In ihm bäumte sich alles auf, und gleich einem unaufhaltsamen Strome riß ihn der Durst nach Rache mit sich fort.
»Dem Manne wird es nicht gut ergehen, mit welchem er zuerst anbindet,« dachte Hlawa, nachdem er einen Blick auf den alten Ritter geworfen hatte.
Mittlerweile trug der Wind ganz deutlich den Ausruf herbei, der von allen im Chore wiederholt ward: »Tantaradei«! – und gleich darauf hörte Hlawa die Worte eines ihm bekannten Liedes:
»Bei den rôsen er wol mac,
Tandaradei!
merken wâ mir’z houbet lac …«
Da riß der Gesang plötzlich ab, denn zu beiden Seiten des Weges erscholl ein so lautes, durchdringendes Krächzen, wie wenn in diesem Waldwinkel eine große Versammlung von Raben abgehalten worden wäre. Die Deutschen wunderten sich nicht wenig darüber. Unwillkürlich fragten sie sich, woher all diese Vögel kämen und wieso deren Stimmen dicht über dem Erdboden, nicht aber in den Wipfeln der Bäume ertönten.
Die erste Reihe der Kriegsknechte zeigte sich jetzt an der Biegung und blieb beim Anblick der unbekannten Reiter wie versteinert stehen.
In demselben Augenblick neigte sich Zbyszko auf den Sattel herab, gab seinem Pferde die Sporen und sprengte vorwärts.
»Werft Euch auf sie!«
Die andern folgten ihm. Auf beiden Seiten des Waldes erscholl der furchtbare Ruf der samogitischen Krieger. Ungefähr zweihundert Schritte trennten Zbyszkos Mannen von den Deutschen, welche im nächsten Augenblick einen ganzen Wald von Lanzen gegen die Heranreitenden richteten, während die hintern Reihen sich mit der gleichen Schnelligkeit gegen die beiden Seiten des Waldes wendeten, um sich gegen die Angriffe auf den Flanken zu verteidigen. Ihre Geschicklichkeit wäre von den polnischen Rittern bewundert worden, hätten diese Zeit zur Bewunderung gesunden und hätten deren Pferde sie nicht in rasendem Laufe den erhobenen, glänzenden Lanzen entgegengetragen.
Durch einen für Zbyszko günstigen Zufall befand sich die deutsche Reiterei bei der Nachhut, in der Nähe der Wagen. Zwar rückte sie sofort zu ihrem Fußvolk vor, doch konnte sie sich weder einen Weg durch die Reihen bahnen, noch an ihnen vorbeireiten und sie daher auch nicht gegen den ersten Ansturm decken. Bald sahen sich die berittenen Deutschen umringt von einer Schar Samogitier, welche aus dem Dickicht herausstürzten gleich einem wildgewordenen Wespenschwarm, dessen Nest von einem unbedachten Wanderer beschädigt worden ist. Unterdessen hatte Zbyszko mit seinen Mannen das Fußvolk angegriffen.
Doch dieser Angriff blieb ohne Erfolg. Nachdem die Deutschen ihre schweren Lanzen und Hellebarden in die Erde aufgepflanzt hatten, hielten sie dieselben in einer Linie fest, sodaß die leichte, samogitische Reiterei diesen Wall nicht zu durchbrechen vermochte. Mackos Pferd, durch eine Hellebarde in das Schienbein getroffen, bäumte sich hoch auf und grub sich dann mit den Nüstern in den Grund. Während eines kurzen Augenblickes hing der Tod über des alten Ritters Haupte, aber er, der in allen Kämpfen sehr erfahren und gegen Zufälle gewappnet war, zog die Füße aus den Steigbügeln und griff mit starker Hand nach eines Deutschen scharfem Speere, sodaß dieser, statt seine Brust zu durchbohren, ihm als Stütze diente. Dann sprang er mitten durch die Pferde, und sein Schwert ziehend, begann er damit über die Speere und Hellebarden herzufallen, gerade wie ein raubgieriger Falke wütend über eine Schar langschnäbeliger Kraniche herfällt. Als Zbyszkos Pferd im Laufe zurückgehalten ward, und sich fast ganz auf die Hinterbeine stellte, stützte er sich auf seinen Speer, zerbrach ihn aber und griff nun gleichfalls zum Schwerte. Der Böhme, welcher dem Beile vor allen andern Waffen den Vorzug gab, schleuderte das seine gegen die Feinde und war für einen Augenblick waffenlos. Einer der Edelleute aus Lekawica fiel, den andern ergriff bei diesem Anblick eine so wahnsinnige Wut, daß er heulte wie ein Wolf, und seinem blutüberströmten Pferde die Sporen gebend, es blindlings mitten unter die Feinde trieb. Die samogitischen Bojaren schlugen mit ihren Hirschfängern auf die großen und kleinen Speere, hinter denen die Gesichter der Kriegsknechte hervorschauten, welche gleichsam von Verwunderung durchdrungen zu sein schienen und in deren ganzem Gebaren sich zugleich Haß und Entschlossenheit ausdrückte. Es zeigte sich indessen, daß ihre Reihen nicht durchbrochen werden konnten. Auch die Samogitier, welche die Flanken angriffen, prallten wieder zurück wie vor dem sicheren Verderben. Zwar rückten sie dann abermals mit noch größerem Ungestüm vor, vermochten aber nichts auszurichten.
Im Nu kletterten nun etliche auf die Fichtenbäume am Wege und schossen ihre Pfeile mitten unter die Kriegsknechte hinein, deren Anführer daraufhin den Befehl gaben, den Rückzug gegen die Reiterei anzutreten. Die deutschen Armbrustschützen erwiderten indessen die Schüsse der Feinde, sodaß von Zeit zu Zeit manch unter den Baumzweigen verborgener Samogitier gleich einem reisen Fichtenzapfen zu Boden fiel und sich im Todeskampfe mit den Händen in das Moos des Waldes eingrub oder emporschnellte wie ein aus dem Wasser geworfener Fisch. Umringt auf allen Seiten, konnten die Deutschen nicht auf Sieg rechnen, da sie jedoch sahen, daß ihre Schutzwehr nicht vergeblich war, wähnten sie, wenigstens eine kleine Schar von ihnen sei vielleicht im stande, noch aus der Umgarnung zu entkommen und zum Flusse zu gelangen.
Keinem kam es in den Sinn, sich zu ergeben, denn da sie selbst ihre Gefangenen niemals schonten, wußten sie, daß sie auch nicht auf das Mitleid der zur Verzweiflung und Empörung getriebenen Feinde rechnen dursten. So zogen sie sich denn in der Stille zurück. Mann für Mann, Schulter an Schulter, bald die Lanzen und Hellebarden erhebend bald sinken lassend, Hiebe und Stiche austeilend, ihre Pfeile gebrauchend, so gut das Getümmel der Schlacht es gestattete, und sich fortwährend ihrer Reiterei nähernd, die mit anderem feindlichem Kriegsvolk um Leben und Tod kämpfte.
Da geschah etwas ganz Unerwartetes, etwas, wodurch der Ausgang dieses verzweifelten Kampfes entschieden wurde. Jener Edelmann aus Lekawica, welcher durch den Tod seines Bruders von Wahnwitz ergriffen worden war, neigte sich, ohne von seinem Rosse zu steigen, herab, und hob den Leichnam vom Boden auf, offenbar in der Absicht, ihn vor den Hufschlägen der Pferde zu retten und an einem sicheren Orte niederzulegen, wo er ihn dann nach der Schlacht finden konnte. Aber in demselben Augenblicke überkam ihn ein neuer Wutanfall und raubte ihm völlig jedes klare Bewußtsein, denn anstatt vom Wege abzulenken, griff er die Feinde an und warf den Leichnam mit aller Kraft auf die scharfen Lanzenspitzen, welche, in dessen Brust, Leib und Hüften eindringend, sich unter der Last förmlich bogen. Bevor aber die Kriegsknechte imstande waren, ihre Lanzen herauszuziehen, sprengte der Wahnsinnige durch die entstandene Bresche in ihre Reihen hinein, gleich einem Sturmwinde die Menschen über den Haufen werfend.
Im nächsten Augenblick streckten sich zehn Hände gegen ihn aus, zehn Lanzen durchbohrten die Flanken seines Rosses, aber die Reihen waren nun durchbrochen, und bevor sie sich wieder ordnen konnten, warf sich einer der samogitischen Bojaren, der sich am nächsten befand, in die Bresche, ihm folgte Zbyszko sowie der Böhme, und das furchtbare Getümmel ward mit jedem Augenblicke größer. Wieder andere Bojaren ergriffen nun gleichfalls die Leichname von Gefallenen und warfen sie auf den Wall von Lanzenspitzen. Auf den Flanken machten die Samogitier einen neuen Angriff. Die ganze bisher wohlgeordnete Heerschar der Deutschen geriet ins Wanken, gleich einem Hause, dessen Mauern geborsten sind, sie teilte sich gleich einem Baumstamme, in den ein Keil eingetrieben ist, und zerstreute sich schließlich.
Allmählich ward die Schlacht zu einer Metzelei. Die langen, deutschen Speere und Hellebarden waren nutzlos in diesem Handgemenge, dagegen drangen die Hirschfänger der Reiter tief in die Hirnschalen und Nacken der Deutschen ein, die Pferde jagten in das dichteste Menschengewühl, die unglücklichen Kriegsknechte zu Boden werfend und zerstampfend. Den Reitern fiel es leicht, von oben herab die Feinde zu treffen, daher schlugen sie unaufhörlich drein, ohne abzulassen. Von den Seitenwegen strömten immer neue Scharen wilder Krieger in Wolfsfellen und mit der Blutgier von Wölfen herbei. Ihr Heulen übertönte die flehentlichen Bitten um Erbarmen und das Aechzen der Sterbenden. Die Besiegten warfen ihre Waffen nieder, etliche versuchten, in den Wald zu entkommen, einige warfen sich zu Boden und stellten sich tot, manche standen wie erstarrt da, mit bleichen Gesichtern und geschlossenen Augen, wieder andere beteten, einer, dessen Sinne sich offenbar vor Schrecken verwirrt halten, begann auf einer Pfeife zu spielen, wobei er lächelnd emporschaute, bis eine samogitische Keule ihm den Schädel zerschmetterte. Der Fichtenwald stellte sein Brausen ein, wie erschreckt über dies Blutbad.
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