Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-920-8
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Roy Palmer
Er ging seine letzte Wache – denn der Tod erwartete ihn
Aquino and Bernardo, zwei Soldaten des spanischen Stützpunktes Nueva Gerona, gerieten sich beim Würfelspiel in die Haare. Bernardo sprang plötzlich auf und beschimpfte seinen Landsmann .
„Da hast den Würfel in der Hand umgedreht!“ stieß er zornig hervor. „Ich hab’s genau gesehen!“
„Ich habe ihn nicht angerührt“, beteuerte Aquino .
„Du bist ein Betrüger!“
„Du bist ja betrunken!“
Bernardo schlug über den Tisch hinweg mit der Faust nach seinem Gegenüber. Aquino wich aus. Bernardo hieb ins Leere, verlor das Gleichgewicht und knallte mit seinem Panzer auf den Tisch. Der Tisch kippte um. Würfel, Geld, Becher und ein Krug Wein landeten auf den Bohlen. Bernardo packte Aquino am Bein und riß ihn zu Boden .
Die beiden droschen mit den Fäusten aufeinander ein .
Plötzlich zückte Bernardo sein Messer .
„Dich bring’ ich um!“ brüllte er. Er war jetzt wie von Sinnen und raste vor Wut .
Die Hauptpersonen des Romans:
Della Rocca– Der Korse glaubt, einem Phantom nachzujagen, was ihn wiederum daran hindert, noch klar zu denken.
Moleta– Als neuer Kapitän der „Bonifacio“ kennt er nur ein Ziel: den ehemaligen Kapitän zur Strecke zu bringen.
Maradona– Ein kleiner Falschspieler, der sich auf eine Sache einläßt, die einen tödlichen Ausgang nimmt.
Bernardo– Ein spanischer Soldat, der seine letzte Wache geht, die von einem Messer beendet wird.
Philip Hasard Killigrew– Der Seewolf weiß, daß Vorsicht immer der bessere Teil der Tapferkeit ist.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Caravajo – so hieß der Wirt der einzigen Kneipe im Hafen von Nueva Gerona. Ein Schrank von Kerl, der sein Geschäft glänzend verstand. Natürlich hatte Caravajo den Streit zwischen Aquino und Bernardo entstehen sehen. Er hatte sofort geahnt, daß es Ärger geben würde. Aber er hatte keine Zeit, sich um die beiden Soldaten zu kümmern. Caravajo hatte genug mit den anderen Gästen zu tun.
Jetzt war es soweit. Die beiden Streithähne wälzten sich am Boden. Ihre Brustpanzer gaben dumpfe, harte Laute von sich. Die Helme hatten sie verloren. Bernardo hatte an diesem Abend zuviel getrunken. Das wirkte sich bei ihm schlimm aus. Er wurde dann sehr leicht handgreiflich.
„Moment mal“, sagte Caravajo zu einer Gruppe von Männern, die sich bei ihm an der Theke versammelt hatten. Die Männer – zum größten Teil Soldaten – gehörten zu seinen Stammgästen und Freunden. Auch Aquino und Bernardo waren Stammgäste. Aber hin und wieder mußte man ihnen auf die Finger klopfen. Besonders diesem streitsüchtigen Bernardo.
„Ich bin gleich wieder da“, sagte Caravajo. Hölle, jetzt hatte Bernardo auch noch sein Messer gezückt!
Caravajo bewaffnete sich mit einem Kübel. Er trat hinter dem Tresen hervor und eilte quer durch seine Schenke. Unterwegs schöpfte er aus einem Faß Wasser. Das klatschte er Bernardo mit voller Wucht in den Nacken. Bernardo, der eben mit dem Messer auf Aquino hatte einstechen wollen, zuckte zusammen, als habe ihn ein Peitschenhieb getroffen. Er hielt in der Bewegung inne und japste.
Caravajo schleuderte den Kübel von sich. Ein kleines Kerlchen, das Maradona genannt wurde, fing ihn geschickt auf.
Maradona grinste und sagte: „Wenn Wein oder Bier drin gewesen wäre, wär’s schade gewesen. Wasser, das kann man gerade noch verkraften.“
Mit einer Gewandtheit, die ein Fremder Caravajo nicht zugetraut hätte, bückte sich der Wirt nach den Streitenden. Er riß Bernardo das Messer aus der Hand, drehte sich um und gab es Maradona, der nun grinsend hinter ihm stand. Dann zerrte Caravajo Bernardo von Aquino weg und zog ihn zu sich hoch.
„Willst du wohl damit aufhören?“ fuhr der Wirt den Soldaten an.
„Nein! Ich bring’ ihn um!“
Zwei gewaltige Ohrfeigen warfen Bernardos Kopf hin und her. Caravajo stieß den Mann auf einen Stuhl.
„Bist du jetzt nüchtern?“ fragte er ihn drohend.
Bernardo hatte das Gefühl, es habe ihm den Kopf von den Schultern gerissen. Aber der Kopf saß noch fest auf dem Hals. Nur dröhnte es in seinem Schädel, als schlage eine bronzene Glocke darin hin und her.
„Bitte nicht mehr hauen“, murmelte Bernardo.
„Aha, er wird vernünftig“, sagte Caravajo. Er stemmte die Fäuste in die Seiten und sah den Soldaten aufgebracht an. „Aber du mußtest mit dem Messer auf deinen Freund losgehen, was? Schämst du dich nicht?“
„Er ist nicht mehr mein Freund“, erklärte Bernardo dumpf.
Aquino hatte sich aufgerappelt.
„Hört nicht auf ihn“, sagte er. „Er weiß nicht, was er redet.“
„Betrogen hat er mich“, brummte Bernardo.
„Kannst du das beweisen?“ fragte Caravajo.
„Nein.“
„Aquino hat ordentlich gespielt“, sagte Maradona. „Ich habe es gesehen.“
Stimmen wurden laut. Einige andere Zecher wollten ebenfalls beobachtet haben, daß Aquino beim Würfeln ehrlich geblieben war. Es herrschte wieder Stimmung. Caravajo sorgte für Ordnung. Der ließ nicht zu, daß sich in seiner Kneipe die Männer prügelten oder gar mit Messern aufeinander losgingen.
Caravajo packte Bernardo wieder und zog ihn zu sich hoch. Ihre Gesichter waren nur wenige Zoll voneinander entfernt.
„Du hast dich getäuscht“, sagte der Wirt. „Und du wirst dich jetzt bei deinem Freund entschuldigen, sonst lernst du mich richtig kennen.“
„Niemals!“
Caravajo holte mit der Hand aus. Bernardo duckte sich und hob abwehrend die Hände.
„Willst du wohl vernünftig sein?“ fuhr der Wirt ihn an.
„Ja!“ rief Bernardo. „Ja!“
Caravajo schleifte ihn zu Aquino. Maradona und einige andere Zecher gingen mit. Sie konnten sich ihr Lachen kaum verkneifen.
Der Wirt stellte Bernardo vor Aquino hin.
„So“, sagte er. „Und nun sag deinen Spruch auf.“
Bernardo wirkte verlegen.
„Bitte – um Entschuldigung“, brummelte er.
Aquino wollte etwas erwidern, aber der Wirt winkte ab.
„Lauter!“ rief er. „Keiner hat was verstanden! Wird’s bald?“
„Aquino“, sagte der Soldat Bernardo. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Hab’ mich vergessen. Bitte, entschuldige.“
„Das klingt schon besser“, sagte Caravajo. „So, und jetzt gebt euch die Hände, ihr beiden.“
Aquino streckte seine Hand vor. Bernardo gab einen dumpfen Laut von sich, einem Grunzen nicht unähnlich. Er ergriff die Hand und drückte sie fest.
„Schon recht“, sagte Aquino. „Ich nehm’s dir ja nicht übel. Aber ich habe dich wirklich nicht reingelegt, glaube es mir.“
„Ich glaube es.“
„In Ordnung“, sagte Caravajo, „und nachdem das geregelt ist gebe ich für alle einen aus.“
Johlen und Beifallsgeschrei ertönten. Caravajo ging grinsend zur Theke zurück und nahm seinen gewohnten Platz ein. Die Männer drängten sich und hielten ihm ihre Becher hin. Caravajo füllte sie mit Wein. Er ließ sich nicht lumpen. Hin und wieder spendierte er eine Lokalrunde. Das kurbelte das Geschäft an.
Die Welt war wieder in Ordnung. Die Soldaten setzten ihre Gespräche fort. An drei, vier Tischen wurde mit Würfeln gespielt. Aquino und Bernardo waren wieder die besten Freunde. Bernardo versuchte, es wieder auszugleichen, was er angerichtet hatte. Er holte zwei Humpen Bier und bot einen davon seinem Freund an.
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