Vilém Flusser - Jude sein
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Ich besuchte die tschechische und deutsche Volksschule, das deutsche Realgymnasium in Smíchov, machte auch eine tschechische Matura und immatrikulierte an der tschechischen juristischen Fakultät im Jahr ’38. Dank der Hilfe meines späteren Schwiegervaters Barth floh ich im März ’39 (etwa den 20.) nach England, von dort nach Brasilien, wo ich Hochschullehrer wurde. Ich bin mit Edith Barth verheiratet, habe drei Kinder, und schreibe Essays und Bücher. Aber das ist jüngste Geschichte, und für Sie wohl ohne Interesse. Was Sie interessiert, endet im Jahre 1944, dem Jahr der Ausrottung meiner Familie…
*Zu den drei Mäulern
*»Pátečnici« (von pátek: Freitag) wurden die Intellektuellen genannt, die sich freitags bei Tomáš Garrigue Masaryk versammelten.
*Die weltweit hochangesehene Independent Order of B’nai B’rith (Söhne des Bundes) wurde 1843 in New York als jüdischer brüderlicher Orden von deutschstämmigen Juden gegründet; Tätigkeiten vor allem auf dem Gebiet der allg. Wohlfahrt und des Sozialdienstes.
*hebräischer Segensspruch; etwa: Die Erinnerung soll zum Guten gereichen.
*hebräisch »Heiligung«: Segensspruch bei einem Becher Wein.
**jiddisch für Tollpatsch
3
VATER
DAS VIERTEL BOM RETIRO (gute Zuflucht) der Stadt São Paulo war noch vor wenigen Jahren ein Gewirr von Judengassen. Das geschäftige Gedränge war bunt, portugiesische und jiddische Rufe verbanden die Gehsteige, Kaftan-bekleidete und Schläfenlocken-tragende Verkäufer priesen Bluejeans an, halbnackte Frauen vor vergitterten Fenstern priesen sich selbst an, und Volkswagen versuchten hupend, sich einen Weg zu bahnen. Damals ging ich des öfteren hin, angeblich nicht, um die halbnackten Frauen und die ausgestellten Kleidungsstücke zu besichtigen (die allerdings beide von minderwertiger Qualität waren), sondern um eine Art von ethnischem Puzzle zu spielen. Ich suchte mir einen beliebigen Menschen aus der Menge aus, versuchte seine Herkunft zu erraten, befragte ihn dann danach und gab mir selbst Punkte. Es war mir ein Leichtes, zwischen den sephardischen und aschkenasischen Juden zu unterscheiden, schwieriger war es, unter den sephardischen etwa ungarische von türkischen und unter den aschkenasischen etwa russische und deutsche zu unterscheiden, und das Spiel wurde spannend, wenn es galt, etwa zwischen einem Konstantinopler und einem Smirnaer, oder zwischen einem Frankfurter und einem Mannheimer unterscheiden zu wollen. Doch einmal erlebte ich eine Überraschung:
Ein alter Herr, mit Vollbart, aber ohne Schläfenlokken, mit einem Gebetsmantel ähnlichen Gewand, aber ohne Kapperl, und in Sandalen, ging langsam über die Gasse, und ich war unfähig, ihn unter die Hauptkategorien »Aschkenas-Sepharad« einzuordnen. Ich sprach ihn also an (portugiesisch und in gebrochenem Jiddisch), aber er verstand mich nicht und antwortete höflich in einer mir fremden Sprache. Ich bin zwar in semitischen Sprachen sehr wenig bewandert, habe aber ein gutes Sprachgefühl, und die Sprache des alten Herrn klang in meinem Ohr wie ein sehr altertümliches Hebräisch – als ob der Herr lateinisch statt portugiesisch gesprochen hätte. Ich unterdrückte jedoch sofort das leichte Gruseln: Wahrscheinlich war der alte Herr ein jemenitischer Jude, sprach einen mit Hebräisch durchsetzten südarabischen Dialekt und war erst jüngst nach Brasilien gekommen. Er war sichtlich im neuen Land desorientiert, und ich mußte ihm beistehen. Um dies tun zu können, mußte ich aber seine Sprache verstehen. Ich hielt daher ein Taxi an, bat den alten Herrn einzusteigen (er tat es mit höflicher Verbeugung), und sagte dem Lenker, er möge uns zur Stadtbibliothek bringen. Sicher sind dort jemenitische Wörterbücher zu finden.
Sie sind tatsächlich dort, und (wie uneingestandener-weise erwartet) entsprechen sie nicht der Sprache des alten Herrn. Ich bitte daher die Bibliothekarin, nach einem chaldäischen Wörterbuch zu suchen. Während sie damit beschäftigt ist, sitze ich dem lächelnden alten Herrn im großen, verlassenen Lesesaal gegenüber und versuche fieberhaft, die armseligen mir verfügbaren Daten betreffs »Chaldäa« aus dem Gedächtnis zusammenzukratzen. Ich finde dort zwei Brocken: »Ur in Chaldäa« (Abrahams Heimat) und »Chaldäer« als klassische Bezeichnung für Magier und Astrologen. Dabei hat »Ur« für mich einen deutschen Beigeschmack, wiewohl ich mir der falschen Etymologie bewußt bin, und bei »Chaldäer« muß ich auch an die Sprache einer orientalischen Kirche denken. Diese beiden Brocken scheinen keinen Zusammenhang zu haben. Ich muß weiter im Gedächtnis suchen, mich an meine Schulzeit erinnern.
Ein Volk im Zweistromland (Kaldi, Kasdîm, Kar-Dunjasch), älter als das babylonische, zweifellos semitisch, aber mit den nicht-semitischen Sumerern in Wechselbeziehung. Einige babylonische Könige (Nabupolassar und seine Nachfolger) sind Chaldäer gewesen. Die babylonische Priesterkaste war vorwiegend chaldäisch. Abraham, soweit er historisch überhaupt faßbar ist, entstammt einer chaldäischen Mittelperiode (etwa Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr.). Die klassische Bedeutung von »Chaldäer« ist auf Daniel (etwa fünftes Jahrhundert v. Chr.) zurückzuführen. Noch später wurde die chaldäische Sprache mit der babylonischen und sogar der aramäischen verwechselt. Und jetzt kommt die Bibliothekarin strahlend zurück: Sie hat ein chaldäisch-englisches Wörterbuch gefunden. Ich flüstere ihr zu, damit der alte Herr es nicht hört (lächerlich, er versteht kein Wort portugiesisch), sie möchte mir alles unter dem Stichwort »Abraham« Verfügbare bringen.
Ich schlage das Wörterbuch auf, der alte Herr blinzelt vergnüglich. Ich lese fragend: »Abi-ram?, Ab-hamon?, Ab-rucham?, Ab-ram?, Sarai?, Sara?« Er antwortet lachend »Abi«. Trotz des Lachens ist ein Unterton von Autorität herauszuhören. Denn ich verstehe, was er sagt: »Ich bin dein Vater, du mein Sohn, und es ist gleichgültig, welchen meiner Beinamen du vorziehst.« Ich blättere nach und frage: »Vater der Gläubigen? Vater des Glaubens?« Er gibt eine sichtlich lustige Antwort. Laut Wörterbuch: »Vater des Sandes am Meer, der zerstreut wurde, um alle Räderwerke kaputt zu machen.« Ich kann nicht mitlachen, denn es läßt mich stutzen. Hat es etwa zu seiner Zeit in Ur Räderwerke gegeben? Er merkt das, nimmt mir das Wörterbuch aus der Hand, und von nun ab ist er es, der das Gespräch leitet. Er weist bei seiner Rede auf die entsprechenden englischen Worte, und ich verfahre entsprechend.
Er beginnt mit der folgenden Aussage: »Ich bin hergekommen, um Fragen zu stellen, nicht, um ausgefragt zu werden. Ich bitte dich höflich, aber dringend, unsere beiden Rollen nicht zu vertauschen.« Gedemütigt kann ich nicht anders, als auf »okay« zu weisen. Aber da kommt die Bibliothekarin mit einem Berg von Büchern. Abraham versteht, worum es geht, und zeigt mit lächelnder Geste, ich könne ruhig über ihn nachschlagen, er könne warten. Es liest sich wie ein Polizeibericht: Landflucht, Prostituierung der eigenen Frau, gegenseitige Betrügereien mit seinem Geschäftspartner, versuchter Mord am eigenen Sohn, widerrechtliche Enterbung aller anderen Söhne, Schacher mit Konkurrenten und sogar mit Gott. Warum schmunzelt der alte Herr, während ich das lese? Ich sehe plötzlich den Grund ein: Er hält die Lektüre für pädagogisch. Ich soll den Unterschied zwischen Verbrechen und Sünde lernen. Alles, was Abraham verbrach, tat er guten Glaubens, und dieser gute Glaube war das Motiv aller seiner Taten. Ich lerne Gutgläubigkeit als Verschmitztheit, als Strategie kennen. Abraham rückt dabei in die Nähe des Ulysses. In dieser guten Laune beginnt das eigentliche Gespräch mit dem Vater.
»Hat Gott eigentlich sein Versprechen gehalten?« Ich glaube, er meint das Versprechen vom Sand am Meere. »Es gibt etwa 16 Millionen Juden (Kinder deines Enkels Jakob), aber weit über vier Milliarden andere Leute.« So war das aber nicht gemeint: Abraham hat kein Interesse an Statistiken und an Juden. »Keine Ausreden bitte. Hat Gott es später besser gemacht als damals mit der Sara?« Ich habe ihn jetzt verstanden und kann auf ihn eingehen.
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