Fred McMason - Seewölfe - Piraten der Weltmeere 389

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Feuer frei! Old O'Flynns Stimme klang wie ein Trompetenstoß, als er die Worte hinausschmetterte. Die Distanz zwischen den beiden Schiffen betrug etwa fünfzig Yards. Da konnte man nicht mehr vorbeifeuern, selbst beim schnell ablaufenden Passiergefecht nicht. Die Drehbassen hämmerten ihr brüllendes Lied und spien Rauch, Feuer und Eisen aus. Der Krach war ohrenbetäubend. Drüben auf der Schaluppe schlug es dreimal hintereiander ein. Der Mast wurde getroffen und zersplitterte. Die Gaffelrute krachte an Deck und riß das Segel mit sich. In der Bordwand erschienen direkt an der Wasserlinie zwei Löcher – aus dem Jäger war von dem einen Augenblick zum anderen ein gestelltes Wild geworden…

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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-797-6

Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Jäger und Gejagte

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Kanonendonner rollte pausenlos über die See.

Es war die Nacht vom 13. auf den 14. Juni 1594. Immer wieder stachen gewaltige Feuerlanzen durch die Nacht und zerhackten die Finsternis. Der brüllende und grollende Donner folgte sofort danach. An der Kimm waberte es blutrot auf.

Der Bund der Korsaren rupfte einen spanischen Geleitzug, der von Havanna ausgelaufen war, und hier ereilte ihn sein Schicksal.

Ein Teil des Geleitzuges war schon kräftig gerupft. Den Mannschaften war nichts geschehen. Der Bund der Korsaren hatte es nur auf die Gold-, Silber- und Perlenladungen abgesehen.

Die „Isabella“ unter Philip Hasard Killigrew nahm an dem Gefecht nicht mehr teil. Hasard hatte eine spanische Galeone geentert und zu seinem Entsetzen entdeckt, daß die Dons menschliche „Fracht“ an Bord hatten, Männer und Frauen aus dem Stamm der Mixteken. Diese etwa siebzig Indianer sollten zur „Schau und Belustigung“ nach Spanien verschleppt und dort dem königlichen Hof vorgeführt werden.

Seitdem hatten die Arwenacks sich zurückgezogen und überlegten, ob sie die bedauernswerten Indianer auf einer Insel oder an der Küste Floridas absetzen sollten.

Jetzt sägten noch vier Schiffe Brocken aus dem Geleitzug heraus.

Thorfin Njals „Eiliger Drache über den Wassern“, die „Le Vengeur“, die „Caribian Queen“, unter Siri Tong und die „Tortuga“ nahmen einen Don nach dem anderen aus und erleichterten ihn um seine Schätze.

Old O’Flynn war die Aufgabe zugefallen, „Fühlungshaltermelder“ zu spielen und die Schiffe, die in alle Himmelsrichtungen verstreut waren, aufzuspüren und sie durch drei Böllerschüsse den Galeonen des Korsarenbundes zu melden.

Jetzt standen Jäger und Gejagte etwa sechzig Meilen nordöstlich des Ausgangs der Florida-Straße.

Einige Dons hatten entnervt die nächtliche Szene verlassen und waren in wilder Panik davongesegelt, nachdem sie um ihre Ladungen erleichtert worden waren.

Wenn es die Zeit zuließ, dann hetzte Old O’Flynn sie mit seinem kleinen Dreimaster „Empress of Sea“ noch ein bißchen und verscheuchte sie damit endgültig.

Der aus achtzehn Handels-Galeonen und zwölf Handels-Karavellen bestehende Geleitzug war bis jetzt um neun volle Ladungen erleichtert worden. Auf den vier Schiffen waren die Ladekapazitäten fast erschöpft. Unter Deck stapelten sich Eisentruhen mit Gold- und Silberbarren, Perlen, indianischem Goldschmuck und Edelsteinen. Der Wert war nicht einmal annähernd abzuschätzen.

Der Wikinger war mit seinen Mannen gerade beim „Hühnchenrupfen“, wie er das nannte. Sie trieben langsam vor dem Wind, Seite an Seite mit einer spanischen Galeone, die geentert worden war.

Die verängstigten Spanier schufteten bis zum Umfallen, schleppten das Zeug kistenweise aus ihren Laderäumen und brachten es auf den Schwarzen Segler. Dort verstauten es andere Dons, die der Wikinger zur unbezahlten Arbeit herangezogen hatte.

Thorfin Njal humpelte noch etwas. Sein linker, vor einigen Wochen gebrochener Knöchel war straff bandagiert. Wenn die schwitzenden Dons ihn sahen, zuckten sie jedesmal verstört zusammen, denn der Riese, der aus grauer Vorzeit zu stammen schien, flößte ihnen Furcht ein. Sie hatten Angst, nach getaner Arbeit an die Rahen gehängt zu werden.

Thorfin befahl dem Stör, eine der Eisenkisten zu öffnen, sozusagen zur Stichprobe.

Während er sich darüberbeugte und der Stör mit einer Laterne leuchtete, krachte es weiter östlich bestialisch laut. Siri-Tong hatte einem Don den Großmast weggeschossen, und der zerschlug jetzt im Fallen fast das ganze Deck und die Schanzkleider. Weitere Blitze zuckten durch die Nacht.

Thorfin störte sich an dem Donnern und Rumpeln nicht. Er fischte in der Eisenkiste und hob einen Gegenstand hoch. Sehr andächtig betrachtete er ihn.

„Hm, eine Platte zum Gemüsesehneiden“, sagte der Stör, „oder eine Art Teller aus Metall.“

„Du abgelaichter Stint!“ grollte Thorfin. „Soviel habe ich davon auch schon verstanden. Das ist ein goldener Kalender, den die Indianer gefertigt haben, um die sich der Seewolf kümmert. Gemüseplatte! Du spinnst ja. Das Ding ist ganz aus Gold und zeigt die Gestirne des Himmels.“

Vorsichtig legte er die dicke goldene Platte wieder zurück.

Die letzten Kisten und Truhen stapelten sich an Deck.

„Unten ist alles voll“, sagte der Stör, „da geht nicht mal mehr ein goldener Ring in die Laderäume. Wir müssen das an Deck festzurren.“

„Ich weiß, wir sind fast überladen. Schade, dabei laufen noch ein paar ungerupfte Hühnerchen herum, und alles ließ sich so gut an, seit wir die Kriegs-Galeonen erledigt hatten. Die Dons haben uns wirklich einmalig gut beschenkt.“

„Gut beschenkt“, echote der Stör, „einmalig gut beschenkt. Wie zu Weihnachten“, setzte er schnell hinzu, als er den drohenden Blick des Wikingers sah, der es auf den Tod nicht ausstehen konnte, wenn der Stör ihm immer alles nachquasselte.

„Eiliger Drache“ lag sehr tief im Wasser. Thorfin sah ein, daß er beim besten Willen nichts mehr an Bord nehmen konnte, ohne bei ruppiger See sein Schiff zu riskieren.

Er blickte die Spanier an, die schwitzend und verängstigt an Deck standen und nicht wußten, was dieser unheimliche Kerl jetzt mit ihnen vorhatte.

„Ihr habt das alles zusammengeklaut!“ rief er mit seiner Donnerstimme. „Und ihr habt dabei Unschuldige getötet, Männer, Frauen und Kinder. Jetzt klauen wir euch das Zeug, und ihr habt nur ein bißchen arbeiten müssen. Verzieht euch jetzt, schießt in den Wind oder Thors Hammer wird euch ins Kreuz fahren. Bei Odin und seinen Raben Hugin und Munin – haut bloß ab!“

Die verdatterten Spanier verstanden nichts. So obskure Dinge wie Thors Hammer oder Odins Raben waren ihnen kein Begriff. Sie kapierten erst, als der in Felle gehüllte Riese brüllend auf sie losging und so laut mit seiner Donnerstimme schrie, daß er mühelos das Donnern der Kanonen übertönte.

Da rissen sie aus und sprangen auf ihre Galeone, total verunsichert, was jetzt wohl folgen würde.

„Löst die Enterhaken und laßt den Torfkahn treiben, wohin er will“, befahl der nordische Gigant. Er klopfte nachdrücklich mit der Faust auf seinen Helm, was die Dons wiederum vor Schreck zusammenzucken ließ.

Eike und Arne lösten die Haken und grinsten die Dons an. Die Galeone war beschädigt. Ihr Backbordschanzkleid eingedrückt, ein Mast zersplittert, und dicht über der Wasserlinie wies sie drei große Löcher auf, die Thorfins Eisenkugeln hineingeschlagen hatten. Im Rigg sah es auch ein bißchen wüst aus. Der Takelmeister brauchte sich während der nächsten Zeit keineswegs um Arbeit sorgen.

Die ausgenommene Galeone trieb langsam davon. Die Spanier ließen sie treiben. Sie trauten sich nicht einmal, die Segel zu setzen und blieben untätig und hilflos an Deck stehen. Allerdings hatten sie auch nicht mehr viel Tuch an den Rahen, das noch gesetzt werden konnte.

Thorfin schenkte den Kerlen keinen Blick mehr. Er drehte sich um und starrte in die Nacht, aus der immer noch lange Flammenblitze stachen.

Die „Tortuga“ hatte sich in eine Galeone verbissen und räumte sie aus. Siri-Tong übernahm die Ladung einer anderen Schatzgaleone, während die „Le Vengeur“ gar nichts mehr unternahm, denn ihre Laderäume waren ebenfalls zum Bersten voll.

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