Heiliger Strohsack! Er bewegt sich bei jedem Schritt, schwingt hin und her wie ein riesiges Pendel und versetzt mich in eine fast hypnotische Trance.
Als er so nahe ist, dass er mich berühren könnte, schüttle ich endlich meine Lähmung ab. Mit rasendem Puls schnelle ich vorwärts und stolpere fast auf dem Weg zur Tür. Ich kann nur "Sorry" murmeln, als ich mit flammend rotem Gesicht aus dem Raum stürze und mein Bestes versuche, nicht doch noch einen letzten Blick zurückzuwerfen.
2
"Anaconda! Anaconda", schreien mir die Reporter nach einem besonders harten Spiel ins Gesicht und belagern mich mit Mikrofonen und Kameras. "Haben Sie etwas zu dem zu sagen, was passiert ist?"
Gott, ich hasse diesen verdammten Spitznamen.
Ich blinzle mehrmals, während Lichtblitze vor meinen Augen explodieren und ich den Ärger unterdrücke, der in mir aufflammt. Sie treiben mich wie ein verdammtes Zootier, jeder von ihnen kämpft gegen jeden, um mir ein Mikrofon ins Gesicht halten zu können.
Ich lächle gekünstelt, schaue in die Kameras und bereite mich darauf vor, eine Antwort zu formulieren. Ich versuche, von der Frage ungerührt zu erscheinen, obwohl ich nichts lieber tun würde, als ihnen allen zu sagen, dass sie mir verdammt noch mal aus dem Weg gehen sollen. Ich weiß, wie sie es drehen würden, falls ich es täte. Und ich sehe schon jetzt die Schlagzeilen.
Gavin Adams hat nach einem schlechten Spiel einen Wutanfall.
Ich weiß, dass ich die Trolle ignorieren sollte, die mich zu einer Reaktion oder einer Aussage provozieren wollen, um zu versuchen, weitere fünf Minuten Story aus einer Sache herauszuholen, die nur ein Versehen war. Aber nachdem ich mich deswegen mit dem Team, der Liga und dem dazugehörigen Drama herumschlagen musste, bin ich sauer. Die 0:20-Niederlage gegen unseren größten Rivalen macht die Sache auch nicht besser.
"Mr. Adams hat nichts zu sagen", kommt mir Miranda, meine Agentin, die gleichzeitig meine PR-Vertreterin ist, im wirren Wettkampf der schreienden Stimmen und klickenden Fotoapparate, zuvor. Sie zieht meinen Blick auf sich. Wie immer edel gekleidet, mit ihrem roten Designerkleid, das sich wie angegossen an ihre kurvige Figur schmiegt, ist sie der Inbegriff einer Businessfrau mittleren Alters, deren Körper und Verstand einiges draufhaben. "Also, wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden. Er hat wichtigere Dinge zu erledigen."
"Warte, Miranda", unterbreche ich sie und behalte mein falsches Lächeln auf. Ich denke, dass ich meinen Charme nutzen kann, um die Situation zu entschärfen und mich ungeschoren davonzumachen. Ich erhebe meine Stimme und sage höflich: "Ich bin sicher, dass Sie alle von meinem kleinen Missgeschick gehört haben, aber ich möchte Sie wissen lassen, dass es nur ein Versehen war. Und das war's."
"Da war nichts Kleines dran", ruft eine Reporterin, und Kichern ist zu hören. Ich ignoriere sie und alle anderen auch.
"Also kein Kommentar zum Videomaterial von Ihnen, das im Internet zirkuliert?", fragt einer der anderen Reporter.
Ich schaue ihn finster an. Das wird dir eine Lehre sein … dich für Fotos herzugeben und zu glauben, du könntest zugleich alles klären …
"Welches Material?", frage ich schlichtweg, obwohl ich genau weiß, wovon er spricht.
Er lächelt. "Das, in dem Sie Ihr Handtuch vor Sara Jameson im Live-TV fallen lassen."
Zorn flammt in mir auf. Diese Leute tun so, als hätte ich ihn herausgeholt und Ms. Jameson einen Lap Dance gegeben. Aber ich bin nur zufällig nach einem Spiel in der Männerumkleide mit ihr zusammengestoßen. Es war kein " Live-TV ", und sie hätte verdammt noch mal gar nicht dort sein sollen. Es war nicht meine Schuld, dass das verfickte Handtuch runtergefallen ist. Ich hatte mich sofort bei Sara entschuldigt, die mich mit großen Augen anstarrte, und habe mir das Handtuch wieder umgelegt.
Ich dachte, dass danach alles in Ordnung wäre. Sie sagte mir sogar, dass die Kameras mein Missgeschick nicht aufgenommen hätten und dass ich nichts zu befürchten hätte. Bis der Kameramann, der bei ihr gewesen war oder jemand im Netzwerk beschlossen hatte, das unbearbeitete Video mit dem Titel Anaconda ins Internet zu stellen. Es breitete sich wie ein Lauffeuer aus, zusammen mit meinem neuen Spitznamen.
Diese ganze Sache ist seither ein verdammter PR-Albtraum. Miranda hat eine Woche lang schlaflose Nächte damit verbracht, Unterlassungsaufforderungen an verschiedene Websites zu senden, damit das Material dort gelöscht wird. Ein endloser Kampf. Wenn eine Website das Video runternimmt, taucht es auf einer anderen auf. Trotzdem sind es jetzt weniger als damals, als das alles anfing.
Ich wünschte nur, ich wäre nicht so unvorsichtig gewesen.
"Es ist bedauerlich", sage ich und lächle mit großer Anstrengung weiter, "aber in Wirklichkeit war es ein Unfall. Wenn Sie uns jetzt bitte aus dem Weg gehen würden, ich muss ..."
"Was sagt Ihre Mutter dazu, dass Sie sich vor Millionen von Menschen entblößen?", hakt der Typ von vorhin nach und grinst mich frech an.
Miranda zuckt neben mir zusammen, als ich mit den Zähnen knirsche und meinen Zorn kaum noch zurückhalten kann.
"Bist du verdammt noch mal taub? Ich habe gerade gesagt, dass es ein Unfall war!" Miranda wird sauer sein, dass ich meine Coolness verloren habe, aber ich kann diesen Scheiß nicht mehr ertragen. "Nun, wenn niemand eine Frage hat, die tatsächlich mit meinem Spiel zu tun hat, dann verschwendet nicht meine verdammte Zeit!"
"Okay, das reicht jetzt! Keine weiteren Fragen mehr!", ruft Miranda, nimmt mich am Arm und zieht mich zum Ausgang. "Verdammt, Gavin, das musste nicht sein! Dieser Ausschnitt wird überall in den Abendnachrichten auftauchen."
Sie hat Recht. Ich wusste es in der Sekunde, als ich es aussprach. Aber das werde ich nicht zugeben. Ich bin momentan zu sauer dazu.
Wir erreichen die Tür am Ende der Halle, ich trete sie praktisch auf und murmle: "Na und? Versetz dich in meine Lage, und sag mir, dass du nicht so reagiert hättest!"
Miranda verzichtet weise auf eine Antwort.
Gegenwart
"Was für ein Drecksloch", murmle ich, als ich aus dem Fenster schaue. Wir fahren an Geschäften vorbei, die aussehen, als würden sie in eine Hinterwäldler-Stadt im Mittleren Westen gehören. Felder, Felder, ein John-Deere-Traktor, eine Scheune, die aussieht, als sollte sie abgerissen werden, und ein Lokal namens Stuckey's. Die Stadt liegt irgendwo vor uns, aber verdammt noch mal, ich kann den Wasserturm mit dem Ortsnamen an der Seite sehen. Er sieht aus wie aus einem alten Musikvideo.
Andererseits ist der Ort sauber. Ich sehe Kinder in den Vorgärten spielen, und da ist kein Hauch von Smog am Himmel. Und auf den Straßen ist kaum Verkehr.
Dennoch ... "Sie wollen wirklich, dass wir hier filmen?", frage ich.
Miranda nickt. "Es ist der ideale Ort dafür."
Ich könnte widersprechen, aber ich beschließe, es nicht zu tun. Ich komme gerade von einer weiteren Presseveranstaltung mit hungrigen Reportern, und ich bin von dem ganzen Mist erschöpft. "Solange ich mich nicht mehr mit Paparazzi abgeben muss, ist’s okay."
"Sollte in Ordnung gehen", sagt Miranda. "Ich habe angerufen und Vorkehrungen getroffen. Niemand weiß, dass du eincheckst."
"Gut", knurre ich und reibe mir die Augen. "Weil sie jedes Mal dieses verfickte Video ansprechen." Es ist zwei Jahre her. Und trotzdem ist dieser Scheiß alles, worüber alle reden wollen. Ich muss mich immer total zusammenreißen, um nicht auszurasten.
Deshalb versuche ich es mit der Schauspielerei, jetzt, in der Nebensaison habe ich Zeit für die Dreharbeiten. Miranda meinte, das könnte meinem Image helfen und die Leute von meinem Schwanz ablenken.
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