Dann kam LSD – oder Acid, wie wir es nannten – ins Spiel. Es war in verschiedenen Ausprägungen erhältlich. Zuerst hatten wir „Purple Microdot“, dann „Windowpane“. Wir experimentierten mit unterschiedlichen Sorten und blieben dabei die ganze Nacht wach.
Sunderland wurde langsam zu einem völlig anderen Ort. Spuren von London wurden sichtbar, Drogen konnten leichter beschafft werden und farbenfrohe Charaktere fingen an, Läden zu eröffnen. So kaufte ich mir ein paar lilafarbene Raulederstiefel im Schuhladen von Alan Hogg – oder „Hoggy“, wie wir ihn nannten. Außerdem erstand ich eine Weste mit Fransen in Dave Dochertys Boutique West One, wo es nicht nur groovy Klamotten, sondern auch hinreißende Teenager gab.
Auch die Musikszene wurde immer aufregender, was in erster Linie an ein paar ortsansässigen Veranstaltern lag. Einer von ihnen, Geoff Docherty, hatte eigentlich für zwei Pfund pro Nacht und einen Gratis-Drink als Pförtner im Bay Hotel angefangen, fand jedoch schon bald seine Berufung, als er John Peel im Radio gelauscht hatte. Er sparte seine zwei Pfund pro Nacht zusammen und buchte eine Band namens Family aus London, damit sie für eine Gage von 150 Pfund – seine gesamten Ersparnisse – im Bay Hotel auftrat. Es sollte ein großer Erfolg werden. 800 begeisterte Kids kreuzten auf und eine neue Ära war angebrochen. Als Nächstes kamen Free mit Paul Rodgers, Paul Kossoff, Simon Kirke und Andy Fraser. Sie reisten nordwärts, bespielten das Bay Hotel und brachten das Publikum zum Rasen. Jeder hatte diese Bands zuvor nur von Fotos oder aus dem Radio gekannt.
Im Melody Maker las ich, dass Eric Clapton, Steve Winwood und Ginger Baker eine Supergroup namens Blind Faith gegründet hatten. Ich sah im Fernsehen, wie Jimi Hendrix in der Show Happening for Lulu, in der Musik und Sketche gespielt wurden, auftrat. Er hatte eigentlich „Hey Joe“ performen sollen, aber nach der Hälfte der Nummer spielten er und seine Band eine ungeprobte Version von „The Sunshine Of Your Love“ als Hommage an Cream, die sich gerade aufgelöst hatten. Es war ein ordentliches Durcheinander, aber Hendrix wirkte fröhlich, als er „Sie ziehen uns den Stecker“ schrie und die Produzenten die Übertragung unterbrachen.
Wir sahen auch in den Nachrichten, dass die Beatles ein spontanes Konzert auf dem Firmensitz von Apple Records in der Saville Row in London gespielt hatten. Als die Leute unten auf der Straße begriffen, was da vor sich ging, rasteten sie komplett aus.
Ich war 17 Jahre alt und sog dies alles auf. Dies war die Welt, in der ich leben wollte. Es war mir egal, wenn ein langweiliger Nachrichtensprecher uns mitteilte, dass die Queen sich einen neuen Kühlschrank gekauft hatte. Ich fühlte mich so lebendig, als wäre ich ans Stromnetz angeschlossen, und mein Kopf surrte förmlich aufgrund all der Möglichkeiten.
Dann traten Tyrannosaurus Rex live bei uns auf. Marc Bolan war der heißeste Typ, den ich je gesehen hatte. Er stand da auf der Bühne mit seinen Locken und seiner schillernden Ausstrahlung und sang „Debora“. Die Mädels flippten total aus und ich dachte mir, dass es das gewesen sein musste, was mein Bruder damals beim Beatles-Konzert erlebt hatte. Ich war wie gelähmt. Nach der Show lernte ich Marc Bolan und seinen Partner Steve Peregrin Took kennen, da ich mit einer Ansammlung von Mädchen hinter die Bühne gelassen wurde. Er war der netteste Typ, den ich bis dahin getroffen hatte. Wir begaben uns alle zusammen an den Strand, wo er weitersang und Gitarre spielte. Keiner von uns konnte glauben, dass dies gerade passierte.
* * *
Plötzlich war ich ein Teil einer Szene und wurde – ohne es zu realisieren – so etwas wie ihr Anführer. Ich war noch nicht erwachsen, aber schon herumgereist und kannte Dinge, die vielen der Kinder, die noch zur Schule gingen, unbekannt waren. Außerdem lebte ich nicht mehr zu Hause und konnte tun und lassen, was ich wollte.
Ein typischer Abend in meiner und Eddies Wohnung fing als gemütliches Beisammensein in kleinem Rahmen an – nur zwei oder drei von uns, ein wenig Hasch und die Gitarren. Dann trafen die Mädels ein. Während eines speziellen Abends, auf einem besonders starken LSD-Trip, wurde ein reizendes Mädchen namens Pam, das 15 Jahre alt war und zunächst noch Eddies Freundin gewesen war, plötzlich zu meiner Freundin – inmitten eines sehr halluzinogenen Augenblicks. Eddie war auch gerade mit uns auf dem Trip und es gab überhaupt keine Animositäten zwischen uns, als sich Pam zu mir legte. Damals war einfach alles ganz anders.
Bald schon waren Pam und ich unzertrennlich, und obwohl sie gerade erst 16 wurde, zog sie bei mir ein. Wir lebten von nun an wie ein Ehepaar. Und tatsächlich sollte sie wenig später meine erste Ehefrau werden.
Irgendwann im Verlauf dieser psychedelischen Phase der freien Liebe traf ich Steve Sproxton und Kai Olsson, die gemeinsam als Duo auftraten. Ich nehme an, dass sie von unserer Wohnung gehört hatten und neugierig geworden waren. Ich hatte sie auftreten gesehen und sie waren großartig, weshalb ich zu Brian sagte: „Warum tun wir uns nicht mit diesen Jungs zusammen? Mit all unseren Harmonien und Gitarren wären wir wie eine englische Version von Crosby, Stills, Nash & Young!“ Obwohl Graham Nash ja eigentlich Brite war, sahen wir sie als amerikanische Band, die einen kalifornischen Sound spielte.
Wir versuchten es – und es funktionierte. Nachdem wir wie verrückt geprobt hatten, fiel uns zuerst kein passender Name ein, weshalb wir einfach die Anfangsbuchstaben unserer Vornamen aneinanderreihten. Und so spielten Brian, Steve, Kai und Dave einige Konzerte als BSKD, ein schrecklicher Name, aber es war uns egal, schließlich experimentierten wir.
Für kurze Zeit zogen Kai und Steve zu Eddie und mir. Das war total irre, weil wir nur ein Schlafzimmer mit vier Betten darin hatten. Wir hatten alle Freundinnen, was – gelinde gesagt – heikel war. Aber irgendwie haute das schon hin.
Dann schlug Brian vor, dass wir alle in ein großes Haus ziehen sollten, in dem wir jeder ein eigenes Zimmer hätten und uns die Miete teilen würden. Schließlich fanden wir eine riesige alte viktorianische Villa, von der aus das Stadtzentrum zu Fuß erreichbar war. Pam und ich bezogen ein Zimmer, von dem aus man die Straße überblicken konnte.
Wir verschickten ein Demo-Tape nach London, das schließlich in den Händen von Lionel Conway landete, der Island Music für dessen Gründer Chris Blackwell leitete. Es herrschte reges Interesse und wir wurden nach London zu einem Meeting eingeladen. Aber zuvor ließ uns Kai Olssons Bruder Nigel, der damals für Elton John Schlagzeug spielte, noch wissen, dass er vorbeikommen würde, um uns in unserem Haus beim Spielen zuzuhören. Außerdem würde ihn Mickey Grabham, der phantastische Gitarrist der Band Cochise, begleiten, weshalb wir ein wenig aufgeregt waren.
Zu dieser Zeit waren wir ziemlich regelmäßig high und rauchten überall im Haus Haschisch. Nigel brachte Mickey um sechs Uhr abends vorbei und hatte außerdem noch eine Tüte mit dem stärksten Kraut aus Jamaika dabei. Das waren wir nicht gewohnt. Wir pferchten uns alle gemeinsam in Kais winziges Schlafzimmer, in dem schon bald eine undurchdringliche Nebelbank aufzog, die von dem unglaublich heftigen Gras herrührte. Als wir schließlich für unsere Gäste spielen wollten, ging das einfach nicht mehr! Wir bemühten uns ungefähr eine Stunde lang, unsere Gitarren zu stimmen, aber nicht einmal das bekamen wir hin. Wir konnten nicht einmal sagen, ob sie auch nur annähernd gestimmt waren, so stoned waren wir.
Es war so entsetzlich peinlich.
Zum Glück waren sie ebenso high und weggetreten wie wir selbst – und als sie nach London zurückkehrten erzählten sie allen, dass wir großartig seien.
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