Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-764-8
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Satans Totenkahn
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
26. Dezember 1593.
„Es scheint eine ruhige Überfahrt zu werden, Kapitän“, sagte Florian Willaerts zufrieden. „So blau habe ich Himmel und Meer noch nie gesehen, das ist eine vollkommene Harmonie.“
Der Mann, der das zu Kapitän Joost Bontekoe sagte, war schlank und groß mit einem offenen gutmütigen Gesicht, in dem die Freude auf die Heimat zu lesen stand.
„Fünf Jahre war ich nicht mehr in Holland, Kapitän, fünf lange Jahre. Meine Frau und meine Tochter können es kaum erwarten, wieder in Amsterdam zu sein.“
„Sie werden sich noch ein paar Wochen gedulden müssen, Mijnheer Willaerts. Ich bin keineswegs sicher, daß das Wetter so bleibt, wie es jetzt ist. Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß wir gerade um diese Jahreszeit im Atlantik schweren Stürmen ausgesetzt sein können.“
„Die ‚Nieuw Hoorn‘ ist gut und stabil“, meinte Willaerts unbekümmert. „Die trotzt jedem Sturm.“
Der Kapitän schloß sich dieser Meinung nicht an, behielt das aber für sich, um den Handelsagenten und Repräsentanten eines Amsterdamer Handelshauses nicht unnötig zu beunruhigen.
Willaerts hatte fünf Jahre Havanna hinter sich. In dieser Zeit hatte er sich ein Vermögen geschaffen und war nun turnusmäßig durch einen anderen Mann abgelöst worden, wie das bei den Handelsagenten üblich war.
Wenn er jetzt zurückkehrte, dann wartete in Amsterdam ein Posten als Leiter seiner Handelsfirma auf ihn.
Bontekoe dachte daran, daß der Mann mit seinem enormen Vermögen es eigentlich gar nicht mehr nötig hatte, überhaupt noch einen Handschlag zu tun. Er an seiner Stelle hätte sich zur Ruhe gesetzt und den Rest seines Lebens mit Däumchendrehen beschlossen.
Die „Nieuw Hoorn“ lief mit schräg von achtern einfallendem Wind raumschots durch blaues, klares Wasser. Hinter sich ließ sie eine blasenwerfende schaumige Bahn zurück. Als hätte man da säckeweise Perlen hineingeschüttet, so sah es aus.
Für Kapitän Bontekoe ließ sich die Reise gut an. Das einzige Übel, das ihm mit Sicherheit bevorstand, waren eben jene gefürchteten Winterstürme auf dem Atlantik. So ganz ungerupft würden sie auch diesmal nicht davonkommen. Auch bei der letzten winterlichen Überfahrt hatte ihnen Rasmus hart zugesetzt.
Die dreimastige Galeone war mit Tabak aus Havanna beladen, feinen zu Ballen gepreßten Blättern, die in Europa gutes Geld brachten, seit das Tabakrauchen immer mehr Mode wurde. Besonders die Adelshäuser bevorzugten das „Rauchkraut“. In den Salons der Vornehmen galt es als ganz besonders schick, die geschnittenen Tabakblätter in langen Tonpfeifen zu rauchen.
Diese Ladung ging jetzt nach Amsterdam, und dort würde sie so gutes Geld einbringen, daß sich Bontekoe schon jetzt die Hände reiben konnte.
Auf dieser Reise hatte er für vier Passagiere die Verantwortung übernommen. Er schätzte Passagiere an Bord zwar nicht besonders, weil sie keine Seebeine hatten, dauernd krank wurden oder glaubten, ganz besonders vornehm behandelt werden zu müssen. Meist stellten sie auch Ansprüche, denen die Mannschaft nicht gewachsen war.
Mit der Familie Willaerts war das jedoch anders. Das Ehepaar war bescheiden, und die sechzehnjährige Tochter Marijke ließ sich kaum an Deck blicken. Mit Willaerts Frau verhielt es sich nicht viel anders.
Der vierte Passagier war der Arzt, Doktor Jan Laurens, ein ruhiger abgeklärter Mann, der sein Handwerk verstand. Er galt offiziell als Passagier, fungierte während der Überfahrt jedoch freiwillig als Schiffsarzt.
Havanna lag jetzt hinter ihnen und gehörte bald der Vergangenheit an.
Amsterdam lag vor ihnen, zwar sehr weit noch, aber jeder Tag mit gutem Wind brachte sie auch ein gutes Stück weiter voran.
Der Tag verging in Harmonie, Frieden und Zuversicht. Abends begab sich Willaerts in seine Kammer, setzte sich auf den Rand seiner Koje und betrachtete liebevoll zwei große eisenbeschlagene Truhen.
Diese beiden Truhen enthielten neben dem nicht unbeträchtlichen Familienschmuck eine Menge an Gold- und Silbermünzen. Auch ein kleines Säckchen erlesener Perlen gehörte dazu.
Das meiste davon hatte Willaerts redlich zusammengespart, der Rest war durch günstige Geschäfte erworben worden. Dieses Vermögen war der Grundstock für das Leben in Amsterdam. Willaerts wollte sich mit einem Teil davon ein herrschaftliches Bürgerhaus kaufen.
Zusammen mit dem Kapitän, Doktor Laurens und dem Ersten Offizier der „Nieuw Hoorn“ aßen sie zu Abend, während die Galeone weiter durch die See glitt.
Willaerts hielt danach eine kleine Ansprache, bedankte sich höflich, wünschte eine gute vortreffliche Reise und prächtiges Wetter.
Er hätte lieber Mast- und Schotbruch wünschen sollen, wie das so üblich war, denn auch auf der „Nieuw Hoorn“ gab es eine Menge abergläubischer Kerle, zu denen gehörte auch der Kapitän. Nur Doktor Laurens stand über solchen Dingen.
„So was soll man nicht wünschen“, brummte Bontekoe später auf dem Achterdeck. „Gute, vortreffliche Reise, das zieht ja das Schlechtwetter oder wilden Sturm buchstäblich an.“
Doktor Laurens lächelte. Er hatte ein hageres, etwas eingefallen wirkendes Gesicht, in dem die Wangenknochen hervorstanden. Er sah ganz und gar nicht nach einem Holländer aus.
„Ein paar fröhliche Worte werden kein Unwetter anziehen, Kapitän, das ist doch alles leeres Gerede.“
„Nein, Doktor“, meinte Bontekoe düster. „Da ist etwas dran. Ich habe es schon oft erlebt. Sie werden noch an meine Worte denken. Spätestens im Atlantik, wenn wir die Inseln hinter uns haben, geht es los.“
Es sollte aber schon früher losgehen – und schlimmer, als es sich jedermann an Bord hätte vorstellen können.
Gegen Mittag des anderen Tages waren weit voraus halbkreisförmig angeordnete Punkte in der See zu sehen. Die „Nieuw Hoorn“ segelte auf die Inselgruppe der Jumentos Cays zu.
Joost Bontekoe kannte diesen Weg. Er war ihn schon etliche Male gesegelt. Er fuhr immer durch die Crooked Island Passage und ging dann auf Nordostkurs dem nördlichen Wendekreis entgegen.
Der Himmel war nicht mehr ganz so blau wie am Vortag. Auch das Wasser war dunkler. In der See spiegelten sich ein paar Lämmerwolken, und über den noch fernen Inseln stand eine Wolkenbank wie eine Mauer, die langsam in die Höhe wuchs.
Bontekoe betrachtete das alles mit äußerstem Mißtrauen. Immer wieder sah er nach den Flögeln, suchte dann die vorausliegende Kimm ab und kniff die Lippen zusammen.
Klar, dachte er, da liegt was in der Luft. Kein Wunder nach den gestrigen Äußerungen Willaerts. Der hatte das mit seinen Worten ja geradezu hergebetet.
Noch etwas anderes mißfiel ihm an diesem Tag, und das war sein Erster Offizier van Dongen, der mit leerem Gesicht am Backbordschanzkleid stand und unbeteiligt ins Wasser starrte. Er schien erschöpft und müde zu sein, als hätte er sich wer weiß wie abgerackert. Doch das war nicht der Fall gewesen. In Havanna hatten sie selbst keine Hand zu rühren brauchen, um den Tabak an Bord zu nehmen. Das hatten die Spanier bereitwillig getan.
Bontekoe musterte seinen schläfrigen Ersten scharf. Dem fielen alle Augenblicke die Augen zu, und wenn er sie öffnete, dann geschah das immer krampfhaft und ruckartig.
Trunkenheit scheidet aus, überlegte der Kapitän, denn der Erste trank nicht einmal Genever, von Rum ganz zu schweigen.
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