Impressum
© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-667-2
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Wo immer die Galeere des Piraten Uluch Ali auch auftauchte, erregte sie sofort Aufsehen. Das Aufsehen verwandelte sich jedoch schnell in Schreck und Entsetzen, denn wo Uluch persönlich erschien, da war immer gleich der Teufel los, und die Leute rannten entsetzt davon.
Sogar armselige Fischer zogen es vor, heimlich auszulaufen und zu verschwinden, wenn sie das Schiff sahen.
Dieser Statthalter der Türken war für seine Unberechenbarkeit bekannt, und so ging ihm jeder lieber aus dem Weg, als vielleicht doch auf der Galeere zu landen, falls ihm ein paar Sklaven fehlten.
Hier, in Ras-Skida war es nicht anders, als die Galeere in den Hafen einlief, gerudert von ein paar Dutzend Männern, denen vor Anstrengung bereits der Tod im Gesicht stand.
Der Mann, den die meisten in verehrungswürdigem Wahn als den „Erhabenen“ titulierten, war der Schrecken des Mittelmeeres schlechthin.
Seit einiger Zeit hatte er Rache geschworen, fürchterliche Rache an dem Seewolf und seinen Männern. Gejagt und gehetzt hatte er sie, bekämpft mit allen verfügbaren Mitteln, und trotzdem hatten ihm die Seewölfe eine Niederlage nach der anderen bereitet.
Von einer der erbärmlichsten Niederlagen wußte er noch nichts, die Botschaft erreichte ihn erst am späten Nachmittag.
Am elften Juni hatte Uluch Ali Tripolis an Bord dieser gerade einlaufenden Galeere verlassen, und jetzt war Ras-Skida erreicht. In jedem Hafen wurden die völlig erschöpften Galeerensklaven gewechselt, und dann ging es immer weiter.
Uluch Ali hatte Kamelreiter als Kuriere losgeschickt, mit dem Auftrag an Selim Shanoun, seinen Stellvertreter, das Mittelmeer abzuriegeln, um den Seewölfen den Weg zu verlegen.
Daraufhin war eine ganze Armada in See gegangen, die nach dem Seewolf Ausschau hielten und damit nach dem Flaggschiff des Uluch Ali, das der Seewolf gekapert hatte. Uluch wähnte diesen verhaßten Mann mit seiner Feluke auf Westkurs, aber inzwischen hatten sich einige Dinge ereignet von denen Uluch nichts wußte.
Jetzt nahm er die Sache persönlich in die Hand, um den Seewölfen eine ganz spezielle Sonderbehandlung angedeihen zu lassen. Nach seinem Plan war das kein schwieriges Unternehmen. Die Straße von Gibraltar, durch die die verhaßten Christenhunde hindurch mußten, wurde von starken Kampfverbänden abgeriegelt und das Iberische Meer in langen Suchstreifen gewissermaßen abgeharkt. Die Zinken dieser gewaltigen Harke kämmten alles ab, und diese Zinken würden die Seewölfe gleich Läusen herauskämmen.
So hatte Uluch Ali sich das vorgestellt. Er erwartete jetzt unverzüglich die ersten Meldungen, und da verließ er sich auf Selim Shanoun, der bereits mit zwölf Feluken unterwegs war, um die Seewölfe zu schnappen.
Zwölf Feluken gegen eine! Das waren insgesamt hundertachtzig wilde Schnapphähne und Piraten gegen sechs Männer und zwei halbwüchsige Jungen. Kein Zweifel, wer da der Sieger bleiben würde. Diese gewaltige Massierung mußte es schaffen, die Kerle lebend einzufangen, denn lebend wollte er sie, in jedem Fall lebend, denn er hatte eine ganze Menge mit ihnen vor, ehe sie nach schrecklichen Torturen ihr Leben aushauchen würden.
Uluch sah nach achtern zum Land hin. Dort stand der gewaltige Schlagmann der Galeere, ein ihm treu ergebener Hundesohn, der auch die Funktion des Henkers ausübte.
Er hatte eine kurzstriemige Peitsche in der Hand und schlug wahllos auf die Männer ein, die da herangetrieben wurden.
Frische, ausgeruhte Leute, Sklaven, die sich die Arme aus dem Leib rudern mußten und im übernächsten Hafen wieder durch neue ersetzt wurden. Auch weiße Sklaven waren dabei, die Uluchs Piraten gefangengenommen hatten.
Flüche und Gebrüll schallten herüber, als sich die Kolonne langsam auf die Pier zubewegte. Da knallten die Peitschen der Aufseher, da erhielt ein Mann einen harten Tritt, und ein anderer wurde vorwärtsgestoßen.
Die anderen, die abgeschlafft auf den Ruderbänken hockten, wurden von ihren Eisen losgekettet und fluchend nach oben gejagt. Die meisten konnten kaum noch gehen, so erschöpft waren sie.
Ein Mann hing tot in den Ketten, den Rücken zerschlagen, das Gesicht aufgedunsen, die Hände voller Blut.
„Er ist tot, Erhabener!“ rief ein glatzköpfiger Mann demütig nach oben.
Uluch Ali gab keine Antwort. Sein Gesicht war verkniffen, die Augen zwei schmale Schlitze, in denen es böse glomm.
Mit einer herrischen Bewegung seiner rechten Hand wies er aufs Hafenwasser. Dann fuhr sein Daumen nachdrücklich nach unten.
Der Tote wurde losgeschlossen. Zwei Kerle warfen die Leiche über Bord, die dicht neben der Galeere im Wasser versank.
Die anderen Rudersklaven waren so apathisch, daß sie nicht einmal den Kopf wandten, als der Tote ins Wasser klatschte.
Der Schlagmann trieb sie mit der Peitsche nach oben an Deck und scheuchte sie dann auf die Pier, wo die meisten erschöpft hinfielen.
Uluch Ali schien das alles nicht zu sehen. Er sah auch nicht die Gesichter der neuen Leute. Vor seinem Auge tauchte immer nur ein ganz bestimmtes Gesicht auf. Ein großer breitschultriger, schwarzhaariger Kerl mit langen Haaren, eisblauen Augen und einem verächtlichen Grinsen im Gesicht. Dieses Grinsen war es. So hatte er ihn angegrinst, kurz bevor er seine Flaggschiff-Feluke gekapert hatte. Und einen Streifschuß, der ihn für ein paar Stunden außer Gefecht setzte, hatte Uluch auch noch von den Seewölfen erhalten.
Seither beschäftigte ihn nur noch dieser Mann, und er hatte sich schon tausendmal vorgestellt, wie er sterben würde.
„Ich kriege dich noch“, murmelte er leise. „Dich und die andere verfluchte Gruppe auf der Sambuke. Ich habe noch jeden gekriegt, wenn ich ihn fassen wollte.“
Alis Schlagmann auf der Galeere überprüfte die Ketten, stieß jeden der Ruderer hart in die Bank und überwachte das Anketten. Wer ihn auch nur aus den Augenwinkeln anblickte oder laut hustete, dem zog er blitzschnell eins über.
Dieser Schlagmann hatte schon in Tripolis als Henker fungiert. Ali bevorzugte diesen Kerl, denn der führte jeden Befehl sorgfältig und mit einer inneren Zufriedenheit aus. Es bereitete ihm Spaß, andere zu demütigen, zu quälen und zu foltern.
Weitere Sklaven lüfteten inzwischen das Deck und pützten Seewasser in eine Balje, das in hohem Schwung über die Bänke gegossen wurde. In der Bilge sammelte sich das Wasser wieder, und der Geruch blieb derselbe wie zuvor auch.
Ein Melder hetzte keuchend heran, warf sich vor Uluch Ali auf die Knie und berichtete hastig.
„Selim Shanoun läuft ein, Erhabener.“
„Sehr gut“, sagte Uluch zufrieden. Er ging ein paar Yards über die Pier, bis er die Hafeneinfahrt besser erkennen konnte. Zum erstenmal seit langer Zeit zeigte sein Gesicht wieder einen zufriedenen Ausdruck. Die Feluken seines Stellvertreters waren also zurückgekehrt. Und natürlich hatten sie die verhaßten Christenhunde an Bord. Wenn auch nicht alle, aber einige hatten sie ganz sicher gefangen, und damit war der Seewolf erpreßbar, falls er sich nicht ohnehin unter den Gefangenen befand.
Uluch starrte hinaus aufs Meer, dabei wurde sein Gesicht immer länger, düsterer und finsterer. Er sah sich nach dem Kerl um, der ihm die Meldung überbracht hatte, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.
Selim lief mit seinen Feluken ein! Was, zum Teufel, hatte der Kerl denn nur gefaselt? Selim verfügte über eine schlagkräftige Flotte. Aber das, was da mühsam genug heransegelte, waren eine lahme Ente und eine noch einigermaßen intakte Feluke.
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