Die Konzentration besteht gerade darin, die Wolke zu beseitigen. Du ziehst alle Elemente deiner Intelligenz zusammen und lenkst sie auf einen Punkt, und dann brauchst du nicht einmal aktiv zu probieren, ob du die Lösung findest: Du konzentrierst dich einfach so, dass du nichts anderes als die Aufgabe siehst – aber nicht nur ihre Oberfläche, sondern die Aufgabe in ihrer Tiefe, was die Oberfläche verbirgt. Wenn es dir gelingt, alle mentalen Energien zusammenzuziehen, sozusagen eine Spitze zu bilden, die auf die Aussage der Aufgabe gerichtet ist, und wenn du darauf fixiert bleibst, als wolltest du ein Loch in eine Mauer bohren, ist die Lösung plötzlich da. Anders geht‘s nicht. Wenn du probierst: Ist es dies, ist es das oder dies oder jenes...?, wirst du nie etwas finden, oder es dauert dann Stunden. Du musst mit den mentalen Kräften eine Spitze bilden, die stark genug ist, um die Wörter zu durchbohren und auf die Sache dahinter zu treffen. Es gibt etwas zu entdecken – verfehle es nicht!
An den Tagen, an denen man etwas benebelt ist, ist es immer schwierig. Man ist wie eine neblige Gestalt, die man zu greifen meint und die sich einem entzieht.
Wenn am Stoff etwas unmöglich ist, hast du es natürlich nicht mit Ungeheuern zu tun! Deine Lehrer haben doch sicher genug Einsicht, und wenn du zu ihnen gehst und sagst: „Also, ich konnte es nicht tun, ich hatte keine Zeit, ich habe alles getan, was ich konnte, ich hatte keine Zeit“, dann werden sie dich nicht tadeln, das glaube ich nicht. Aber in neunundneunzig von hundert Fällen ist es der halb-träge Zustand des Intellekts, der dich denken lässt, du hättest zu viel Arbeit. Wenn du dich beobachtest, wirst du merken, dass es immer etwas gibt, das hierhin zieht, das dorthin zieht. Und dann diese Art Benebelt-sein, als lebte man in Watte, in Wolken: Nichts ist klar.
Der Nutzen der Arbeit besteht in nichts anderem als darin, diese mentale Kraft sich herauskristallisieren zu lassen. Denn das Gelernte (wenn du es nicht durch eine Arbeit oder gründliche Studien in die Praxis umsetzt), mindestens die Hälfte dessen, was du lernst, entschwindet, vergeht mit der Zeit. Aber eines wird dir bleiben: die Fähigkeit, dein Denken fest auf ein Ziel zu richten, etwas Klares, Deutliches, Genaues und Durchorganisiertes daraus zu machen. Und dies ist der eigentliche Nutzen der Arbeit: deine zerebralen Fähigkeiten zu organisieren.
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Teil II
Kapitel 1
Was ist yogische Konzentration?
Worte Sri Aurobindos
Konzentration ist ein „Zusammen-Sammeln“ des Bewusstseins, um es entweder an einem Punkt zu zentralisieren oder einem bestimmten Objekt zuzuwenden, zum Beispiel dem Göttlichen – es kann ebenfalls ein gesammelter Zustand im gesamten Wesen bestehen und nicht nur an einem Punkt.
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Worte Sri Aurobindos
Meist ist das Bewusstsein überall, es ist zerstreut und bewegt sich in alle Richtungen auf der Suche nach diesen oder jenen Gegenständen und nach Objekten mannigfacher Art. Wenn irgendetwas Dauerhaftes geschehen soll, muss als erstes dieses ganze verstreute Bewusstsein zurückgezogen und konzentriert werden. Es ist dann gleichsam dazu gezwungen, auf einen Ort oder eine Beschäftigung konzentriert zu sein, auf ein Thema oder Ziel – so als würdest du ein Gedicht schreiben oder ein Botaniker eine Blume untersuchen. Wenn es das Denken ist, auf das man sich konzentriert, liegt der Ort gewöhnlich irgendwo im Mental, und wenn es das Gefühl ist, liegt er im Herzen. Das yogische Bewusstsein ist einfach eine Ausdehnung und Intensivierung der gleichen Sache. Es kann auf ein Objekt gerichtet sein, so als würde man sich auf einen leuchtenden Punkt konzentrieren, trataka – dann muss man sich so konzentrieren, dass man nur diesen Punkt sieht, und darf keinen anderen Gedanken haben als diesen. Es kann auf eine Idee, ein Wort oder einen Namen gerichtet sein, auf die Idee des Göttlichen, die Silbe OM, den Namen Krishna oder aber auf eine Kombination von Idee und Wort oder von Idee und Namen. Darüber hinaus konzentriert man sich im Yoga auch auf einen bestimmten Ort. Es gibt die bekannte Regel, sich zwischen den Augenbrauen zu konzentrieren, wo sich das Zentrum des inneren Mentals, der okkulten Schau und des Willens befindet, und von dort aus fest an das zu denken, was du zum Gegenstand deiner Konzentration machst, oder aber zu versuchen, sein Bildnis von dort zu sehen. Wenn dir dies gelingt, fühlst du nach einer Weile, dass dein gesamtes Bewusstsein auf diesen Ort konzentriert ist – natürlich nur für die betreffende Zeit. Nachdem man dies eine gewisse Zeit lang und oft wiederholt hat, wird es leicht und normal.
Ich hoffe, dies ist soweit klar. Nun, in diesem Yoga tust du das Gleiche – du konzentrierst dich nicht notwendigerweise auf diesen bestimmten Ort zwischen den Augenbrauen, sondern irgendwo im Kopf oder im Zentrum der Brust, wo die Physiologen das Kardial-Zentrum festgelegt haben. Statt dich auf ein Objekt zu konzentrieren, konzentrierst du dich im Kopf auf einen Willen, auf einen Ruf nach der Herabkunft des Friedens oder – wie es manche tun – auf ein Sich-Öffnen des unsichtbaren Lides und den Anstieg des Bewusstseins nach oben. Im Herzzentrum konzentriert man sich auf ein Streben, auf ein Sich-Öffnen, auf die Gegenwart des lebendigen göttlichen Bildnisses dort oder was immer auch das Ziel sein mag. Es kann auch das Wiederholen eines Namens sein, japa, doch auch dann muss man sich darauf konzentrieren, und der Name muss sich im Herzzentrum wiederholen.
Man kann fragen, was aus dem übrigen Bewusstsein wird, wenn diese örtliche Konzentration stattfindet. Nun, es gelangt entweder zum Schweigen wie in jeder Konzentration, oder aber, wenn dies nicht der Fall ist, können sich Gedanken oder andere Dinge umherbewegen, als wären sie außerhalb, während der konzentrierte Teil nicht an ihnen teilnimmt oder sie gar nicht bemerkt. So ist es bei einer einigermaßen erfolgreichen Konzentration.
Man darf sich anfangs, solange man nicht daran gewöhnt ist, durch zu lange Konzentration nicht ermüden, denn in einem erschöpften Mental verliert sie ihre Kraft und ihren Wert. Man kann entspannen und meditieren, statt sich zu konzentrieren. Nur wenn die Konzentration zu etwas Normalem wird, kann man sie auf eine immer längere Zeit ausdehnen.
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Kapitel 2
Die beiden Zielsetzungen der Konzentration
Worte Sri Aurobindos
Die Konzentration ist in erster Linie dazu notwendig, Willen und Mental von ihren Abwegen, die für sie natürlich sind, abzuwenden. Wir müssen sie abhalten, der zerstreuten Bewegung der Gedanken zu folgen, vielverzweigten Wünschen nachzulaufen, sich auf die ausgetretenen Wege der Sinne und durch äußere mentale Reaktion auf die Erscheinungen ablenken zu lassen. Wir müssen den Willen und das Denken fest auf das Ewige und Wirkliche richten, das hinter allem ist. Das verlangt außerordentliche Anstrengung und Konzentration, die auf einen einzigen Punkt gerichtet ist. In zweiter Linie ist Konzentration notwendig, damit wir den Vorhang zerreißen, der durch die gewöhnlichen mentalen Funktionen zwischen uns und der Wahrheit errichtet wird. Unser äußeres Wissen können wir uns gleichsam im Vorübergehen durch die übliche Aufmerksamkeit und Aufnahme äußerer Eindrücke erwerben. Die innere, verborgene, höhere Wahrheit können wir nur durch absolute Konzentration des Mentals auf seinen Gegenstand und durch absolute Konzentration des Willens erlangen, und wenn wir sie einmal besitzen, sie auch gewohnheitsmäßig festhalten und mit ihr sicher eins werden. Denn Identifikation ist der Zustand vollständigen Wissens und völligen Besitzes. Sie ist das intensive Ergebnis des gewohnheitsmäßig geläuterten Reflektierens der Wirklichkeit und völliger Konzentration darauf. Identifikation ist nötig, um jene Trennung und Teilung zwischen uns und dem göttlichen Wesen sowie der ewigen Wirklichkeit aufzuheben, die der normale Zustand unserer nichtregenerierten, unwissenden Mentalität ist.
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