»Das gebe Gott!« entgegnete Zbyszko. »Darauf harre ich schon längst wie auf eine Erlösung. Den Kranken wollte ich nicht verlassen, und doch verdrießt es mich, hier sitzen zu müssen.«
»Es verdrießt Dich, hier sitzen zu müssen?« fragte Jagienka. »Weshalb denn?«
»So hat Dir Zych nichts von Danusia gesagt?«
»Wohl hat er mir von ihr erzählt. Ich weiß, sie hat Dich mit ihrem Schleier umhüllt. Ich weiß es. Er sagte mir auch, jeder Ritter müsse gewisse Gelöbnisse erfüllen, wolle er seiner Herrin in Treue dienen. Doch er behauptete, das sei von keiner Bedeutung … ein solches Gelöbnis … weil zuweilen sogar verheiratete Männer irgend einer Herrin dienen. Und mit Danusia, Zbyszko, wie ist’s mit ihr? Sprich! Wie ist’s mit Danusia?«
Bei diesen Worten trat sie ganz nahe auf ihn zu und schaute ihm mit großen, angstvollen Augen prüfend in das Antlitz. Ohne sich jedoch irgend welchen Gedanken über die zaghafte Stimme des Mädchens, über dessen erschreckten Blick zu machen, entgegnete der junge Ritter: »Danusia ist nicht nur meine Herrin, sondern sie ist mir die Liebste auf der ganzen Welt. Noch mit keinem Menschen habe ich darüber gesprochen, Dir aber sage ich es, denn Dich betrachte ich wie meine Schwester, kennen wir uns doch von Kindheit auf. Um Danusias willen ginge ich über neun Flüsse und über neun Meere, zu den Deutschen und zu den Tataren, denn eine zweite wie sie giebt es nicht mehr auf der ganzen Welt. Möge der Ohm in Bogdaniec bleiben, mich treibt es zu ihr … Was ist mir Bogdaniec ohne die Geliebte, was gilt mir aller Viehstand, Hab und Gut, was gilt mir der Reichtum des Abtes ohne sie? Das Roß besteige ich nun und ziehe in den Krieg, und so mir Gott beisteht, erfülle ich mein Gelöbnis, es sei denn, daß ich zuvor selbst darniedergeworfen werde.«
»Das alles wußte ich nicht …« warf Jagienka fast tonlos ein.
Zbyszko aber begann ihr nun zu erzählen, wie er in Tyniec zum ersten Male Danusia gesehen und wie er sich sofort ihrem Dienste geweiht habe. Alles berichtete er dann, was hierauf geschehen war, er sprach von seiner Gefangennahme, von seiner Rettung durch Danusia, von Jurands abweisendem Ausspruch, von dem Abschiede, von der ihn verzehrenden Sehnsucht und schließlich von der unaussprechlichen Freude darüber, daß ihn nach Mackos Gesundung nichts mehr davon abhalte, zu der Geliebten zu wandern und das Gelöbnis zu erfüllen, das er abgelegt hatte. Mittlerweile waren sie wieder an dem Waldessaum und an der Stelle angelangt, wo der Knecht mit den Pferden ihrer harrte.
Jagienka bestieg sofort ihr Roß und erklärte zu Zbyszko gewendet: »Nimm Du den Knecht mit Dir, damit er Dir den Biber trage. Ich kehre nach Zgorzelic zurück.«
»Wie, Du gehst nicht mit mir nach Bogdaniec? Zych ist ja dort.«
»Nein. Der Vater könnte doch zurückgekehrt sein und mich nötig haben.«
»Nun, so möge Dir Gott für den Biber lohnen.«
»Mit Gott …«
Einen Augenblick darauf befand sich Jagienka allein. Ueber die Heide den Heimweg einschlagend, schaute sie immer wieder so lange nach Zbyszko zurück, bis er hinter den Bäumen verschwunden war, dann aber barg sie plötzlich das Gesicht in den Händen, gerade als ob sie sich vor den Sonnenstrahlen schützen wolle.
Noch war aber keine Minute verstrichen, da rannen heiße Zähren über ihre Wangen und fielen, eine nach der andern, Perlen gleich, auf den Sattel, auf die Mähne ihres Rosses.
Inhaltsverzeichnis
Nach der Unterredung mit Zbyszko zeigte sich Jagienka drei Tage lang nicht in Bogdaniec, am vierten indessen erschien sie mit der Nachricht, daß der Abt in Zgorzelic angelangt sei. Diese Kunde brachte eine gewisse Erregung in Macko hervor. Zwar besaß er hinreichende Mittel, nun den Pfandschilling zu bezahlen, ja, er hatte ausgerechnet, daß ihm noch genug blieb, um mehr Ansiedler heranzuziehen, um einiges Vieh und manches andere, zur Landwirtschaft Notwendige anzuschaffen, aber zuvörderst hing alles von der Gnade des reichen Verwandten ab. Konnte dieser doch die Bauern, welche er selbst zur Ansiedelung veranlaßt hatte, je nach Bedürfnis mit sich fortführen oder auch zurücklassen, und dadurch den Wert des Gutes entweder erhöhen oder vollständig vernichten.
Daher forschte Macko das junge Mädchen sehr eingehend nach dem Abte aus, er wollte wissen, wie er angekommen war, ob er heiter oder finster aussehe, auf welche Weise er von ihnen spreche und wann er nach Bogdaniec kommen werde – sie aber beantwortete seine Fragen sehr vorsichtig, indem sie ihn aufzurichten und über alles zu beruhigen suchte.
Sie berichtete, der Abt sei wohl und vergnügt mit einem ansehnlichen Gefolge eingetroffen, worunter sich außer bewaffneten Knechten auch einige vagierende Kleriker, sowie fahrende Schüler befanden, er singe mit Zych und lausche gern nicht nur geistlichen, sondern auch weltlichen Gesängen. Sie fügte hinzu, er habe mit großer Besorgnis nach Macko gefragt und die Erzählung Zychs von Zbyszkos Erlebnissen in Krakau aufmerksam angehört.
»Was Ihr zu thun habt, wißt Ihr selbst am besten,« sagte das kluge Mädchen schließlich, »doch glaube ich, es schickt sich, daß Zbyszko sogleich aufbricht, um den älteren Verwandten zu begrüßen, und es nicht abwartet, bis dieser nach Bogdaniec kommt.«
Dieser Rat gefiel Macko. Er befahl daher, Zbyszko herbeizurufen, und sagte ihm: »Kleide Dich schön und geh’ dann, des Abtes Füße zu umfassen und ihm Deine Verehrung zu bezeigen, damit auch er Dich liebgewinnt.«
Zu Jagienka gewendet bemerkte er: »Ich würde mich nicht wundern, wenn Du eine Thörin wärst, denn dafür bist Du ein Weib, aber daß Du Verstand hast, dies wundert mich. Sage mir nun, wie ich den Abt am besten bewirten, und womit ich ihn erfreuen kann, wenn er kommt.«
»Was die Speisen anbelangt, so sagt er selbst, wozu er Lust hat – er ißt gern gut, und viel Safran muß bei allem sein, dann ist er zufrieden.«
Macko griff sich an den Kopf, als er dies hörte.
»Woher soll ich Safran für ihn nehmen?«
»Ich habe mitgebracht,« versetzte Jagienka.
»O wenn doch solche Mädchen auf freiem Felde wüchsen,« rief Macko erfreut aus. »Den Augen bist Du wohlgefällig, und sparsam bist Du und klug und freundlich gegen jedermann. Ei! Wäre ich noch jung, Dich und keine andere würde ich zum Weibe nehmen.«
Da blickte Jagienka wie von ungefähr auf Zbyszko und leise seufzend fuhr sie fort: »Auch Würfel und Becher und ein Stück Tuch habe ich mitgebracht, denn nach jedem Mahle ergötzt er sich gerne mit den Würfeln.«
»Diese Gewohnheit hatte er schon früher, und dabei pflegte er immer furchtbar heftig zu werden.«
»Heftig ist er gar oft. Zuweilen wirft er den Becher ärgerlich auf den Boden und eilt zur Thüre hinaus. Aber dann kehrt er lachend zurück und wundert sich selbst am meisten über seinen Zorn. Nun, Ihr kennt ihn ja! Fügen muß man sich ihm, doch giebt es keinen bessern Menschen auf der Welt!«
»Und wer sollte sich ihm nicht fügen, da er auch vermöge seines Verstandes alle andern überragt!«
So plauderten sie miteinander, während Zbyszko sich im Nebenzimmer ankleidete und schmückte. Als er dann hereintrat, sah er so schön aus, daß Jagienka vollständig geblendet war, gerade wie damals, als er zum erstenmal in seiner weißen »Jacke« nach Zgorzelic gekommen war. Aber diesmal empfand sie tiefes Leid bei dem Gedanken, daß das Herz dieses Jünglings nicht ihr gehörte, und daß er eine andere liebte.
Macko indessen betrachtete ihn voll Vergnügen, denn er sagte sich, der Abt werde sicherlich Wohlgefallen an Zbyszko finden und bei den Unterhandlungen dann keine Schwierigkeiten machen. Dieser Gedanke bereitete ihm so große Freude, daß er beschloß, seinen Bruderssohn zu begleiten.
»Laß einen Wagen für mich rüsten – laß Heu darin aufschütten,« sagte er zu Zbyszko, »wenn ich mit einer Pfeilspitze zwischen den Rippen von Krakau bis nach Bogdaniec fahren konnte, kann ich jetzt gewiß ohne Pfeilspitze bis nach Zgorzelic fahren.«
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