Impressum
© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-507-1
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1.
Kapitel 2.
Kapitel 3.
Kapitel 4.
Kapitel 5.
Kapitel 6.
Kapitel 7.
Kapitel 8.
Der Himmel hatte sich mehr und mehr bezogen. Alles schien in diesen nördlichen Breiten grau in grau zu sein. Undeutlich war an Backbord die zerklüftete Felsenküste Labradors zu erkennen. Eine steife Brise aus Nordost füllte die Segel der „Isabella VIII.“ und setzte ihr zu. Denn um den Kurs zu halten, mußte das Schiff ziemlich hoch an den Wind.
Auf den Wogen in der dunklen See bildeten sich Gischtköpfe. Immer wieder brachen sie sich schäumend an den Bordwänden der „Isabella“, und das eiskalte Wasser sprühte über die Decks.
Ben Brighton, der sich unweit des Ruderhauses auf dem Achterkastell aufhielt, warf zum wiederholten Mal einen prüfenden Blick auf die zerklüftete, tiefgraue Felsenküste, zwischen deren Schroffen sich gerade noch das blauweiße Gletschereis erkennen ließ.
Es war eine höllisch unbequeme und unwirtliche Gegend, in die sie mit der „Isabella“ geraten waren. Es sah auch ganz und gar nicht so aus, als ob sich daran in der nächsten Zeit etwas ändern würde. Im Gegenteil, je weiter nördlich sie segelten, desto unwirtlicher und kälter wurde es. Schon hatten sie treibende Eisschollen gesichtet, und Ben Brighton dachte mit Grauen an die Zeit in der Antarktis, wohin sie bei ihrem Versuch, Kap Horn zu umrunden, von einem Orkan verschlagen worden waren.
Langsam ließ der erste Offizier der „Isabella“, der zugleich auch die Funktionen des Bootsmannes und des Kapitän-Stellvertreters erfüllte, seinen Blick über das Hauptdeck wandern, das er durch die scharf angebraßten Segel gut übersehen konnte. Die Männer trugen die wärmsten Sachen, die es an Bord gab. Hosen und Jacken aus schwerem Schlechtwettersegeltuch, darunter gefütterte Ledersachen, die sie noch von der Antarktis hatten. Lederstiefel, die zum Teil bis zu den Oberschenkeln reichten und meist von den Spaniern erbeutet worden waren, vervollständigten das Bild.
Die Stimmung war an diesem Tag an Bord der „Isabella“ nicht sonderlich gut. Zwar machte den Seewölfen das kalte, unfreundliche Wetter kaum etwas aus, aber dieses ewige Grau in Grau, das begann sie zu nerven.
Edwin Carberry, der narbengesichtige Profos der „Isabella“, wanderte langsam über das Hauptdeck. Hin und wieder überprüfte er den Sitz einer der Persenninge, mit denen die siebzehnpfündigen Culverinen abgedeckt waren. Aber alles hatte seine Ordnung, und Carberry mußte sich ein anzügliches Grinsen Al Conroys gefallen lassen, der ihn bei seinem Tun beobachtet hatte.
Aber Carberry schwieg. Auch er befand sich nicht gerade im Zustand rosigster Laune. Ohne den Geschützmeister eines Blickes zu würdigen, ging er weiter und enterte schließlich zum Vorderkastell auf. Dort traf er auf Ferris Tucker, den hünenhaften Schiffszimmermann der „Isabella“ und auf Big Old Shane, den einstigen Waffenmeister auf Arwenack, der Stammfeste der Killigrew-Sippe.
Old Shane blickte auf, und als er Carberry sah, begann er zu grinsen.
„Ho, Ed, wie ich sehe, ist deine Laune inzwischen bis zum Kielschwein durchgesackt, genau wie die Temperatur, die innerhalb der letzten Stunden mehr und mehr gefallen ist.“
Auch Ferris Tucker legte den Hammer zur Seite, mit dem er eben noch am Spill herumgeklopft hatte.
„Shane hat recht, Ed, die Temperatur ist innerhalb der letzten Stunden ein ganz verdammtes Stück gesunken, das gefällt mir ganz und gar nicht, denn das bedeutet nichts Gutes.“
Carberry, der seinen untrüglichen Instinkt für herannahende Unwetter schon mehr als einmal bewiesen hatte, hob die Nase und begann in den Wind zu schnüffeln.
Erst nach einer ganzen Weile wandte er sich den beiden anderen wieder zu.
„Stimmt genau, wir kriegen gehörig einen auf die Mütze, soviel ist mal sicher, aber es kann noch dauern.“
Er verzog mißmutig sein Narbengesicht.
„Ich werde die Jungens mal ein bißchen aufschwänzen. Luken verschalken und so, Blöcke kontrollieren, ob sie vereist sind, Fallen und Brassen ebenfalls auf Gängigkeit überprüfen. Ich glaube, es ist allerhöchste Zeit, daß sie mal wieder ein bißchen Feuer unter ihre Hintern kriegen, sonst versauern sie noch völlig!“
Der Profos wollte sich abwenden, aber Ferris Tucker hielt ihn zurück.
„Wir sollten mit Ben reden, Ed. Er muß den Seewolf aus der Koje purren …“
Carberry zog sofort ein abweisendes Gesicht.
„Nein, das werden wir hübsch bleibenlassen. Weißt du rothaariges Rübenschwein eigentlich, wie lange Hasard und Siri-Tong ohne eine Stunde Schlaf an Deck gestanden haben? Irgendwo ist sogar bei Hasard mal Pause. Nein, Ferris, den lasse ich pennen, solange er will. Und der Teufel soll den holen, der ihn stört, verstanden?“
Wieder wollte Carberry aufs Hauptdeck abentern, aber Ferris Tucker packte ihn am Arm. Seine Augen blitzten zornig.
„Jetzt hör mir mal gut zu, du alter Seebulle. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es dunkel. Und wenn es stimmt, daß wir einen auf die Mütze kriegen, dann haben wir allen Grund, uns für die Nacht einen sicheren Ankerplatz zu suchen, denn niemand von uns kennt diese lausige Gegend mit ihren spitzen Klippen und den vorspringenden Felsen. Und wenn der Sturm auch noch aus der Richtung blasen sollte, aus der der Wind jetzt weht, dann möchte ich mal sehen, wie du die ‚Isabella‘ vor Legerwall schützen willst. Der Sturm jagt uns auf die Klippen, daß es nur so kracht. So, und wenn du nicht mit Ben reden willst, dann werde ich das besorgen. Ich wundere mich sowieso schon die ganze Zeit, daß Ben nicht die geringsten Anstalten trifft, um nach einem Ankerplatz Ausschau zu halten.“
Big Old Shane nickte.
„Ferris hat recht, Ed“, sagte er nur. „Außerdem könnte es sowieso nicht schaden, wenn wir uns in eine Bucht verholen, denn die Frischfleischvorräte des Kutschers sind zu Ende. Wir sollten frische Nahrung zu uns nehmen, solange sie sich uns noch anbietet. Der Teufel allein weiß, wie das werden wird, wenn wir weiter und weiter nach Norden segeln …“
Old Shane unterbrach sich, denn eben erschien der Seewolf auf dem Achterkastell.
Carberrys Narbengesicht überzog ein schadenfrohes Grinsen, als er nach achtern deutete.
„Das kommt davon, wenn sich die Gentlemen den Kopf unseres Kapitäns zerbrechen. Wetten, daß Hasard längst alles das erkannt und bedacht hat, was eure Kakerlakengehirne da eben ausgebrütet haben? Aber nichts für ungut, nehmt mal einen Schluck aus meiner Buddel, dann stimmt’s bei euch wahrscheinlich auch wieder!“
Carberry zog eine Rumbuddel aus seiner Segeltuchjacke und reichte sie den beiden. Grinsend nahmen Tukker und Old Shane einen kräftigen Schluck, dann reichten sie die Flasche dem Profos zurück.
„Also, Ed, manchmal hast du gar keine so schlechten Einfälle, das muß man dir lassen. Los dann, runter aufs Hauptdeck, das Spill ist wieder klar. Sicherlich geht der Tanz gleich los, ein paar Blöcke klemmen bestimmt, weil sie wieder vereist sind, da wette ich mit dir!“
Die drei Männer enterten zum Hauptdeck ab. Sie sahen, daß der Seewolf auf dem Achterkastell mit Ben Brighton sprach und zur Küste deutete. Sie wußten auch, über was die beiden Männer miteinander sprachen. Es hatte sich mehr als einmal erwiesen, daß es gar nicht so leicht war, einen wirklich sicheren Ankerplatz mit gutem Ankergrund zu finden.
Doch dann geschah etwas, was alle ihre Pläne total über den Haufen warf.
„Wahrschau, Deck!“
Die Stimme Gary Andrews übertönte die Geräusche an Deck der „Isabella VIII..“ Gary Andrews befand sich zu dieser Zeit als Ausguck im Fockmars.
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