Kelly Kevin - Seewölfe - Piraten der Weltmeere 102

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Die Insel lag einsam in der unendlichen Weite des Stillen Ozeans. Daß eine Bande von Halsabschneidern und Meuterern auf dieser Insel gestrandet waren, wußten die Seewölfe nicht. Zuerst verschwanden Dan O´Flynn und der Gambia-Neger Batuti. Philip Hasard Killigrew ging mit einigen seiner Männer selbst nach den beiden auf die Suche – sie verschwanden ebenso spurlos. Als nächster Suchtrupp kehrten Carberry und seine Männer nicht mehr zurück. Erst jetzt demaskierte sich der unbekannte Feind und zwang die restlichen Seewölfe zu einer folgenschweren Entscheidung…

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Impressum

© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-426-5

Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

„Hölle! Muß ich dir erst mit Feuer den Hintern ansengen, bis du das verdammte Herdfeuer ankriegst?“

Kopfschüttelnd beobachtete der Kutscher, Koch und Feldscher auf der „Isabella VIII.“ die Bemühungen des Schiffsjungen Bill, das Kombüsenfeuer in Gang zu bringen.

Der schlanke schwarzhaarige Junge grinste sich eins: er war lange genug auf der „Isabella“, um wüste Flüche und noch wüstere Drohungen nicht mehr so ernst zu nehmen. Der Kutscher widmete ihm noch einen vernichtenden Blick, griff nach seinen Bratpfannen – und stieß im nächsten Moment einen erbitterten Fluch aus.

Die „Isabella“ holte schwer nach Steuerbord über.

Pfannen flogen durch die Kombüse, in den Schapps begannen Flaschen und Vorratsbehälter zu tanzen. Der Kutscher warf sich hastig über sein Kochgeschirr, um zu verhindern, daß die schweren Eisenpfannen durch die Kombüse segelten.

Gleichzeitig dröhnte vom Achterkastell die Stimme Philip Hasard Killigrews herüber.

„Gei auf Marssegel! Fier weg Fock und Großsegel!“

„Aye, aye!“ ertönte die Antwort Ben Brightons.

„Aye, aye!“ brüllten die Männer, die bereits zu ihren Stationen an Brassen und Fallen eilten.

Von einer Sekunde zur anderen wurde es an Deck lebendig, jähe Erregung zerbrach die Eintönigkeit des Tropen-Nachmittags. Bill blitzte durch die Kombüse, um einen Blick aus dem Schott zu werfen – und was er sah, ließ ihn unwillkürlich den Atem anhalten.

Der Wind war umgesprungen und wehte plötzlich aus Lee. Die Segel klatschten gegen Wanten und Stage, als eine bösartig heulende Bö sie über den anderen Bug faßte. Wolkenfetzen jagten am eben noch klaren Himmel dahin. Mit aufgerissenen Augen starrte Bill über die aufgewühlte See, die plötzlich tiefschwarz geworden war.

Der Seewolf stand hoch aufgerichtet auf dem Achterkastell.

„Fier weg Besan!“ schrie er. „Nicht so lahm, Kreuzdonnerwetter noch mal!“ Und scharf wie ein Peitschenhieb: „Wasserhose querab Backbord!“

Bill warf den Kopf herum.

Fast hätte er aufgeschrien, so gespenstisch war der Anblick des aufgewühlten Horizonts. Ein furchterregendes Ungeheuer schien auf die „Isabella“ zuzurasen, ein schwankendes, sich windendes Etwas, das rasend schnell dahinwirbelte, alles ringsum in undurchdringliche Schwärze hüllend. Es sah aus, als habe sich die See in wilder Wut aufgebäumt, als stürzten sich die schwarzen Wolken aus dem Himmel auf das Wasser, um es zu sich emporzureißen.

Schwarz und drohend tanzte die riesige Säule heran, eine Ausgeburt der Hölle, ein gieriges Untier, das alles verschlingen würde, was ihm in den Weg geriet.

Wie gelähmt vor Entsetzen erkannte Bill, daß die tückischen Windströmungen und der Druck der sich steil auftürmenden Dünung die „Isabella“ genau auf die unheimliche Erscheinung zudrückten.

„Weg mit dem Besan!“ ertönte Hasards Stimme.

Gleichzeitig ließ der dröhnende Baß des Profos Bill zusammenzukken: „Hopp-hopp, ihr lahmen Kakerlaken! Werft das verdammte Fall los, oder ich zieh’ euch die Haut in Streifen von euren Affenärschen! Manntaue spannen! Luken verschalken, Ferris, oder der Kahn kriegt den Bauch voll Wasser! Himmelarsch, wollt ihr euch wohl bewegen, ihr verdammten …“

Das Heulen des Sturms verschluckte den Rest der Worte. Die Seewölfe hätten sich auch ohne Carberrys Flüche bewegt: sie kannten den tückischen Feind, der da auf sie zujagte.

Bill flitzte über die Kuhl, um beim Durchholen der Strecktaue zu helfen. Krachend schlug die schräge Gaffelrute des Besans an Deck, als Bob Grey und Sam Roscill das Fall loswarfen. Stenmark, Batuti und Matt Davies hingen wie die Klammeraffen am Bugspriet, um die wild schlagende und sich blähende Blinde aus dem Wind zu reißen und festzuzurren. Und im Großmars hockten Donegal Daniel O’Flynn und Arwenack, der Schimpanse – wie gelähmt von dem geisterhaften Schauspiel und unfähig, sich von dem Anblick loszureißen.

„O’Flynn!“ brüllte der Seewolf. „Hast du den Verstand verloren?“

Dan zuckte zusammen, dann schwang er sich hastig über die Segeltuchverkleidung der Plattform und enterte ab. Der Schimpanse folgte ihm und keckerte angstvoll. Hasards Augen hatten sich zu schmalen, eisblauen Sicheln verengt, als er herumschwang und mit drei Schritten zum Ruderhaus stürmte, um das Rad zu übernehmen. Immer noch trieb die „Isabella“ auf die Wasserhose zu, von tückischen Kreuzseen geschüttelt, auch ohne Segel Fahrt laufend. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde das schwarze, wirbelnde Seeungeheuer genau auf das Vorschiff treffen.

„Verdammt!“ brüllte Ben Brighton, was bei diesem ruhigen, beherrschten Mann etwas heißen wollte. „Das Ding saugt uns geradewegs in die Hölle, wenn wir da durchlaufen.“

„Wir werden durchlaufen!“ schrie Hasard zurück. „Scheuch die Leute unter Deck, Ben, schnell!“

„Aber …“

„Unter Deck mit euch! Sind wir hier ein Debattierklub? Ferris, ein Tau her! Lasch mich fest, aber Tempo, zum Teufel!“

„Aye, aye, Sir …“

Der rothaarige Schiffszimmermann hangelte sich mühsam den Niedergang zum Achterkastell hinauf. Ben Brighton sprang auf die Kuhl und klammerte sich an den ausgespannten Tauen fest.

„Alle Mann unter Deck!“ gellte seine Stimme, während das Tosen und Heulen des Sturms zum rasenden Inferno anschwoll.

Hasards Fäuste umspannten die Speichen des Ruders. Sein Blick hing an der schwankenden Säule der Wasserhose, während ihn Ferris Tucker mit fliegenden Fingern im Ruderhaus festband, damit er nicht über Bord gespült werden konnte. Protestierende Stimmen wurden laut. Und dann ein Gebrüll, das mühelos das Toben der Elemente übertönte: Ed Carberry, der eisenharte, salzgewässerte Profos, der diesmal schneller als selbst Ben Brighton begriff, was die Stunde geschlagen hatte.

„Unter Deck, ihr verlausten Affen! Schneller, ihr Rübenschweine, oder ihr werdet gleich auf dem Meeresgrund spazierengehen! Kutscher, wenn du mißratener Kombüsenzwerg das Feuer nicht gelöscht hast …“

„Ich bin doch nicht blöd, du Steinzeitmensch!“ schrie der Kutscher empört. „Kümmere du dich um deinen Kram!“

Der Profos stieß einen Laut aus, bei dem es der Kutscher vorzog, ganz schnell zu verschwinden.

„Ab, Ferris!“ schrie Hasard auf dem Achterkastell. Der rothaarige Hüne holte Luft, aber ein Blick in das wilde, verzerrte Gesicht des Seewolfs ließ ihn verschlucken, was er eigentlich hatte sagen wollen.

Binnen Minuten war der letzte Mann unter Deck verschwunden.

Hasard stand am Ruder und hielt mit eisernen Fäusten die schlingernde, stampfende Galeone mit dem Kopf schräg zur Dünung, damit sie nicht quer zwischen Die Wellenberge geriet. Undurchdringliche Schwärze schien die „Isabella“ zu verschlingen, die schwankende Säule der Wasserhose ragte vor dem Schiff auf wie eine gigantische Geistererscheinung.

Der Seewolf biß die Zähne zusammen. Seine blauen Augen funkelten, das schwarze Haar flatterte im Wind. Verbissen starrte er zu dem wirbelnden Ungetüm hinauf, das die „Isabella“ im nächsten Moment zerschmettern mußte, und wartete auf den entscheidenden Moment, auf den Augenblick, in dem die Wasserhose in sich zusammenfiel, weil das große Schiff den Rhythmus der in ihr wirkenden Luftströmungen zerstörte.

Jetzt war es soweit!

Eine Gigantenfaust schien das Vorschiff der „Isabella“ zu packen und schleuderte sie herum.

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