unbezwingbarkeit. Der Garten ist mein Reich. Ich bin sein Herrscher und … Schritte! Ich erhebe mich und spitze die Ohren. Ich bin die Nacht. Ich höre alles. Schnelle Schritte, viel schwerer und ungeschickter als das elegante Dahingleiten von Katzenpfoten. Mensch . Wer ist da? Wer wagt es, in mein Reich einzudringen? Eine Gestalt schleicht an der Hausmauer entlang. Sie muss durch die Glastür des Wintergartens hinausgeschlüpft sein, um die Erwachsenen nicht zu wecken. Wie ein Seiltänzer auf einem Ast balancierend, folge ich ihren Bewegungen mit unverwandten Blicken. Sie bleibt nicht lange allein. Auch im Nachbargarten auf der anderen Seite der Hecke huscht jemand geduckt über den Rasen. Die beiden Nachtschwärmer begrüßen einander freudig. Im Schutz der Dunkelheit mögen sie sich unbeobachtet wähnen, aber ich bin die Nacht und ich sehe alles.
Der Tag
Die 2. Nacht Конец ознакомительного фрагмента. Текст предоставлен ООО «ЛитРес». Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес. Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.
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Wer weiß, was wa(h)r
Barbara Schinko
Buch 28 der Katzenreihe
©Barbara Schinko 2020
Machandel Verlag Haselünne
Charlotte Erpenbeck
Cover yurchak_alevtina/shutterstock.com
Katzensilhouetten:shutterstock.com
1. Auflage 2020
ISBN 978-3-95959-275-8
Ich bin die Nacht. Ich sehe alles. Meine Augen leuchten im Dunkeln wie Bernstein mit winzigen Kohlestücken darin oder vielleicht wie Smaragde, ich weiß es nicht. Vor mir bleibt weder Käfer noch tief hängender Zweig verborgen, ich kann jeden Grashalm klar erkennen. Das ist das wahre Leben: die schützende, geheimnisvolle, alles bedeckende Nacht; das ungebundene Herumstreifen im finsteren Garten. Der Holzschuppen, ein Schemen in der Dunkelheit, erscheint mir größer als sonst – und verlockend. Ob es zwischen den rostigen Geräten Mäuse gibt? Ich pirsche mich heran.
Der Schuppen ist versperrt! Das hatte ich nicht bedacht. Aber kaum wende ich mich um, fällt mein Blick auf den Apfelbaum und die Enttäuschung verfliegt. Eins-zwei-drei schlagen sich scharfe Krallen in den Stamm. Mein Fell streift raue Rinde, als ich gewandt nach oben klettere, auf den Königsplatz zu. Keinem anderen gebührt er, als mir.
Ich sinke auf meinen Thron, strecke meine Glieder, lausche. Beobachte. Ich bin die Nacht und ich fühle alles. Jeden Windhauch, der die laue Abendluft durchstöß. Das Kitzeln der Blätter an meinem Fell, vor allem jedoch die Freiheit, das Abenteuer, die Unbezwingbarkeit. Der Garten ist mein Reich. Ich bin sein Herrscher und …
Schritte! Ich erhebe mich und spitze die Ohren. Ich bin die Nacht. Ich höre alles. Schnelle Schritte, viel schwerer und ungeschickter als das elegante Dahingleiten von Katzenpfoten. Mensch . Wer ist da? Wer wagt es, in mein Reich einzudringen?
Eine Gestalt schleicht an der Hausmauer entlang. Sie muss durch die Glastür des Wintergartens hinausgeschlüpft sein, um die Erwachsenen nicht zu wecken. Wie ein Seiltänzer auf einem Ast balancierend, folge ich ihren Bewegungen mit unverwandten Blicken.
Sie bleibt nicht lange allein. Auch im Nachbargarten auf der anderen Seite der Hecke huscht jemand geduckt über den Rasen. Die beiden Nachtschwärmer begrüßen einander freudig. Im Schutz der Dunkelheit mögen sie sich unbeobachtet wähnen, aber ich bin die Nacht und ich sehe alles.
Der Wecker läutet um sieben, schrill und drängend. Ich versuche danach zu greifen, stoße ihn mit dem Handrücken vom Nachtkästchen, würge das Alarmsignal ab. Stille. Einen schlaftrunkenen Moment lang weiß ich nicht, wo ich bin, wer ich bin, was ich bin, obwohl es von ungeheurer Wichtigkeit wäre.
Dann: Erkenntnis. Die Morgensonne lässt das Grün der Wände strahlen. Der Wind blättert durch die Schulbücher auf dem Schreibtisch. Seltsam, ich kann mich gar nicht erinnern ... Neben dem Tisch liegt die offene Schultasche. Welcher Tag ist heute? Hoffentlich haben wir nicht gleich in der ersten Stunde Mathe. Meine Arme und Beine fühlen sich bleischwer an, warum eigentlich? Eine Ecke des Katzenposters hat sich von der Wand gelöst. Wie jeden Morgen blicke ich in die undurchdringlichen Smaragdaugen und habe nicht zum ersten Mal das seltsame Gefühl, in ihnen zu versinken – das zu erblicken und zu begreifen, was hinter der Maske liegt.
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